"Gab selbst von Schalke-Fans Lob"

Von Interview: Jochen Tittmar
Dede stand in seiner Dortmunder Zeit einmal kurz vor einem Wechsel zum AS Rom
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SPOX: Sie sprechen Ihre Jugendzeit an, die keinesfalls einfach für Sie war.

Dede: Wahrlich nicht. Ich ging acht Jahre in die Schule und musste vier Mal wiederholen, weil ich davor schon auf der Straße Eis verkaufen oder die Autos vor dem Supermarkt putzen musste, um meine Familie zu unterstützen. Durch die viele Arbeit war ich dann total müde im Kopf.

SPOX: Wie sehr hat Sie diese Zeit geprägt?

Dede: Enorm. Die Straße hat mich für das Leben ausgebildet. Dort konnte man so viel sehen und dadurch lernen, die Andersartigkeit der Menschen zu respektieren und auch zu schätzen. Auch die Beziehung, die ich zum Geld pflege, hat sich dadurch manifestiert. Das alles hat mir in meinem Leben im Umgang mit anderen Menschen sehr geholfen. Ich kann von mir behaupten, immer allen Leuten offen und ehrlich begegnet zu sein. Ich denke, das ist es auch, was mich in Dortmund so beliebt gemacht hat. Ich hatte nicht ein einziges Problem mit einem meiner Mitspieler oder den Fans.

SPOX: Wenn wir gerade beim Thema Geld sind: Ihnen wurde nachgesagt, ein Sparfuchs zu sein und bei "Ikea" und "Lidl" einzukaufen - was ja natürlich nichts Verwerfliches ist.

Dede: Als Sparfuchs würde ich mich nicht bezeichnen. Ich habe einfach Respekt vor dem Geld. Ich kaufe dort ein, weil es meinen Geschmack trifft und ich es nicht einsehe, woanders für ähnliche Produkte das Doppelte zu bezahlen. Ich hatte schon sehr wenig und sehr viel Geld, kenne somit beide Extreme. Mein Ziel war immer, dass das Geld nie meinen Charakter verändert.

SPOX: Das scheint funktioniert zu haben, sonst hätten Sie dem BVB nicht so lange die Treue gehalten. Wie oft sind Sie denn noch in Dortmund?

Dede: Einmal im Monat bin ich in Absprache mit unserem Trainer Ersun Yanal für zwei Tage da. Das ist mir sehr wichtig, Deutschland ist meine Heimat. Ich habe dort noch mein Haus, meinen Hund, meine Freundin und meine deutschen Freunde.

SPOX: Dann haben Sie sicherlich noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Mitspielern?

Dede: Selbstverständlich. Den engsten Draht habe ich zu Mario Götze, Kevin Großkreutz, Felipe Santana, Nuri Sahin und Mannschaftsarzt Dr. Markus Braun. Wir spielen aber nicht online zusammen an der Playstation, das war nie mein Ding. Ich greife lieber zum Hörer oder schreibe eine SMS.

SPOX: Was sagen Sie denn zu den großartigen Auftritten, die der BVB in der Champions League hingelegt hat? Wie wurde das in der Türkei aufgenommen?

Dede: Der Respekt ist natürlich größer geworden, dieser Effekt ist ja in ganz Europa eingetreten. Die Truppe wurde perfekt zusammengestellt. Jeder kann mit jedem - sowohl auf, als auch außerhalb des Platzes. Das zahlt sich mit den Jahren immer mehr aus, der gesamte Verein ist unheimlich stabil geworden. Meine Kumpels aus Brasilien frotzeln oft und sagen, dass es beim BVB erst so super läuft, seit ich nicht mehr dort spiele (lacht).

SPOX: Aus dem Titel-Hattrick wird aber wohl nichts, Dortmund hat die Meisterschaft bereits in der Hinrunde verspielt. Wie sehr wurmt es die BVB-Verantwortlichen, dass man so früh schon keinen Druck mehr auf die Bayern aufbauen konnte?

