"Die meisten kicken ja selbst noch"

Von Interview: David Wünschel
Mit diesem Team stieg der VfL Theesen in der Vorsaison in die A-Jugend-Bundesliga auf

Die erste Mannschaft des VfL Theesen kickt nur in Liga sechs - die A-Jugend allerdings sensationell in der Bundesliga. Trainiert werden die U-19-Junioren vom erst 24-jährigen Daniel Keller, der im Interview über seine Anfänge als Coach, den Umgang mit Gleichaltrigen und das Märchen in Ostwestfalen spricht.

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SPOX: Herr Keller, Sie sind erst 24 Jahre alt und dennoch bereits seit zehn Jahren als Trainer tätig. Im Vorjahr schafften Sie mit dem VfL Theesen, einem Stadtteilklub aus Bielefeld, sensationell den Aufstieg in die Junioren-Bundesliga. Wie sind Sie zum Job an der Seitenlinie gekommen?

Daniel Keller: Das war eine Mischung aus Eigeninitiative und Zufall. Mein kleiner Bruder hat damals bei einem Dorfverein gekickt. Dem dortigen Trainer habe ich immer mal aushelfen dürfen. Das ging so lange, bis ich irgendwann einmal die U 13 übernommen habe. So fing das an.

SPOX: Jetzt stehen Sie schon einige Jahre an der Außenlinie. Worin haben Sie sich am meisten weiterentwickelt?

Keller: Der größte und auch wichtigste Schritt war die Entwicklung einer eigenen Trainings- und Spielphilosophie, da hat mir der Erwerb der Lizenzen immens weitergeholfen. Mittlerweile habe ich mit der A-Lizenz die höchste Amateurstufe beim DFB erreicht. Es ist einfach unabdingbar, sich ein fachliches Fundament aufzubauen. Dazu bin ich natürlich auch deutlich erfahrener geworden. Ich habe ja bereits hunderte Spiele und tausende Spieler beobachtet und bin jetzt vollkommen drin in der Materie. Hinzu kommt die übliche menschliche Entwicklung, die mir beim generellen Umgang mit den unterschiedlichen Charakteren innerhalb einer Mannschaft hilft.

SPOX: Sie sind nur wenige Jahre älter als Ihre Spieler. Wie schlägt sich das im gegenseitigen Verhältnis nieder?

Keller: Es ist letztlich wie bei den Profis: Ein guter Trainer muss sowohl kumpelhaft als auch streng sein können. Man muss ein Gespür dafür entwickeln, in welchen Situationen man welches Gesicht zeigt. Das ist wirklich eine Kunst. Es kommt dann auch vor, dass man mal etwas lauter wird oder absichtlich übertreibt. Bislang hat sich noch keiner der Spieler beschwert (lacht).

SPOX: Wie ausgeprägt sind taktische Aspekte in der A-Jugend oder ist der grundsätzliche Einsatzwille höher einzustufen als das Verinnerlichen eines Spielsystems?

Keller: Zunächst einmal ist der Umgang mit den einzelnen Spielern das Grundgerüst, das man in allen Altersstufen beherrschen sollte. Wenn die Spieler dir nicht folgen, sind auch Einsatzwille und Taktik für die Katz'. Dennoch hat das Erlernen eines taktischen Verständnisses deutlich an Bedeutung gewonnen. Das gilt sowohl für den Einzelnen als auch in mannschaftstaktischer Hinsicht. Ich stecke sicherlich noch in einem Lernprozess, um diese Inhalte so effektiv wie möglich vermitteln zu können.

SPOX: Haben Sie bereits das Idealbild eines Spielsystems unter Ihrer Leitung vor Augen?

Keller: Naja, die Idealvorstellung sollte immer objektiv und an die Spielertypen der Mannschaft angepasst sein. Ich würde aber sagen, dass die Basis für ein erfolgreiches Spiel eine kompakte Verteidigung in allen Mannschaftsteilen ist, auch eine zügige Umschaltbewegung ist immer wichtiger geworden.

SPOX: Wie sieht die Vermittlung dieser Inhalte konkret im Training aus?

Keller: Ich verlange von meinen Spielern grundsätzlich, mit so wenig wie möglich Kontakten zu spielen. Hinzu kommt das positionsspezifische Training, das sich meine beiden Co-Trainer und ich sowie unser Torwarttrainer aufteilen. Wir haben den Anspruch, die Spieler auf den jeweiligen Positionen taktisch und technisch weiterzubilden. Ein Innenverteidiger sollte beispielsweise den Spielaufbau beidfüßig beherrschen.

