"Scheiße, Marc! Hättest vorbeischießen sollen!"

Johan de Kock holte mit Schalke 1997 den UEFA-Cup
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20 Jahre nach Schalkes sensationellem Gewinn des UEFA-Cups 1997 erinnert sich Eurofighter Johan de Kock für SPOX zurück. Im Interview spricht der Niederländer über den ereignisreichen Weg ins Finale, den Ruhrpott im Ausnahmezustand, Schalker Beistand für den BVB und ein Abkommen mit Rudi Assauer.

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SPOX: Herr De Kock, wie sehr fühlen Sie sich heute eigentlich noch als Eurofighter?

Johan de Kock: Immer wieder mal überkommt einen das Gefühl. Ich war zuletzt bei Schalkes Spielen gegen Ajax Amsterdam im Stadion und gerade da merkt man, wie frisch die Erinnerungen noch sind. Die Fans erinnern sich und sprechen einen drauf an - mit dem 20-jährigen Jubiläum in diesem Jahr wurde das Erfolgsgefühl von damals nochmal besonders wiederbelebt. Ich hoffe aber, dass es kein Titel für die Ewigkeit war. Denn das würde bedeuten, dass es der größte Schalker Erfolg der Vereinsgeschichte bliebe. Ich wünsche ihnen weitere Titel, das hätten sie verdient.

UEFA-Cup 1997: Schalkes Weg zum Titel in Bildern

SPOX: Eine Wiederholung des damaligen Triumphs wird es 2017 aber nicht geben.

De Kock: Leider, das ist sehr schade. Schalke hat einen guten Kader, in dieser Saison aber nicht genug daraus gemacht. Mir fehlt eine klare Linie. Markus Weinzierl hat noch keine Handschrift hinterlassen, Schalke hat keinen wiedererkennbaren Spielstil. Ajax war in diesem Duell individuell besser und hatte das Quäntchen Glück. Schalke stand kurz vor dem Weiterkommen - nicht, weil sie gut gespielt haben, sondern, weil sie zumindest im Rückspiel einen starken Willen gezeigt haben. Insgesamt muss man aber festhalten: Es war keine gute Schalker Saison.

SPOX: Das war bei Ihnen damals anders. Im Titeljahr spielten Sie Ihre erste Saison auf Schalke - und Sie standen im UEFA-Cup gleich mehrfach im Fokus. Was ist denn mehr hängengeblieben, Ihr Doppelpack in Trabzon in der 2. Runde oder Ihr verschossener Elfmeter im Halbfinale gegen Teneriffa?

De Kock: Was hängengeblieben ist, ist, dass wir den Europapokal gewonnen haben. (lacht)

SPOX: Hand aufs Herz, die Elfmetersituation im Halbfinal-Hinspiel gegen Teneriffa war durchaus eine brenzlige.

De Kock: Damals war das natürlich ein Thema. Dadurch haben wir das Hinspiel 0:1 verloren.

SPOX: Olaf Thon sagte, Sie hätten sich "einfach den Ball geschnappt", obwohl Ingo Anderbrügge auch schießen wollte.

De Kock: Ingo war damals eigentlich unser etatmäßiger Elfmeterschütze. Er hatte in der Saison in der Liga aber bereits zwei Elfmeter verschossen. Zudem war er kein Stammspieler. Ich habe bei meinen vorherigen Stationen in Utrecht und bei Roda Kerkrade stets die Elfmeter geschossen, zu der Zeit auch in der Nationalmannschaft. Als dieser Moment auf Teneriffa kam und Olaf Thon zuvor in Brügge verschossen hatte, ging ich zu ihm und fragte, ob ich schießen soll. "Geh hin", sagte Olaf nur. Zu dem Zeitpunkt hatte sich Ingo aber schon den Ball geschnappt.

SPOX: Und dann?

De Kock: Ich bin zu ihm hin und fragte ihn: "Ingo, bist du dir sicher?". Er antwortete: "Nein, du?"

