Auf dem Weg in die Zweisamkeit

Von Fatih Demireli
Neu bei Galatasaray und Fenerbahce: Krasic, Altintop, Yilmaz und Kuyt
© spox

Galatasaray und Fenerbahce rüsten auf wie lange nicht mehr. Während Galatasaray einen Erfolg in der Champions League anpeilt, will Fenerbahce nach schwierigen Zeiten außerhalb des Rasens wieder sportlich für Furore sorgen. Die Kluft zwischen den Istanbuler Rivalen und dem Rest der Liga geht immer weiter auf, sodass sich selbst Größen wie Besiktas und Trabzonspor mit ihren neuen Rollen abfinden müssen.

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Der Istanbuler Flughafen "Atatürk" würde theoretisch eine eigene Postleitzahl verdienen. Der immens große Komplex dient als Umschlagsplatz für viele europäische Flüge nach Asien, Amerika oder Afrika und ist somit 24 Stunden am Tag am Anschlag seiner Kapazität.

Die Sommermonate, insbesondere der Juli und der August, sind den Flughafen-Betreibern ein besonderes Gräuel. Nicht aus Gründen des überproportionalen Verkehrs. Vielmehr liegt es daran, dass dann die Istanbuler Fußball-Klubs ihre Machtspielchen bereits am Flughafen ausspielen. Dann, wenn ein internationaler Fußball-Star verpflichtet wird und Hunderte bis Tausende an den Flughafen gelotst werden, um den neuen Mann zu feiern. Aber auch der Welt - und der Konkurrenz - zu zeigen: Seht her, wie mächtig wir sind.

Krasic wechselt zu Fenerbahce

Als Galatasaray vor Jahren den früheren Schalker Lincoln holte, versammelten sich fast 6.000 Menschen in der Wartehalle. Die drohende Massenpanik blieb glücklicher Weise aus, aber der Sachschaden ging in den hohen fünfstelligen Bereich. Lincoln konnte nur dank unzähliger Polizeibeamter unverletzt den Flughafen verlassen und in einem panzergesicherten Fahrzeug den Weg zum Galatasaray-Gelände antreten.

Ganz so heftig war es am vergangenen Freitag nicht, als Milos Krasic in Istanbul ankam, aber dennoch legten hunderte Fenerbahce-Fans für einige Zeit den Flughafen lahm. Seit zwei Jahren ist man hinter dem Flügelspieler her, jetzt wechselte der Serbe für sieben Millionen Euro von Juventus zum 18-maligen türkischen Meister.

Der Coup mit Krasic übertünchte sogar die Enttäuschung über das 1:1 gegen den FC Vaslui in der Champions-League-Qualifikation. Zumindest fürs Erste, denn es ist kaum auszudenken, wie die Reaktionen ausfallen, sollte Fener am rumänischen Außenseiter scheitern und die geliebte Champions League verpassen. Zumindest die Freude über Krasic lässt diese Gedanken für ein paar Tage verdrängen.

Kuyt wird im Stadion präsentiert

Dabei ist Krasic nur eine Episode der vielen Transferaktivitäten Fenerbahces in dieser Saison. Den Anfang machte man mit Dirk Kuyt, der vom FC Liverpool kam und später vor Tausenden im Sükrü-Saracoglu-Stadion präsentiert wurde. Fünf Millionen Euro gab man für Valencias Mehmet Topal aus, auch Linksverteidiger Hasan-Ali Kaldirim kostete 4,5 Millionen.

Fenerbahce will in den nächsten Tagen noch einen namhaften Stürmer verpflichten, dazu soll ein Mittelfeldspieler der Marke Lassana Diarra kommen. "Wir haben den besten Kader der letzten Jahre", sagt Fenerbahces Torhüter Volkan Demirel. "Unsere Neuen haben sich alle bewiesen und sie werden Fenerbahce sehr viel neue Qualität verschaffen."

Neue Qualität und vor allem neuer Mut ist bei Fenerbahce nach einem Jahr voller Negativerlebnisse willkommen. Die Manipulationsvorwürfe hielten den Klub in Atem, ständige Gerüchte über einen Zwangsabstieg, möglichen Punktabzügen oder Europapokal-Ausschlüssen ließen sportliche Gedanken kaum zu. Weil zumindest der Klub im Zuge der Aufklärung keine Konsequenzen tragen musste, greift Fenerbahce wieder an.

Galatasaray: Der nationale Titel genügt nicht

Die Gunst der Stunde nutzte Galatasaray und sicherte sich die erste Meisterschaft seit 2008. Doch dem Klub von Fatih Terim genügt der nationale Erfolg nicht. "Die türkische Liga dient für uns nur zum Zweck der Qualifikation für den Europapokal. Wir wollen Erfolg in Europa haben", fordert Präsident Ünal Aysal.

20,9 Millionen Euro investierte Galatasaray bislang in Neuzugänge. Für Nordin Amrabat, der eben mit Marokko an den Olympischen Spielen teilnahm und eine der positiven Erscheinungen war, zahlte man 8,6 Millionen Euro an Kayserispor.

Ein echter Image-Coup war auch Hamit Altintop, der sowohl von Galatasaray als auch von Fenerbahce umworben wurde und letztlich für 3,5 Millionen Euro von Real Madrid zu den Gelb-Roten wechselte: inklusive jährlichem Gehalt von drei Millionen Euro bei einem Vier-Jahresvertrag.

