"Man hat schnell viele Freunde"

Von Interview: Philipp Pander
Jonas Hofmann will bei Borussia Dortmund den Durchbruch zum Bundesliga-Profi schaffen
© Spox

In der Sommerpause verließ Jonas Hofmann nach sieben Jahren 1899 Hoffenheim in Richtung Borussia Dortmund. Im Interview schildert das Talent die Unterschiede zwischen beiden Vereinen, die Probleme, die Talente bei der TSG haben, und erklärt, dass er für einen Profi-Vertrag über einen Schulabbruch nachdenken würde.

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SPOX: Sie sind kürzlich aus der U19 von 1899 Hoffenheim zu Borussia Dortmunds U 23 gewechselt. Wie war Ihr erster Eindruck vom Ruhrpott?

Jonas Hofmann: Nur positiv! Es hat mich sehr gefreut, dass ich beim BVB so freundlich empfangen wurde. Von Dortmund konnte ich leider noch nicht viel sehen, weil ich erst einen Tag vor Beginn der Vorbereitung angekommen bin und seitdem zweimal am Tag Training habe. Da bleibt wenig Zeit, sich in der Stadt umzuschauen.

SPOX: Hatten Sie schon Kontakt zu Jürgen Klopp und den Profis?

Hofmann: Nein, Kontakt zu Jürgen Klopp hatte ich noch nicht. Er hat uns zweimal beim Training zugesehen. Wir haben zudem auch ähnliche Trainingszeiten wie die Profis.

SPOX: Und wie ist der Draht zu den neuen Kollegen?

Hofmann: Um die Mannschaftskameraden kennen zu lernen, trifft man sich schon ab und zu zum FIFA-Abend an der Play-Station.

SPOX: In der vergangenen Saison sind Sie hauptsächlich in Hoffenheims U 19 zum Einsatz gekommen. Wie groß ist die Umstellung auf die U 23 in Dortmund?

Hofmann: Die Trainingseinheiten sind noch intensiver als bei der U 19. Bei den Trainingsspielen, die wir bisher gemacht haben, hat sich auch gezeigt, dass das Niveau wesentlich höher und das Spiel um einiges schneller ist als bei der U 19.

SPOX: Wie unterscheidet sich der Verein Borussia Dortmund von 1899 Hoffenheim?

Hofmann: Borussia Dortmund ist schon zwei, drei Hausnummern größer als Hoffenheim. Wenn man zum Training kommt, stehen schon kleine Kinder da und wollen Autogramme oder Fotos. Das gab es in Hoffenheim nicht. Dort ist das Trainingszentrum der Jugend abgekapselt von den Profis, weshalb kein richtiger Kontakt besteht. Das finde ich hier klasse, dass die Profis und die Jugendmannschaften eng zusammen sind. Auch von der Außenwirkung gibt es Unterschiede. Viele denken bei Hoffenheim nur an Dietmar Hopp, da hört man viele Beleidigungen. Auch die Region steht nicht komplett hinter dem Verein. Wenn man sagt, man spielt in Dortmund, hat man schnell viele Freunde.

SPOX: Ihr Trainer David Wagner ist ein alter Bekannter. Bereits in der U 17 von Hoffenheim hat er Sie trainiert. Ist das ein Vorteil?

Hofmann: Ich denke nicht, dass dies ein Vorteil für mich ist, denn jeder muss sich immer wieder neu beweisen und viel dafür tun, um am Wochenende auf dem Platz zu stehen. Ein Vorteil ist nur, dass er meine Stärken und Schwächen schon kennt.

SPOX: Welche Rolle spielte Wagner bei dem Transfer?

Hofmann: Er war der erste Ansprechpartner. Er wollte mich gerne in seiner Mannschaft haben, und darüber hab ich mich gefreut.

SPOX: Wie war die Position der TSG? Wollten oder sollten Sie gehen?

Hofmann: Mein großes Ziel in sieben Jahren Hoffenheim war es, als erstes "Eigengewächs" den Sprung in den Profibereich zu schaffen. Ich hätte in der U 23 bleiben können, die ja auch in der Regionalliga spielt. Nach dem Gespräch mit David Wagner habe mich dann aber entschlossen, etwas Neues zu versuchen. Für mich hat sich mit dem Wechsel ja nicht nur sportlich etwas verändert. Ich wohne jetzt in Dortmund alleine in einer Wohnung, muss alles selbst regeln und kann mich somit auch persönlich enorm weiterentwickeln.

SPOX: Sie waren Leistungsträger und haben in der letzten Saison als Mittelfeldspieler 10 Tore in 24 Spielen für die U 19 und U 23 in Hoffenheim erzielt. Hatten Sie auch das Gefühl, dass Ihr Talent nicht erkannt wurde?

Hofmann: Das würde ich so nicht sagen. Alle Trainer, die ich hatte, haben mir immer das Gefühl gegeben, ein Leistungsträger und wichtiger Spieler der Mannschaft zu sein. Das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben. Allerdings hat man mir in Hoffenheim den weiteren Schritt in den Profibereich wohl nicht zugetraut.

SPOX: Hätten Sie sich diesen Schritt früher zugetraut?

Hofmann: Auf jeden Fall. Es ist ein Traum, direkt aus der Jugendmannschaft zum Profi zu werden. Aber das ist auch schon bei vielen schief gegangen. Ich denke, dass es besser ist, sich langsam und Schritt für Schritt an die Profis heran zu arbeiten. Es gibt aber auch Ausnahmen wie Mario Götze.

