"Großartiger Tag für den deutschen Fußball"

Von dpa
prinz, jubel
© Getty

Shanghai - Sie fassten sich an den Händen, hüpften ausgelassen durch den Mittelkreis und streiften sich freudestrahlend die vorbereiteten Trikots mit der Aufschrift World Champions über. 

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Als der zweite Titelgewinn bei einer Weltmeisterschaft feststand, kannte die Glückseligkeit der deutschen Fußball-Frauen keine Grenzen mehr.

Durch ein verdientes 2:0 (0:0) im Finale gegen Brasilien bestieg die Mannschaft von Trainerin Silvia Neid zum zweiten Mal den WM-Thron und blieb dank der Paraden von Nadine Angerer als erstes Team in der WM-Historie im gesamten Turnier ohne Gegentor.

"Das ist für den deutschen Fußball eine großartige Stunde. Nadine wird in die Geschichte eingehen", sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger, "sie haben gezeigt, was deutsche Tugenden sind."

"Humba, humba, tätärä"

Um 16.16 Uhr MESZ reckte Spielführerin Birgit Prinz den goldenen WM-Pokal jubelnd in den Himmel über Shanghai - ein begeisternder Empfang nach der am 1. Oktober für 18.35 Uhr geplanten Landung in der Heimat ist den Weltmeisterinnen am Frankfurter Römer sicher.

Nach Feuerwerk, Ehrenrunden und Sektduschen tanzten und sangen die "Heldinnen" noch zwei Stunden nach Abpfiff vor dem Mannschaftsbus wie kleine Kinder. "Humba, humba, tätärä" und "We are the Champions" wechselten in rascher Folge. Nicht nur Trainerin Silvia Neid kam pitschnass aus der Kabine, weil sie samt Anzug von ihren Spielerinnen geduscht worden war.

Von da aus ging es dann nach Mitternacht (Ortszeit) zum Mannschaftshotel "Hua Ting", wo eine Riesenparty bis zum Morgen stieg. Bundespräsident Horst Köhler hatte sie aus der Heimat sogar dazu aufgefordert: "Ich wünsche Ihnen eine rauschende Siegesfeier. Mit Ihnen freut sich ganz Deutschland", schrieb er in einem Telegramm. Die Spielerinnen gehorchten.

Politprominenz gratuliert

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel schloss sich den vielen Gratulanten an. "Eine Superleistung, und wer die Tore gesehen hat, hat gesehen, wie begeisternd Frauenfußball sein kann." Merkel versprach, dass sie und die Bundesregierung alles in die Waagschale werfen, um die nächste Frauen-WM 2011 nach Deutschland zu holen.

"Wir haben wieder eine tolle Mannschaftsleistung gezeigt und sind bis an die Grenzen gegangen. Es ist total schön, zum zweiten Mal Weltmeister zu sein. Aber erst, als Nadine den Elfmeter gehalten hat, wusste ich, dass wir kein Tor mehr kassieren", gestand Neid nach dramatischen und temporeichen 90 Minuten im Hongkou-Stadion, die Birgit Prinz (52.) mit ihrem 115. Länderspiel-Tor und Simone Laudehr (86.) vor 31.000 Fans zugunsten der DFB-Elf entschieden.

Überragende Angerer

Hauptanteil am Erfolg hatte Torfrau Angerer, die ihre überragende Turnierleistung mit der Parade beim Foulelfmeter von Marta (64.) krönte und zur besten Torhüterin des Turniers gewählt wurde.

"Wir haben eine tolle Mannschaft gesehen mit einer Torhüterin, die unglaublich ist", meinte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und sprach vom Finale als einer "Werbung für den Frauen-Fußball". Und Papa Norbert Angerer platzte fast vor stolz. "Sie hat eine tolle WM gespielt."

Mit der erfolgreichen Titelverteidigung krönte das deutsche Team ein makelloses Turnier, in dem Angerer den WM-Rekord des italienischen Schlussmanns Walter Zenga von 1990 um 23 Minuten überbot und insgesamt 540 Minuten unbezwungen blieb.

Im Finale stand der Torfrau von Turbine Potsdam aber auch das Glück zur Seite, so bei Danielas Pfostenschuss (24.). Gegen die Ballzauberinnen aus Südamerika verdiente sich auch die Innenverteidigung mit Ariane Hingst und Annike Krahn ein großes Lob.

In ihrem 171. Länderspiel stellte Sturmführerin Birgit Prinz einmal mehr ihre Torgefährlichkeit unter Beweis, machte mit ihrem 14. WM-Tor den Anfang und betrieb zugleich Werbung für die Kandidatur um die WM 2011. "Natze im Tor war sensationell", lobte Birgit Prinz, "wir haben aber auch das nötige Glück gehabt."

Ebenbürtige Brasilianerinnen

Nachdem FIFA-Präsident Joseph Blatter jede Spielerin auf dem rasen per Handschlag begrüßt hatte, entwickelte sich das Duell der beiden offensivstärksten Turnier-Mannschaften zum offenen Schlagabtausch, in dem der Titelverteidiger die technischen Vorteile des Gegners mit großem Einsatz wettmachte.

Das frühe 1:0 verpasste Sandra Smisek (14.), die bei der besten Gelegenheit völlig freistehend aus 16 Metern über das Tor schoss. Mitte der ersten Halbzeit bekamen die ballsicheren Brasilianerinnen, die auf dem Weg in ihr erstes WM-Finale Top-Favorit USA mit 4:0 deklassiert hatten, Oberwasser.

In der 24. Minute bewahrte der Pfosten Angerer beim Distanzschuss von Daniela vor dem ersten Gegentor. Eine Minute später konnte die deutsche Torfrau die mit sieben Toren erfolgreichste WM-Torschützin Marta erst im letzten Moment am Einschuss hindern.

Fünftes Tor von Prinz 

Mit einem Drehschuss über das Tor von Andreia eröffnete die von einer Wadenblessur rechtzeitig genesene Melanie Behringer (48.) die zweite Spielhälfte. Vier Minuten später legte Smisek Torjägerin Prinz den Ball mustergültig zu ihrem fünften Turnier-Tor auf.

Die Brasilianerinnen antworteten mit wütenden Angriffen, doch die besseren Möglichkeiten hatten die Deutschen. In der 60. Minute verpasste Garefrekes per Kopf knapp die Entscheidung. Als drei Minuten später Linda Bresonik im Strafraum Cristiane von den Beinen holte, drohte das Spiel zu kippen, doch Angerer wehrte den Schuss von Marta reaktionsschnell ab.

Die deutsche Mannschaft stemmte sich weiter erfolgreich gegen den Sturmlauf der Brasilianerinnen, die mit Macht, aber meist wenig Übersicht auf den Ausgleich drängten. In der Schlussphase gab es zwar kaum noch Entlastung, aber vier Minuten vor Schluss beendete Laudehr mit ihrem zweiten Länderspiel-Tor das Bangen der deutschen Fans.

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