Scheitern in der Scheinwelt

Geldsorgen im Fußball sind weit verbreitet. Selbst Großverdiener geraten immer wieder in Not
© imago
Cookie-Einstellungen

Baranowsky gerät ins Schwärmen, wenn er auf diese Ausflüge und eben diese Laufbahn angesprochen wird. Denn wie im Falle des ehemaligen Schalke-Profis und später erfolglosen Mikolajczak kümmern sich auch bei der diesjährigen Ausgabe des Camps sogenannte Laufbahncoaches rund um die Uhr um die Teilnehmer.

Und so mancher ist aufgrund akuter Geldsorgen auf diese Soforthilfe dringend angewiesen. Wie melde ich Arbeitslosengeld korrekt an? Was habe ich bei meinem letzten Vertrag falsch gemacht? Wie plane ich die Karriere nach der Karriere?

Zwar hat der VDV dank der guten Bedingungen im Camp 2016 fast 90 Prozent der Teilnehmer wieder vermittelt, doch oftmals kommt das nur einer kurzfristigen Verzögerung des Karriereendes gleich. Und unter den 26 Spielern des diesjährigen Camps tummeln sich ausnahmslos Drittliga- und Regionalligaspieler. Selbst der prominenteste unter ihnen, der ehemalige Drittliga-Rekordspieler Fabian Stenzel, kam trotz Kontakten in die Heimat und Probetraining nicht direkt unter Vertrag. Dann aber, zwei Wochen nach der EM, schloss er sich dem Regionalligisten Meuselwitz an. Stenzel ist 30 Jahre alt.

VDV-Chef: Drei goldene Regeln für Karriereplanung

Umso notwendiger scheint die rechtzeitige Vorbereitung auf die Karriere nach der Karriere. Baranowsky selbst predigt im Gespräch mit SPOX drei grundlegende Regeln, die jeder Profi beachten sollte: "Erstens: Sichere deine Risiken - beispielsweise die Spielunfähigkeit aufgrund einer Verletzung - vernünftig ab! Zweitens: Spare, was du sparen kannst, um dir ein Finanzpolster für die Übergangszeit in die nachfußballerische Berufslaufbahn zu sichern. Drittens: Arbeite schon während der Karriere an deinem beruflichen Plan B."

Zwar hält die Gewerkschaft in den Nachwuchsleistungszentren und bei Profiteams regelmäßig Vorträge mit Tipps zur Verzahnung von Fußball und Bildung. Sie bietet darüber hinaus ein DFB-VDV-Versorgungswerk und eine sportpsychologische Netzwerkinitiative sowie dank des Laufbahncoachings die Möglichkeiten, sich in maßgeschneiderten Fernstudiengängen der VDV-Bildungspartner für den beruflichen Übergang fit zu machen. "Die Klausuren können dabei teilweise sogar an spielfreien Tagen unter Aufsicht in den Räumen unserer Geschäftsstelle geschrieben werden", erklärt Baranowsky nicht ohne Stolz.

Und dennoch liefert eine gemeinsam durchgeführte Tendenzstudie des Instituts für Sportmanagement der Hochschule Koblenz und des VDV aus dem Jahr 2015 ernüchternde Zahlen. Darin wurden Fußballprofis der ersten drei Ligen sowie von einigen Lizenzteams aus der Regionalliga befragt.

Ernüchternde Studie

"Rund zwei Drittel dieser Spieler legen ihren Fokus voll auf den Fußball. Unsere Aufgabe ist es daher, die Spieler für die Problematik zu sensibilisieren und passgenaue Unterstützungsprogramme anzubieten. Sinnbildlich gesagt, haben wir die Türen weit und einladend geöffnet; wir können und wollen aber niemanden hindurchpeitschen", erklärt der VDV-Chef.