SPOX: Wie schätzen Sie jetzt Ihre Chancen auf einen Durchbruch in Dortmund ein?

Hofmann: Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Den Durchbruch zu schaffen bedeutet für mich momentan, Stammspieler und Leistungsträger in der Regionalliga-Mannschaft zu werden. Wenn ich von Verletzungen verschont bleibe, Tag für Tag hart an mir arbeite und dazu noch das Quentchen Glück habe, das man halt auch braucht, dann ist alles möglich.

SPOX: Die Verbindung zwischen der Nachwuchsabteilung und den Profis gilt bei der TSG als ausbaufähig. Das hat auch Manager Ernst Tanner uns gegenüber zugegeben. Vertreibt die mangelnde Perspektive viele Talente aus Hoffenheim?

Hofmann: Das war auch ein entscheidender Punkt für den Wechsel. Ich habe beim BVB eine bessere Perspektive gesehen. Viele Jugendspieler, die Hoffenheim verlassen, sagen, dass sie die sportliche Perspektive vermissen. Und das hängt eben auch am mangelnden Kontakt zu den Profis. Wenn ich in Dortmund die Profis auf dem Nebenplatz trainieren sehe, gebe ich einfach noch mehr Gas, um irgendwann auf den anderen Platz rüberzukommen.

SPOX: Dennoch sind die Trainingsbedingungen für den Nachwuchs in Hoffenheim so gut wie kaum woanders. Wie wurden Sie dort betreut?

Hofmann: Ein Trainingszentrum wie das der Jugend in Hoffenheim, das haben viele Zweitliga-Mannschaften nicht. Da ich nur 20 km von Hoffenheim entfernt gewohnt habe, bin ich meist erst nach der Schule ins Nachwuchsleistungszentrum gekommen. Ich konnte dort essen, meine Hausaufgaben machen und hatte immer einen Ansprechpartner. Nach dem Training konnte man zum Regenerieren in den Whirlpool oder in die Sauna. Das ist schon abgefahren, was es dort alles gibt. Für diese tolle Zeit bin ich Dietmar Hopp auch sehr dankbar.

SPOX: Wie viel Zeit bleibt Ihnen eigentlich für die Schule?

Hofmann: In Hoffenheim war ich auf einer Kooperationsschule der TSG, auf der nur Leistungssportler waren. Hier in Dortmund möchte ich nächstes Jahr mit der Fachhochschulreife die Schule auf jeden Fall erfolgreich beenden. Wie viel Zeit mir jedoch dafür bleibt, wird sich zeigen. Hier hoffe ich natürlich auf die Unterstützung durch den Verein.

SPOX: Felix Magath hatte als Trainer Deines neuen Lokalrivalen Schalke 04 Julian Draxler davon überzeugt, zum Wohle der Fußballkarriere die Schule abzubrechen. Wie hätten Sie entschieden?

Hofmann: Ich glaube, das kann man nur beantworten, wenn man selbst in so eine Situation kommt. Wenn ich jetzt einen Profi-Vertrag vorgelegt bekäme und der Trainer von mir verlangen würde, dafür die Schule abzubrechen, dann würde ich natürlich auch erst einmal überlegen.

SPOX: In Hoffenheim wird die von Nachwuchskoordinator Bernhard Peters erfundene Philosophie der "zweiten Identität" gepredigt. Können Sie erklären, was es damit auf sich hat?

Hofmann: Das ist eigentlich ein Leitfaden für den Charakter und das Verhalten der Spieler. Er beinhaltet Punkte wie Ehrgeiz, Selbstmotivation, und Respekt vor Anderen. Es ist das Ziel, dass man sich diese Hoffenheim-Mentalität aneignet.

SPOX: Es leben nur zwei Millionen Menschen in der Rhein-Neckar-Region, weshalb es wenige Nachwuchsspieler aus der Region in Hoffenheim gibt. Wie groß ist die Identifikation der Talente mit der TSG?

Hofmann: Das stimmt, viele meiner Mitspieler kamen nicht aus unserer Region. Aber das ist ja in jedem anderen Verein genauso. Ich hatte einen Mitspieler aus Berlin, der stand hinter dem Verein und hat sich für die Region interessiert. Es gibt die Typen wie ihn, die sich versuchen, richtig einzuleben. Und es gibt die Typen, die nur dort spielen, weil sie eben Bundesliga spielen möchten.

SPOX: Sie haben sicherlich den Streit zwischen der TSG und Hertha BSC um die Verpflichtung zweier Talente mitbekommen. Wie hat man sich darüber in Ihrer Mannschaft unterhalten?

Hofmann: Klar, über so etwas redet man natürlich. Man hat sich gegenseitig gefragt, ob das einen stört. Wir hätten das aber sicherlich intensiver diskutiert, wären die Spieler nicht in die C-Jugend, sondern zu uns in die A-Jugend gewechselt.

SPOX: Haben Sie schon selbst derartige Abwerbe-Versuche anderer Vereine erlebt?

Hofmann: Nein.

SPOX: Wo wir beim Thema richtiges Benehmen von Vereinen sind: Hat das Verhalten von Hoffenheim bei Ihrem Wechsel gepasst?

Hofmann: Ja, man hat mir keine Steine in den Weg gelegt. Fast alle haben meinen Weggang bedauert und mir alles Gute gewünscht.

Jonas Hofmann im Steckbrief

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