SPOX: Letzte Saison feierten Sie Ihren bislang größten Erfolg als Trainer, mit der U 19 stiegen Sie von der Westfalenliga in die Bundesliga auf. Das kam auch für Sie überraschend, oder?

Keller: Absolut, das war insgesamt eine vollkommen überragende Spielzeit. Unser großes Plus war es, im Laufe der Saison einen unglaublichen Teamspirit entwickelt zu haben. Wäre das nicht gelungen, hätten wir uns niemals durchsetzen können. Wir haben vier Mal in der Nachspielzeit entscheidende Tore erzielt. Diese Erlebnisse haben uns wahnsinnig stolz gemacht.

SPOX: In der höchsten Spielklasse läuft es bislang wie erwartet schwierig, nach 14 Spieltagen stehen den drei Siegen elf Niederlagen gegenüber.

Keller: Es ist im Jugendbereich eben das Besondere, jedes Jahr mit einem neuen Team antreten zu müssen. Die Hälfte der Spieler des Vorjahres ist ja jetzt gar nicht mehr dabei. Vor kurzem wurden wir quasi noch vom Erfolg getragen und jetzt geht es schon knüppelhart gegen den Abstieg. Wir versuchen trotzdem, wieder einen guten Teamgeist zu entwickeln und Highlights zu setzen wie beim 3:2-Derbysieg gegen Arminia Bielefeld.

SPOX: Die erste Mannschaft des VfL Theesen spielt in der Westfalenliga. Wie groß ist denn die Lust derjenigen Spieler, die dieses Jahr noch A-Jugend-Bundesliga spielen, auf Liga sechs in der kommenden Saison?

Keller: Es gibt viele Spieler, die dem Verein die Treue halten und in unsere erste Mannschaft wechseln. Natürlich nutzen aber auch einige Jungs die Möglichkeit, sich nach der Jugend finanziell besser gestellten Klubs anzuschließen. Die aktuelle Truppe steht ja durch das Mitspielen in der höchstmöglichen Spielklasse auch im Schaufenster.

SPOX: Auch andere Jugendteams des VfL spielen in ambitionierten Ligen. Was hat denn der Verein von diesem Erfolg?

Keller: Dass wir bei der Jugendarbeit ein ganz gutes Händchen haben, bemerkten schon viele. Das hat uns ein hervorragendes Image in der Region beschert. Das Ziel unseres Vereins ist es, dauerhaft Spieler aus dem eigenen Stall dem Seniorenbereich zuzuführen. Das klappt auch immer häufiger und zeigt bereits sportlichen Erfolg: Unsere erste Mannschaft rangiert momentan als Aufsteiger auf Platz fünf der Westfalenliga.

SPOX: Selbst wenn man sich in den unteren Spielklassen umschaut gibt es nur wenige Trainer, die ein ähnlich junges Alter wie Sie haben. Warum ist das so?

Keller: Die meisten Fußballer in meinem Alter kicken ja selbst noch. Da besteht dann seltener das Interesse, selbst zu trainieren. Ich habe mich auch erst vor zwei Jahren dazu entschieden, nicht mehr aktiv gegen den Ball zu treten. Bei vier Trainingseinheiten pro Woche ist das einfach nicht machbar. Die Spieler erwarten ja natürlich auch ein gewisses Engagement vom Coach.

SPOX: Das scheint definitiv da zu sein, Sie schreiben nebenbei auch für das "Westfalen-Blatt".

Keller: Genau, dort bin ich überraschenderweise im Sportbereich tätig (lacht). Mein hauptsächlicher Fokus liegt aber eindeutig auf meinem Lehramtsstudium in Germanistik und Geschichte. Ich habe noch drei Semester vor mir.

SPOX: Und dann hängen Sie den Trainerjob an den Nagel und werden Lehrer?

Keller: Plan A ist erst einmal das Studium. Wie es dann im Detail weitergeht, kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich bin natürlich stolz, in meinem jungen Alter schon so hoch zu trainieren. Ich hoffe, dass mein Weg noch nicht zu Ende ist und sich mit der Zeit weitere Gelegenheiten ergeben.

SPOX: Am besten im bezahlten Fußball?

Keller: Ich plane überhaupt nicht damit, später als Trainer mein Geld zu verdienen. Es ist unglaublich schwer, sich im Profifußball zu etablieren. Es kommt, wie es kommt.

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