"Manche nennen mich Rainer"

Von Interview: Daniel Börlein
Andreas Neuendorf, Zecke, Ingolstadt
© Imago

München - Telefoninterviews sind immer so eine Sache. So zwischen Tür und Angel angerufen werden - da haben die meisten Profis keine große Lust, ausführlich Auskunft zu geben.

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Mit Andreas Neuendorf könnte das natürlich auch so laufen. Doch Zecke ist ein lässiger Typ, das ist bekannt, und die Pressesprecherin vom FC Ingolstadt hat mir zugesichert, dass sich der 32-Jährige bei mir meldet und etwas Zeit mitbringt. Ich bin also optimistisch.

Mein Telefon klingelt und ich höre nur ein langgezogenes lautes Rauschen. Nach einigen Sekunden wird das Rauschen weniger und ich höre aus der Ferne: "Hallo, hier ist Zecke Neuendorf. Die Dame von der Geschäftsstelle hat gesagt, ich soll hier mal anrufen."

"Was gibt's, wie kann ich helfen?" 

Klingt irgendwie so, als wäre Neuendorf dazu verdonnert worden und hätte nicht wirklich viel Lust, mit mir zu plaudern. "Kann ich Sie zurückrufen?", frage ich ihn, um zu signalisieren, dass er die Kosten für dieses Gespräch nicht selbst tragen muss.

"Nee, ich hab da so einen Vertrag, bei dem mich das nichts kostet", sagt er. "Außerdem sitze ich gerade im Auto." Ganz prima: Keine Lust und keine Zeit - die Killer-Kombination für jedes Interview. Doch da fängt Neuendorf schon an: "Was gibt's denn, wie kann ich helfen, um was geht's?"

Ich kläre ihn auf, dass es sich um ein Interview für SPOX.com handelt und lege los.

SPOX: Jeder nennt Sie Zecke. Gibt's auch noch Leute, die Andreas zu Ihnen sagen?

Zecke: Die meisten nennen mich Andi. Ich habe auch noch einen zweiten Namen, nämlich Rainer. Und einige wenige, die das rausbekommen haben, wenn sie auf irgendwelchen Reisen heimlich in meinen Papieren gewühlt haben, nennen mich dann Rainer.

Na prima - anscheinend hat Neuendorf doch Lust zu quatschen und Zeit scheint er auch zu haben. Meine zweite Frage habe ich noch nicht mal zu Ende gefragt, da unterbricht er mich und meint: "Ich weiß ja nicht, aber wollen wir uns nicht lieber duzen?" Aber gerne. Also nochmal:

SPOX: Wie schwer ist es Dir gefallen, Deine Heimatstadt Berlin in Richtung Ingolstadt zu verlassen? 

Zecke: Ich bin Berliner, bin dort groß geworden. Das ist einfach meine Stadt. Als Fußballer ist es ja nun auch nicht ganz so einfach. Es gibt da ja diese typischen Klischees von wegen Söldner und so. Ich habe mir immer vorgenommen, mir nie nachsagen lassen zu müssen, ein Söldner zu sein. Bei mir muss das Herz mit dabei sein.

SPOX: Und warum Ingolstadt?

Zecke: Die Bundesliga war jetzt nicht gerade verrückt nach mir. In der Zweiten Liga waren ein paar Vereine da, aus dem Ausland einige Klubs. Nur ins Ausland wollte ich nicht. Ich habe einen Sohn, der jetzt in die Schule kam und der bei seiner Mutter in Berlin lebt. Und diese Verbindung zwischen Berlin und Ingolstadt über die A9 kann man mit einem schnellen Auto schon in dreieinhalb Stunden schaffen.

SPOX: Dreieinhalb Stunden, aha. Dann gibt's wohl auch öfter mal Post von der Polizei?

Zecke: Früher war ich ein Autofahrer, der ungern schneller als 150, 160 gefahren ist, weil man das in Berlin nicht braucht. Jetzt gebe ich schon mal gerne Gas, leider mehr als ich darf. Also würde ich lügen, wenn ich sage: ich habe noch keine Post von der Polizei bekommen.

SPOX: Trotz kleinerer Verkehrsdelikte bist Du aber in Ingolstadt rundum zufrieden?

Zecke: Ja. Das einzige Problem, das ich habe, ist meine Verletzung (Leistenprobleme, Anm. d. Red.). Dass ich Ingolstadt momentan nicht weiterhelfen kann, das wurmt mich am meisten. Das Gesamtpaket hier hat so gestimmt: wir haben Spaß, die Mannschaft ist super, wir haben Potenzial, oben dabei zu sein. Leider bin ich den Erwartungen noch nicht gerecht geworden. Ich höre zwar immer, was für ein netter Typ ich bin, aber dafür wurde ich nun ja nicht verpflichtet. Mein Ziel ist, möglichst schnell zurückzukehren und körperlich so fit wie nie zu sein, um Ingolstadt das zurückzugeben, was sie mir entgegengebracht haben.

SPOX: Karriereausklang in Liga drei. Wäre für Dich nicht mehr drin gewesen?

Zecke: Es kommt eben alles wie es kommt. Was ich bejahen kann, ist, dass ich nicht unbedingt ein fleißiger Spieler war. Wenn ich Sonderschichten gemacht habe, dann waren sie meist nicht von langer Dauer. Ich habe mein Glück mit dem Fußball, meinem Talent und meiner Spielübersicht zu verdanken. Ich musste nicht viel machen, ich musste nicht groß kämpfen um aufzufallen. Bei mir hat das Gesamtpaket gestimmt, und deshalb bin ich aufgefallen - und vielleicht noch ein wenig durch die roten Haare.

SPOX: Und das hat sich geändert?

Zecke: Hier in Ingolstadt mache ich Sonderschichten. Hier nehme ich mir Bälle, schieße Freistöße, schlage Ecken, obwohl keiner im Strafraum ist und laufe extra noch am Baggersee. Ich habe meine Ernährung umgestellt. Früher habe ich mir gesagt: Wenn ich Hunger auf einen Döner habe, dann esse ich einen Döner. Wenn ich einen Burger will, dann hole ich mir einen Burger. Nun will ich mir aber noch mal was beweisen.

Im Hintergrund ist plötzlich eine Frauenstimme zu hören. Es ist die Dame aus Neuendorfs Navigationssystem - Zecke hat sein Ziel erreicht. Die halbe Stunde, die wir telefoniert haben, war kein Stück langweilig oder uninspiriert, sondern einfach nur lässig. "Tschüss dann", sagt er zum Abschied. "Und viel Glück mit Schpocks." Dir auch viel Glück, Rainer.