Gala-Präsident: "Die Erdbeere auf der Torte"

Große Anstrengungen legte der Klub an den Tag, um Burak Yilmaz, der in der Vorsaison 32 Tore in 30 Spielen für Trabzonspor erzielte und auch das Interesse von Lazio Rom und Borussia Dortmund auf sich zog, zu Galatasaray zu holen.

Wie Fener ist auch Galatasaray längst noch nicht satt: Felipe Melo soll ein weiteres Jahr von Juventus ausgeliehen werden und da ist ja noch das fruchtige Versprechen des Präsidenten. "Wir haben eine tolle Mannschaft zusammengestellt, aber ich verspreche den Fans noch die Erdbeere auf der Torte", sagt Aysal. Sprich: Ein Top-Star soll noch her, um den Erwartungen in der Champions League gerecht zu werden.

Die Anhängerschaft beider Klubs nimmt das Wettrüsten mit Wohlwollen auf. Galatasaray stoppte den Dauerkartenverkauf bei 40.250, was einem neuen Klub-Rekord gleichkommt. Fenerbahce ist diese Verkaufszahlen ohnehin seit Jahren gewohnt, setzte seine Abo-Tickets aber so früh wie nie ab. Die Rivalen schaukeln sich gegenseitig hoch: Immer mehr, heißt die Devise.

Besiktas und Trabzon verlieren an Stahlkraft

Beim Aufstieg zu neuen Sphären wird die Kluft zur Konkurrenz aber mehr immer größer. Galatasaray und Fenerbahce verabschieden sich in eine Zweisamkeit an der Spitze der Süper Lig. Zumal die beiden anderen großen türkischen Klubs an Qualität und Stahlkraft verlieren: Besiktas und Trabzonspor verloren erneut ihre besten Spieler - teils sogar an Fener und Gala. Der Aderlass ist extremen Ausmaßes, aber bittere Realität.

Fenerbahce krallte sich Nationalspieler Egemen Korkmaz, der bei Besiktas monatelang auf sein Gehalt wartete und schließlich seinen Vertrag auflöste, um ablösefrei zu Fener zu wechseln. Mit ihm bricht bei Besiktas eine Säule weg, die der Klub mit Tomas Sivok schließen muss, obwohl man den Tschechen bereits vor der EM 2012 mitteilte, den auslaufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen.

Auch Galatasaray bediente sich mit Burak erneut bei der unmittelbaren Konkurrenz. Der Nationalstürmer ist nach Selcuk Inan, Ceyhun Gülselam, Engin Baytar und Umut Bulut bereits der fünfte Spieler, der innerhalb eines Jahres von Trabzonspor zu Galatasaray geht. "Das ist hier für mich keine Durchgangsstation, sondern ein Klub, mit dem ich große Erfolge feiern will", sagt Burak. In Trabzon kamen die Worte des Ex-Lieblings nicht gut an.

Besiktas darf nicht Europa League spielen

Zumal Trabzon die Abgänge dieses Kalibers genauso wenig kompensieren konnte wie Besiktas, das nicht nur Egemen, sondern mit Simao, Fabian Ernst, Ricardo Quaresma, Rüstü Recber, Ekrem Dag und Mehmet Aurelio fast durchweg Stammspieler verlor.

Besonders die Abänge von Simao, Ernst und Quaresma wiegen schwer, aber das klamme Besiktas kann diese Spieler einfach nicht mehr bezahlen, obwohl sie Eckpfeiler im System waren. Hinzu kommt das Europapokal-Verbot in dieser Saison, auferlegt von der UEFA aufgrund von Verstößen gegen das Financial Fair Play. "Eine absolute Katastrophe", nannte Besiktas-Star Roberto Hilbert diese Situation unlängst im SPOX-Interview.

Der Klub, der vor zwei Jahren innerhalb einer Woche Bernd Schuster als Trainer, Guti als Mittelfeldstrategen und Quaresma als Spielmacher verpflichtete und rosige Zeiten ankündigte, holte in dieser Saison Spieler wie Olcay Sahan vom Bundesliga-Absteiger 1. FC Kaiserslautern und Oguzhan Özyakup von der Reserve des FC Arsenal. Sie sind die neuen Hoffnungsträger. Trainer Samet Aybaba, ein früherer Besiktas-Spieler und zuletzt lange Zeit ohne Verein, muss sich vor allem mit Nachwuchsspielern durchkämpfen.

"Dass es überall heißt, dass wir chancenlos sind, spornt uns nur an. Sollen diese Leute ruhig so weitermachen, das motiviert uns nur", sagt Besiktas-Vizepräsident Ahmet Nur Cebi. Der Glaube ist eher zweckmäßig vorhanden, als dass er auf berechtigter Hoffnung basiert.

Das brisante Duell

"Wir wissen, dass wir im Umbruch stecken, dass wir richtig hart arbeiten müssen und es nicht einfach wird", sagt Roberto Hilbert. Richtungsweisend könnte schon der 2. Spieltag sein, wenn Galatasaray bei Besiktas gastiert. Ein Negativerlebnis könnte die ohnehin sehr angespannte Stimmung im Verein belasten, ein Sieg vielleicht sogar ungeahnte Kräfte freisetzen.

Das deutlich brisantere Kräftemessen steigt aber schon am kommenden Sonntag, wenn im Supercup Meister Galatasaray auf Pokalsieger Fenerbahce trifft. Bis dahin wollen beide Klubs aber mindestens noch einen Hochkaräter. Die Flughafen-Betreiber wissen Bescheid...

Die Süper Lig in der Saison 2012/2013