Lukas Nmecha: Der außergewöhnliche Weg von Vincent Kompanys "kleinem Bruder"

Von Robin Haack
Lukas Nmecha feierte im Spiel gegen Serbien sein EM-Debüt.
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Erlernte das Kicken im Park und wurde von ManCity entdeckt. Lukas Nmechas Weg in die deutsche U21-Nationalmannschaft war alles, nur nicht gewöhnlich.

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"Nmecha schießt England zum Titel." Schlagzeilen wie diese wurden im Juli 2017 tausendfach gedruckt, nachdem Mittelstürmer Lukas Nmecha im Finale der U19-Europameisterschaft den Siegtreffer gegen Portugal erzielt hatte. Nach Hereingabe von Mason Mount schob der Teenager aus dem Nachwuchs von Manchester City gekonnt ein und sorgte für Jubelstürme im Mutterland des Fußballs.

Dank zweier entscheidender Treffer in Halbfinale und Finale machten sich die englischen Fans damals berechtigte Hoffnungen, in Nmecha einen Torjäger in den eigenen Reihen zu haben, der künftig auch in der A-Nationalmannschaft für Furore sorgen kann.

Zwei Jahre später reisten die englischen Junioren als Mitfavorit zur U21-EM nach Italien. Auch Nmecha ist mit von der Partie und darf am zweiten Gruppenspieltag seinen ersten Turnier-Einsatz feiern. Zwar wurde der Angreifer vom Trainer mit den Worten "express yourself" auf den Wechsel eingeschworen, doch statt dem Trikot der Three Lions trug der 20-Jährige ein Shirt des DFB.

Lukas Nmecha spielte bereits mit der englischen U20-Nationalmannschaft gegen Deutschland.
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Lukas Nmecha spielte bereits mit der englischen U20-Nationalmannschaft gegen Deutschland.

Lukas Nmecha wanderte als Zehnjähriger mit seiner Familie nach England aus

Als Sohn eines Nigerianers und einer Deutschen wurde Nmecha 1998 in Hamburg geboren und lebte bis zu seinem zehnten Lebensjahr in der Hansestadt. Da sein Vater in Deutschland damals keinen passenden Job fand, zog es die Familie nach England. Und obwohl der talentierte Kicker bis heute auf der Insel lebt und insgesamt 31-mal für Junioren-Nationalteams der Briten auflief, war es ihm so möglich, doch noch für sein Geburtsland aufzulaufen.

"In der Jugend von Manchester City waren wir gute Freunde und viele von uns wurden zur englischen Nationalmannschaft eingeladen, auch ich - daher habe ich früher nie groß darüber nachgedacht, ob ich für Deutschland oder England spiele", erklärt Nmecha heute. "Erst später habe ich mehr darüber nachgedacht. Ich hatte nicht immer die Chance, für Deutschland zu spielen und als sie sich geboten hat, habe ich sie ergriffen."

U21-Coach Stefan Kuntz reiste persönlich nach Manchester, um mit Nmecha und seiner Familie über seine Perspektiven beim DFB zu sprechen. Schnell wurde dabei klar, dass sich der 20-Jährige vorstellen kann, künftig mit Adler statt drei Löwen auf der Brust aufzulaufen. Auch, weil er sich noch immer als Hamburger sieht, wie er im Februar verraten hat. "Ich sehe Deutschland als meine Heimat an. Bis ich neun Jahre alt war, habe ich in Hamburg gelebt und auch heute noch einen großen Bezug zur Stadt und den Leuten."

Lukas Nmecha ließ die Verantwortlichen von Manchester City staunen

Mindestens genauso außergewöhnlich wie Nmechas Weg ins DFB-Trikot ist auch der Beginn seiner Fußballerkarriere. Die ersten zehn Jahre seines Lebens hielt er es nicht für nötig, überhaupt im Verein zu spielen. Statt bei einem Klub in der Region zu trainieren, bevorzugte es der heutige U21-Nationalspieler, draußen mit Freunden zu kicken. "Als Kind habe ich in Deutschland nur im Park gespielt und so den Fußball gelernt", erklärt er seine Anfänge.

