"Hätte am liebsten in Deutsch geantwortet"

Von Jochen Tittmar
Fußball, UEFA-Cup, Özbek
© Imago

München - Vom Bankdrücker in Deutschland zum absoluten Leistungsträger beim Vorzeigeklub der Türkei ist es ein kurzer Weg. Zumindest im Fall dreier junger Spieler, die hierzulande vergeblich auf den Durchbruch warteten.

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Baris Özbek, Serkan Calik und Volkan Yaman erlernten als Söhne türkischer Einwanderer allesamt das Fußballspielen in Deutschland und machten auch ihre ersten Profischritte fernab der Heimat ihrer Eltern.

Zum großen Durchbruch reichte es jedoch nicht - dafür sind sie jetzt bei Bayer Leverkusens UEFA-Cup-Gegner Galatasaray Istanbul in kurzer Zeit zu Stammspielern gereift und aus dem Team vom Karl-Heinz Feldkamp nicht mehr wegzudenken (18.45 Uhr im SPOX-TICKER).

Die Kumpels Özbek und Calik kamen im Sommer gemeinsam von Zweitliga-Absteiger Rot-Weiss Essen an den Bosporus. Yaman, gebürtiger Münchner, wählte den etwas unkonventionellen Weg über Türk SV München und Antalyaspor zu Gala.

Stammspieler bei Gala

Besonders Özbek (im Bild), der durch seine guten Leistungen in der Türkei in die deutsche U 21 berufen und sofort zum Stammspieler wurde, ragt dabei heraus. Der defensive Mittelfeldspieler organisiert die Zentrale des UEFA-Cup-Siegers von 2000 und besticht mit seiner Zweikampfstärke und Übersicht. Bei 17 von 18 Saisonspielen stand er in der Startelf.

Dass die Eingewöhnungsphase bei seiner ersten "Auslandserfahrung" auf Anhieb so reibungslos verlief, führt er auch auf den einzigen "echten" Deutschen zurück, Traineroldie Feldkamp.

"Auch wenn die Türkei für mich Ausland ist, habe ich mich gleich sehr wohl gefühlt und eine super Vorbereitung gehabt. Natürlich war auch die Unterstützung des Trainers wichtig", gestand der "Deutsche", wie er in der Türkei genannt wird. Der Spitzname kommt nicht von ungefähr: "Bei meiner ersten Pressekonferenz hätte ich mir gewünscht, dass ein Dolmetscher neben mir sitzt. Ich hätte auf die türkischen Fragen am liebsten in Deutsch geantwortet", gibt der 21-Jährige unumwunden zu.

Einmal DFB, einmal Türkei

In Sachen Nationalmannschaft sind Özbek und Calik auf unterschiedlichen Pfaden unterwegs - zwangsläufig, könnte man sagen. Während Özbek bereits nach der Vollendung des 21. Lebensjahres für die deutsche U 21 gespielt hat, und deshalb nicht mehr türkischer Nationalspieler werden kann, liegt der Fall bei Calik anders.

"Ich bin zwar in Deutschland geboren und habe auch für die U-19-, U-20- und U-21-Auswahl gespielt, nach vielen Gesprächen habe ich mich aber entschieden, für die Türkei spielen zu wollen", erklärte der gebürtige Dinslakener. Warum ist klar: Der 21-Jährige sieht dort "einfach bessere Chancen, für die Nationalmannschaft zu spielen als in Deutschland".

"Es wäre schade, nur ein oder zweimal für ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft nominiert zu werden, um dann in der Versenkung zu verschwinden", äußerte er seine Zweifel.

Özbek will sich für EM empfehlen

Özbek will sein Glück hingegen in Deutschland suchen. Kürzlich sprach er mit U-21-Coach Dieter Eilts und DFB-Sportdirektor Matthias Sammer über seine Perspektiven in der A-Nationalmannschaft. "Es war ein offenes Gespräch", sagte Özbek, der sich freut, dass seine Auftritte nun "auch in Istanbul genau verfolgt werden, und wenn die stimmen, werde ich auch meine Chance kriegen".