Den Fokus zur richtigen Zeit auf das runde Leder zu legen, kann zwar die richtige Entscheidung sein. Oftmals geht es in diesen kritischen Jahren um Nuancen - und - die richtige, objektive Beratung und Selbsteinschätzung. Was das richtige Stichwort ist, um zu Tom zurückzukehren. Der jedenfalls hatte nie einen richtigen Berater oder echten Mentor. "Nur meine Freunde, die stolz waren und fleißig ins Stadion kamen, wenn ich in Liga drei im Kader stand." Danach, gibt er zu, ging es nicht selten mit den Freunden und etablierten Spielern ins Nachtleben. Er schmunzelt.

Doch für Spieler, die an der Schwelle oder vor dem Beginn einer Bundesliga-Karriere stehen, ist die Fokussierung auf den Fußball oftmals die vorerst richtige Entscheidung. Sagen zumindest zwei, die es miterlebt haben: die beiden ehemaligen Nationalspieler Carsten Ramelow, heute bei der VDV aktiv, und Simon Rolfes. Letzterer hat nach seinem selbstgewählten frühen Karriereende mit 33 Jahren 2015 eine Agentur mitgegründet, die Fußballer vor allem bei Finanzanlagen mit Expertise unterstützt.

Rolfes und Ramelow: Zweite Karrierephase entscheidend

Ramelow sagt gegenüber SPOX: "Dass sich Spieler, die in der Bundesliga Anschluss gefunden haben, am Anfang nur auf ihre sportliche Karriere konzentrieren, ist total legitim. Je länger sie in diesem Geschäft sind, desto eher sollten sie sich aber weiterbilden."

Das gelte auch für die absolute Elite, konkretisiert Rolfes: "In der zweiten Phase einer Karriere sollte aber Stück für Stück ein Gefühl dafür entwickelt werden, was danach kommen soll, welche Qualitäten man hat. Recht wenige nutzen die durchaus vorhandene Zeit. Als Profi gibt es durch die Bekanntheit und andere Privilegien ja auch Türöffner für die Karriere danach. Die muss man aber auch nutzen."

Diese Gespräche zu suchen ist auch für Ramelow ein wichtiger Punkt. Er selbst habe dieses Timing nicht gehabt. "Ich habe das alles vor mir hergeschoben und am Karriereende gedacht: Siehst du, du hast den Zeitpunkt doch verpasst. Ich wollte immer meine Fremdsprachen-Kenntnisse verbessern, doch am Ende sind die Bücher in der Ecke gelandet."

Karriereende: 80 Prozent wollen im Fußball bleiben

Damit war und ist der Vize-Weltmeister von 2002 beileibe nicht allein. 90 Prozent der in der Studie Befragten haben sich nach eigenen Angaben zwar schon mal mit der Karriere nach der Karriere beschäftigt. Zwei Drittel davon gaben aber an, niemals zielgerichtet und intensiver gegrübelt und Maßnahmen ergriffen zu haben. 80 Prozent wollen dem Profi-Fußball erhalten bleiben. 70 Prozent der Befragten denken, ihre erworbenen Qualifikationen wären dafür ausreichend.

Dass die Trainer- und Funktionärsplätze im professionellen Bereich arg begrenzt sind, scheint nicht jedem bewusst zu sein. Haben Profis einfach ein unrealistisches Bild davon, was sie nach der Karriere erwartet?

"Der Anteil der Profis, die nach der Karriere ähnlich gut verdienen wie währenddessen, der ist ja sehr gering. Da reden wir vielleicht von einem Prozent. Da muss also auch der Drittligaprofi entweder von seinem hohen Lebensstandard herunter, oder er hat den Standard gar nicht so hochgefahren. Damit er sich mit einem normalen Job, was auch immer er macht, gut halten kann. Dann ist der weitere Lebensweg unproblematisch. Denn vielleicht hat er sich etwas angespart, vielleicht ist das Haus schon abbezahlt", erklärt Rolfes.

Das seien großartige Dinge, eine Ausgangsposition, die andere Menschen mit Anfang 30 noch nicht hätten. "Das müssen Fußballer für sich nutzen. Disziplin während der Karriere und Disziplin dann auch für eine neue Sache."