SPOX: Eine rhetorische Frage.

De Kock: "Gib mir den Ball", habe ich zu Ingo gesagt und damit war die Entscheidung gefallen. Leider habe ich nicht getroffen.

SPOX: Es hatte glücklicherweise keine langfristigen Konsequenzen, wobei es nach dem Spiel ein Riesentheater in der Kabine gegeben haben soll.

De Kock: Ich selbst habe mich nach dem Spiel schlecht gefühlt. Natürlich musste ich mir aber unter anderem von Ingo anhören: "Warum hast du dir den Ball genommen?" Ich musste mich vor der Mannschaft rechtfertigen - weil ich mich im Spiel sicher gefühlt hatte und dachte, Ingo sei es nicht. Sowas kommt aber vor. Dann hat es in der Kabine einmal gerumst und danach war wieder alles gut. Ich sage immer: Leute, die nie einen Elfmeter schießen, können auch nie einen verschießen. Und diejenigen sollten dann auch nicht meckern. Wer sich aber traut, scheitert eben auch mal. Im Finale war ich später sogar wieder der fünfte Schütze. Man hat mir also vertraut.

SPOX: Wie wichtig war in dieser Phase Huub Stevens für Sie? Der Trainer erlebte damals ebenso wie Sie seine erste Saison auf Schalke, Sie hatten zuvor schon in Kerkrade mit ihm zusammengearbeitet.

De Kock: Er kannte mich als Fußballspieler natürlich schon und hatte Vertrauen in mich. Genauso wusste ich, wie er tickt. Huub war damals noch kein großer Name. Außer mir kannte ihn im Team eigentlich niemand, bevor er zu uns kam. Wir sind vom Typ her sehr ähnlich, weshalb ich ein gutes Verhältnis zu ihm hatte. Das hat mir das erste Jahr auf Schalke und sicher auch die Verarbeitung nach diesem Halbfinal-Hinspiel ein Stück weit erleichtert, wenngleich Huub mich nie anders behandelt hat als den Rest der Mannschaft.

SPOX: Schalke drehte das Duell noch im Rückspiel. In der Verlängerung. Ist das die vielbesungene Steven'sche Fitness?

De Kock: Huub hat auch schon damals vernünftig geplant, sodass wir immer eine angemessene Belastung hatten. Das führte dazu, dass wir im Halbfinale in der Verlängerung noch so fit waren. Später im Finale genauso. Huub war aber nicht nur der harte Hund. Ihm war es wichtig, dass die Spieler immer sie selbst und auch eigenständig blieben. Natürlich konnte er aber auch mal durchgreifen. Deshalb ist es auch nicht so, dass er den ganzen Tag zu Scherzen aufgelegt war.

SPOX: In besagtem Halbfinal-Rückspiel soll die Mannschaft im Parkstadion vor allem von der Atmosphäre getragen worden sein.

De Kock: Wir hatten alle Gänsehaut, die Fans standen voll hinter uns. Ich hatte das Gefühl, dass es mit jedem weiteren Spiel im UEFA-Cup bei Heimspielen immer noch mal lauter wurde. Je weiter wir kamen, desto beeindruckender war diese Kulisse auf Schalke. Das hat uns richtig Rückenwind gegeben.

SPOX: Sie haben im ganzen Wettbewerb zuhause kein Gegentor gefangen.

De Kock: Die Fans gaben uns das Gefühl, unschlagbar zu sein. In diesem Halbfinale ist das Lied "Steht auf, wenn ihr Schalker seid" entstanden. Das ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass es im Parkstadion gar nicht so einfach war wie in der Arena auf Schalke, für gute Stimmung zu sorgen. Denn damals saßen die Zuschauer gefühlt kilometerweit vom Spielfeld entfernt. Trotzdem war es sehr pompös. Diese Atmosphäre überforderte unsere Gegner.

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