Sein Traum bleibt die Teilnahme an der EM. "Ich würde bei der Europameisterschaft sehr gerne für Deutschland spielen. Ich hoffe, mich in den UEFA-Cup-Spielen gegen Leverkusen auch in Deutschland in den Fokus spielen zu können." Würde er tatsächlich noch den Sprung zur EURO schaffen, wäre er wohl der neue Odonkor.

Die Entscheidung pro DFB wurde dem ehemaligen Essener durch die strikte Reglementierung abgenommen. Ein Wechsel zum türkischen Verband wäre nur noch durch ein Gnadengesuch möglich, das mit Zustimmung des DFB bei der FIFA einzureichen wäre. Sammer dazu: "Er zählt zum Stamm und ist ein wichtiger Spieler, und um die kämpfen wir." Damit ist das Thema wohl durch.

"Wie ein Traum"

Volkan Yaman ist bereits in den Genuss von A-Länderspielen kommen. Sein märchenhafter Aufstieg von der bayerischen Landesliga in die höchste Spielklasse der Türkei innerhalb von nur drei Jahren fand auch beim türkischen Nationalcoach Fatih Terim Beachtung, der den Linksverteidiger mit Offensivqualitäten im März 2007 für das prestigeträchtigste Länderspiel überhaupt nominierte - gegen Griechenland.

Für den 25-Jährigen eine Riesensache: "Es machte Spaß mit großen Spielern wie Hakan Sükür zu trainieren. Angespannt war ich nicht, weil ich nicht ernsthaft erwartet habe, im Kader zu stehen." Falsch gedacht, Yaman debütierte auch gleich. Einwechslung in der 20. Minute, 4:1 der Endstand. "Wie ein Traum", sagte Yaman im Anschluss.

Der Stolz der ganzen Familie

Özbek, Calik, Yaman - alle drei haben in der Türkei ihren Weg gemacht. Warum sie den Schritt in die Heimat ihrer Eltern wagten, liegt auf der Hand.

"Gerade die Spieler, deren Eltern aus der Türkei stammen, kommen natürlich ins Grübeln, wenn ein türkischer Verein anklopft. Das macht die ganze Familie stolz", erklärt Spielerberater Ali Bulut im Gespräch mit SPOX.com. Und während man Hierzulande erfahreneren Spielern oftmals den Vorzug gibt, setzt man in der Türkei gerne auf aufstrebende Jungstars. Bulut: "In der Türkei gilt man mit 20 oder 21 Jahren nicht mehr als Talent."

Bulut selbst hätte den Kickern allerdings nicht zum sofortigen Wechsel geraten, "auch wenn ich in diesen Fällen falsch gelegen hätte". Sein Credo ist eher, dass sich die Talente über längere Zeit in einem gewohnten Umfeld entwickeln sollen.

Paradebeispiel ist sein Klient Ugur Inceman, der ehemals für Fürth, St. Pauli und Aachen spielte und jetzt für den derzeit abstiegsgefährdeten Klub Vestel Manisaspor aufläuft. Der 26-Jährige trägt dort die Kapitänsbinde und ist unangefochtener Leader im Team. Eine Ehre, die ihm in Deutschland nie zu Teil wurde.

Keine Einzelfälle

Weitere solche Beispiele finden sich in der gesamten Süper Lig: Erdal Kilicaslan wirbelte einst gemeinsam mit HSV-Stürmer Paolo Guerrero in der Jugend und bei den Amateuren des FC Bayern. Nach seinem Wechsel zu Gaziantepspor ist er nun zum Führungsspieler gereift. Deniz Baris (St. Pauli) und Ali Bilgin (Rot-Weiss Essen) tragen das Trikot von Fenerbahce Istanbul.

Erhan Albayrak, in Bielefeld und Bremen nicht glücklich geworden, ist dies erst jetzt beim Hauptstadtklub Ankaraspor. Und ein Ali Günes reifte nach seiner Freiburger Zeit bei Fenerbahce zum Leistungsträger.

Günes ist mittlerweile als 29-Jähriger wieder zurück in den Breisgau gewechselt. Und wer weiß - vielleicht zieht es Özbek, Calik und Yaman irgendwann auch wieder in das Land zurück, in dem sie aufgewachsen sind.

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