Nach dem Umzug auf die Insel versuchte er dann sein Glück in einer Schulmannschaft, wo er nicht lange unentdeckt blieb. "Schon nach einem Monat wurde ich entdeckt und habe danach direkt bei Manchester City angefangen", sagt der 20-Jährige und kann sich bis heute nur schwer erklären, wie der Wechsel so schnell über die Bühne gehen konnte.

Die Verantwortlichen waren derart überzeugt von Nmechas Talent, dass er ohne Probetraining oder Vorerfahrungen in anderen Klubs sofort bei den Cityzens starten durfte. "Wenn meine U21-Teamkollegen hier in einer Schulmannschaft spielen würden, würden sie auch alle wirken wie Messi", versucht er zu relativieren und kann sich ein Lachen dabei nicht verkneifen, als er in einer DFB-Medienrunde im italienischen Fagagna über seinen Karriereweg spricht.

Lukas Nmecha: Plötzlich zusammen mit "großem Bruder" Vincent Kompany

Dieser Weg führte ihn bis in die Premier League, in der er im April 2018 gegen West Ham Unitd unter Pep Guardiola sein Debüt in Englands Eliteliga feiern durfte. Statt mit seinen Hamburger Kumpels im Park stand er plötzlich vor 56.000 Zuschauern zusammen mit Weltstars wie Raheem Sterling, Kevin De Bruyne oder Leroy Sane auf dem Rasen.

Bevor er in der vergangenen Saison zu Preston North End in die Championship ausgeliehen war, trainierte er regelmäßig mit den City-Stars. Als voll akzeptiertes Mitglied des Teams versteht er sich neben seinem Landsmann Leroy Sane besonders gut mit Klub-Legende Vincent Kompany. "Bei ManCity bin ich so etwas wie sein kleiner Bruder. Er war mehr Vorbild für mich als alle anderen", schwärmt er vom langjährigen Kapitän des Meisters.

Obwohl Mittelstürmer Nmecha eine komplett andere Position bekleidet als Innenverteidiger Kompany kommt es regelmäßig zum Austausch der Beiden. "Er redet ständig mit mir. Auch während der EM hat er mich schon angerufen und mir Tipps gegeben", verrät der U21-Nationalstürmer.

In gemeinsamen Trainingseinheiten hatte Kompany zwar keine Gnade mit dem Nachwuchsstürmer und ging ihn immer wieder hart an, doch Nmecha gab nie auf und scheute keinen Zweikampf mit dem Weltklasse-Verteidiger: "Ich bin immer aufgestanden und habe weitergemacht - das mag er wohl an mir. Ich gebe nie auf."

Bundesliga-Leihe für Lukas Nmecha eine "interessante" Option

Dieser unbändige Wille könne ihn vielleicht auch auf Vereinsebene nach Deutschland führen. Bereits mehrfach betonte Nmecha, dass die Bundesliga eine "interessante" Option für ihn sei. Laut kicker soll vor allem Borussia Mönchengladbach scharf auf seine Dienste sein. "Meine Teamkollegen spielen fast alle in der Bundesliga, erklären mir wie gut es dort ist und wollen mich von einem Wechsel zu ihrem Team überzeugen", sagt er.

Für welchen Klub der 20-Jährige nach der EM jedoch tatsächlich auf Torejagd gehen wird, steht noch in den Sternen, wie Nmecha klarmacht: "Ich weiß noch nicht, wie es weitergeht. Das Team von ManCity fliegt in der Vorbereitung nach China. Wenn ich bis dahin nicht verliehen werde, gehe ich davon aus, dabei zu sein."

Bevor ManCity jedoch ins Reich der Mitte abhebt, steht die entscheidende Phase bei der U21-Europameisterschaft an. Drei Spiele ist das DFB-Team noch vom Titel entfernt und obwohl es in der Offensive aktuell mit Luca Waldtschmidt und Marco Richter auch ohne Nmecha überragend läuft, könnte das City-Talent noch zum Zünglein an der Waage werden.

Auch bei der U19-EM vor zwei Jahren spielte er für England in der Vorrunde nur eine Nebenrolle. Bis er im Halbfinale und Finale jeweils das Siegtor besorgte und plötzlich auf den Titelseiten der Zeitungen des Landes zu finden war.

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