Mainz 05: Der Container der Träume

Von Für SPOX in Mainz: Haruka Gruber
Das Nachwuchsleistungszentrum des FSV: Von der Rückseite eher funktional denn imposant
© spox

Der Mainz-Nachwuchs hat keinen Glamour und kaum Geld, dafür eine Anziehungskraft auf Talente, die die Big Player neidisch macht. Mittlerweile spielen über 15 Jugend-Nationalspieler für den FSV - und mit Shawn Parker steht das nächste Juwel bereit. Aber was ist das Geheimnis? SPOX schaute sich um.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Sie hat den Charme einer Baustelle. Keine Glasfassaden, vielmehr dominieren Blech und Funktionalität. Die Container-Landschaft hinter dem Mainzer Bruchweg-Stadion ist, was sie ist: eine Container-Landschaft. Aber sie ist eben auch die Zukunft des Bundesligisten, der sich bei aller Bescheidenheit ein ambitioniertes Ziel gesetzt hat.

Der FSV Mainz 05 soll zu der "Adresse für Nachwuchsspieler bis 23 Jahre" werden, wie es Trainer Thomas Tuchel formuliert - und entscheidend für das Gelingen wird sein, ob in den Containern weiterhin so erfolgreich gearbeitet wird wie in den vergangenen Jahren.

Denn das ursprünglich als Provisorium gedachte Gebäude ist die Heimat des Mainzer Nachwuchsleistungszentrums, eines der besten Deutschlands und vom DFB mit der höchsten Kategorie von drei Sternen ausgezeichnet.

Thomas Tuchel im SPOX-Interview: "Ein absoluter Meilenstein"

Mainz überholt Hoffenheim und Frankfurt

"Nein, nein", sagt Volker Kersting und schüttelt den Kopf. Mit einem freundlichen Lächeln, aber auch mit Bestimmtheit sagt er: "Das ist doch ausgelutscht." Seine Mitarbeiter des Nachwuchsleitungszentrums sind anderer Meinung und hängten aus Jux, aber auch mit etwas Stolz im Container-Büro eine Zeitungsseite auf, die nur Kersting gewidmet ist: "Er ist der Tuchel-Entdecker."

Sie wissen, dass der Titel des Artikels stimmt, denn ohne Kerstings Gespür wäre Erfolgstrainer Tuchel wohl nie aus Augsburgs U 23 in Mainz gelandet, wo er als Coach der A-Jugend begann und wenig später das Profi-Team übernahm.

Sie wissen aber auch, dass Kersting davon nichts mehr hören will und sich lieber mit seinen anstehenden Aufgaben als Jugendkoordinator beschäftigt.

Gemeinsam mit dem sportlichen Leiter Stefan Hofmann verantwortet er die Jugendförderung des FSV und ist in Zusammenarbeit mit Tuchel und Manager Christian Heidel maßgeblich daran beteiligt, dass Mainz trotz überschaubarem Budget die finanzstärkeren Anrainerklubs aus Hoffenheim und Frankfurt überholt hat.

Die Talente wollen nach Mainz

"Beim Einsatz finanzieller Mittel liegen wir im unteren Bundesliga-Drittel. Dafür ist das Verhältnis herausgebrachter Talente und Juniorennationalspieler außerordentlich hoch", sagt Kersting, weswegen sich in diesem Sommer weitere Talente zu einem Wechsel nach Mainz entschlossen.

So kamen die Eltern der 17-jährigen Zwillinge Nico und Marcel Seegert (Hoffenheim) von sich aus wegen eines Transfers auf den FSV zu. Neu in Mainz sind auch der von Manchester United umworbene 14-jährige Patrick Pflücke (Dresden) sowie Florian Schmidt, 16 Jahre alt und vormals bei Werder Bremens Jugend die größte Sturmhoffnung.

Von der U 15 bis zur U 21 wurden in den letzten Monaten insgesamt 16 Mainzer in den DFB-Mannschaften berücksichtigt, hinzukommen Jared Jeffrey (U 20 der USA) und Jaineil Hoilett (U 20 Kanadas) sowie der nach Frankfurt verliehene deutsche U-21-Nationalspieler Stefan Bell.

"Insbesondere nach dem Gewinn der A-Junioren-Meisterschaft 2009 haben wir gemerkt, dass unter vielen jungen Talenten eine hohe Bereitschaft da ist, zu uns zu kommen", sagt Tuchel, damals als Trainer der Vater des Triumphs.

Start bei den 18- bis 23-Jährigen

Aber nicht nur Nachwuchskräfte, die sich die bestmögliche Ausbildung versprechen, entscheiden sich für Mainz. Der FSV genießt einen derart guten Ruf, dass er mittlerweile auch im Spielersegment zwischen 18 und 23 Jahren mit den Arrivierten konkurrieren kann.

Maxim Choupo-Moting (22, Hamburg), Zoltan Stieber (22, Aachen), Nicolai Müller (23, Fürth) und Deniz Yilmaz (23, FC Bayern II) gaben trotz zahlreicher Angebote dem FSV die Zusage, genau wie aus dem Ausland der österreichische Nationalspieler Julian Baumgartlinger (23) und der Nigerianer Anthony Ujah (20), der in Norwegen die Torschützenliste anführt. Sie sind allesamt Kandidaten für die Stammelf.

U-19-Nationalspieler Yunis Malli, 19-jähriger Neuzugang aus Mönchengladbach, wird schrittweise herangeführt.

Tuchel: Die gelebte Verzahnung

All die Neuzugänge sollen jedoch nicht den Blick verstellen: Dem FSV ist die Förderung des eigenen Nachwuchs und die Durchlässigkeit zu den Profis ein zentrales Anliegen. "In vielen Jahren als Jugendtrainer habe ich erleben müssen, dass die Verzahnung zwischen Profi- und Jugendabteilung leider oft nur auf dem Papier Bestand hatte", sagt Tuchel im SPOX-Interview.

"Deshalb ist es mein Anspruch, dass wir diese Verzahnung hier in Mainz leben, weil dies auch zur Philosophie des FSV gehört."

Entscheidend dafür ist die Zusammenarbeit mit Kersting, der als Jugendkoordinator im ständigen Austausch mit Tuchel und Heidel steht. Kersting: "Wenn Spieler wie Schürrle und Lewis Holtby den Verein verlassen, ist doch klar, dass der Verein etwas machen muss. Die Transfers stehen in keinem Widerspruch zu unserer Nachwuchspolitik."

Hier geht's zu Teil II: Die drei Säulen der Nachwuchsarbeit

Artikel und Videos zum Thema