Dede: Das wurmt keinen. Wenn man zweimal hintereinander Meister und dann auch noch Pokalsieger geworden ist, dann möchte man natürlich weiterhin um die Schale mitspielen. Man darf aber nicht davon ausgehen, dass ab sofort alles außer Platz eins eine Enttäuschung für den Verein bedeutet. Das gilt für Bayern München, aber nicht für Borussia Dortmund. Verein und Fans sind da realistisch genug und wissen, wo sie herkommen. Die erneute Qualifikation für die Champions League wäre für die Entwicklung in Dortmund doch kein Rückschlag, ganz im Gegenteil.

SPOX: Ein personeller Rückschlag könnte im Sommer erfolgen, sollte Robert Lewandowski tatsächlich den Verein verlassen und zum FC Bayern wechseln. Wie bewerten Sie die Spekulationen um ihn?

Dede: Wenn ein Spieler den Verein wechseln möchte, muss man das schlicht und einfach akzeptieren. Etwas anderes bleibt auch gar nicht übrig. Klar, wenn ich als BVB-Fan spreche, dann sage ich auch, dass er unbedingt bleiben sollte. Jeder Mensch denkt aber anders: Shinji Kagawa ist zwei Jahre in Dortmund geblieben und ich war 13 Jahre dort. Das heißt aber nicht, dass ich etwas Besseres bin. Jeder Spieler hat etwas anderes für sich im Kopf, es kann nicht jeder gleich sein. Der BVB wird ohne Lewandowski sicher nicht untergehen.

SPOX: Man hört, dass Lewandowski nicht der Beliebteste innerhalb des Teams sein soll. Wie haben Sie ihn erlebt?

Dede: Es ist klar, dass jetzt viele solche Geschichten um ihn aufkommen. Das kann ich aber absolut nicht bestätigen. Er war voll in die Gruppe integriert, wie jeder andere auch. In dem einem Jahr, in dem wir zusammen spielten, waren wir gewissermaßen wie Partner. Er saß ja genauso oft auf der Bank wie ich. Robert hat nie gemeckert, im Training immer alles gegeben und geduldig auf seine Chance gewartet - ein sehr positiver Charakter.

SPOX: Während Lewandowski vor einer Welt-Karriere steht, sind Sie mittlerweile in der Phase angekommen, in der man sich Gedanken über die Zukunft macht. Sie haben einmal gesagt, dass Sie mit 35 Jahren nicht mehr unbedingt Fußball spielen wollen. In zwei Monaten wäre es soweit...

Dede: Ich habe einfach immer noch Spaß am Fußball. Da ich in Dortmund am Ende nicht mehr so oft zum Zug kam, genieße ich jetzt einfach die vielen Spielminuten. Mein Vertrag läuft bis 2014 mit Option auf ein weiteres Jahr. Ich kann nicht sagen, wie es bis dahin genau weitergeht. Ich weiß nur, dass ich nach der Karriere auf jeden Fall erst einmal nach Brasilien zurückkehren werde. Ich bin seit 15 Jahren weit weg von meiner Familie. Meine Eltern sind nun auch älter und ich möchte mit ihnen die gemeinsame Zeit genießen. Irgendwann später will ich nach Deutschland zurückkehren und dort eine Familie gründen.

SPOX: Sie wirken sehr glücklich und in sich selbst zu ruhend. Haben Sie alles richtig gemacht im Leben?

Dede: Das ist für mich nicht entscheidend. Aber wenn mir jemand die Möglichkeit geben würde, mein Leben noch einmal zu leben, dann würde ich alles wieder so machen. Ich spiele seit 15 Jahren nicht mehr bei Atletico Mineiro, aber die Fans lieben mich dort immer noch. Beim BVB ist es genauso, in Eskisehir nun ähnlich. Wenn ich in Deutschland am Flughafen ankomme, erkennt mich jeder. Die Reaktionen der Leute zeigen mir, dass ich mit vielen Entscheidungen meines Lebens richtig gelegen habe. Es gab ja selbst von Schalke-Fans Lob. Das alles kann dir kein Geld der Welt aufwiegen.