"FCN war eine persönliche Niederlage"

Valerien Ismael spielte in der Bundesliga für Werder Bremen, den FC Bayern und Hannover 96
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SPOX: Beim FCN hat damals die sportliche Situation schnell eine Eigendynamik entwickelt, die nur schwer zu stoppen war.

Ismael: Man braucht in erster Linie die richtigen Ergebnisse. Wenn das klappt, bekommt man Zeit und hat genügend Ruhe, um sinnvoll etwas zu entwickeln. Wenn es nicht klappt, kommen vor allem Politik, Umfeld und Medien ins Spiel. Die Ergebnisse haben leider nicht gestimmt, so dass es sehr schwer wurde, dieses negative Momentum umzukehren.

SPOX: Kam der Schritt nach Nürnberg möglicherweise zu früh, da Sie erst kurz zuvor den Fußballlehrerlehrgang abgeschlossen hatten?

Ismael: Das ist schwer zu sagen. Im Nachhinein ist man ja immer schlauer. Was ich auf jeden Fall gelernt habe ist, dass es gerade in der 2. Liga nicht nur darauf ankommt, seine eigene Spielphilosophie durch zu bekommen. Diese Liga unterscheidet sich deutlich von der Bundesliga. Dort kann man sein Spiel selten gepflegt von hinten heraus aufbauen. Das muss man wissen, man sollte diese Liga ganz genau kennen. Damit tun sich auch einige andere Trainer, die erstmals in der 2. Liga arbeiten, schwer. Man muss sich anpassen und auch in der Lage sein, einen Fußball zu spielen, der nicht immer seinem eigenen Ideal entspricht.

SPOX: Mit Wolfsburg II stehen Sie in der Regionalliga Nord auf dem zweiten Tabellenplatz. Verfolgen Sie dennoch weiterhin die Perspektive, wieder eine Profimannschaft zu übernehmen?

Ismael: Vorrangig geht es gar nicht darum, eine erste oder eine zweite Mannschaft zu trainieren. Es ist viel wichtiger, einen Verein zu finden, bei dem alle Komponenten und das Gesamtbild zusammen passen. Wie wird ein Verein geführt, welche Zielsetzung hat er, welchen Fußball kann man spielen lassen? Die Rückkehr nach Wolfsburg war eine bewusste Wahl, weil wir zuvor schon alle auf einer Wellenlänge lagen und das super funktioniert hat. Hier wusste ich, was ich bekomme. Es war wichtig, nach Nürnberg etwas zu finden, wo ich mir sicher war, dass es einfach passt.

SPOX: Denken Sie, es könnte nach der unglücklichen Station in Nürnberg auf dem Markt künftig schwieriger für Sie werden, wieder eine erste Mannschaft zu trainieren?

Ismael: Ich glaube nicht, dass man zwingend ein schlechter Trainer ist, wenn man mal Misserfolg hatte. Genauso ist man nicht gleich ein Top-Trainer, wenn man irgendwo Erfolg hatte. Es gehört einfach dazu, auch mal auf die Schnauze zu fallen. Das kann jedem Trainer zu unterschiedlichen Zeitpunkten passieren. Wichtig ist, danach wieder aufzustehen und den persönlichen Lernprozess voran zu treiben.

SPOX: Sie sind jetzt seit bald 13 Jahren in Deutschland und besitzen seit 2013 die deutsche Staatsbürgerschaft. Ein Engagement im Ausland schließen Sie aber nicht aus, oder?

Ismael: Man sollte als Trainer so flexibel sein, dass auch Dinge außerhalb seiner eigenen Komfortzone in Frage kommen können. Es ist mit Sicherheit reizvoll, einen anderen Blickwinkel zu bekommen und zu sehen, welche Unterschiede zum deutschen Fußball in einem anderen Land bestehen. Ich möchte das nicht ausschließen. Mein privater Mittelpunkt wird jedoch immer in Deutschland sein.

SPOX: Welche Beziehung haben Sie denn noch zu Ihrem Geburtsland?

Ismael: Meine Eltern und Teile der Familie wohnen in Strasbourg. Ich bin Franzose und fühle mich auch als Franzose. Ich habe aber schnell Gefallen daran gefunden, auch die deutsche Kultur anzunehmen. Sonst wäre ich ja niemals so lange hier geblieben. Ich bin mit der Zeit in Deutschland etwas direkter geworden. Ich liebe aber auch meine französische Seite und möchte sie nicht verstecken müssen.

SPOX: Wie nehmen Sie von hier aus Frankreichs politische Probleme wahr?

Ismael: Es ist eine neue Dimension der Gewalt, die auf das Land zurollt. Hinzu kommt, dass der politische Rechtsextremismus auf dem Vormarsch ist. Frankreich muss tiefgründige Probleme bewältigen, die viel mit dem Thema Integration zu tun haben. In dieser Hinsicht hat man über die letzten Jahrzehnte einfach versagt und sollte nun die Augen weit offen halten. Es muss sich etwas ändern.

SPOX: Internationaler Terrorismus, Flüchtlingskrise, Rechtsrutscht - ist die Welt in Ihren Augen schlechter geworden?

Ismael: Ich würde es eher so ausdrücken wollen: es kippt derzeit in eine Richtung, die der eindeutige Großteil der Menschen nicht gutheißt.

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