Gegner allerorten

Von Fatih Demireli
Nach dem 1:4 gegen Dynamo Kiew benötigten Schuster und Co. Polizeischutz
© anadolu

Mit nahmhaften Verstärkungen wie Guti, Quaresma, Simao und Almeida will Besiktas Europas Fußball-Elite aufmischen. Doch der Klub ist spätestens nach dem 1:4 gegen Dynamo Kiew in der Europa League in eine tiefe Krise gestürzt. Im Fokus steht dabei Trainer Bernd Schuster, der nach den Medien nun auch den Vorstand und die Fans als Gegner gewonnen hat. Das Derby gegen Fenerbahce könnte über seine Zukunft entscheiden.

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"Cristiano Ronaldo?" Noch einmal nachfragen. Kurz lächeln. Der Reporter hat gerade wirklich nach Cristiano Ronaldo gefragt.

Nun gut, dachte sich Yildirim Demirören in diesem Augenblick. Wenn ich schon mit drei Portugiesen hier oben auf dem Podium sitze, kann ich ja mal ein bisschen fantasieren. "Cristiano Ronaldo kaufen? Warum denn nicht? Uns hat ja auch niemand geglaubt, dass wir Quaresma bekommen."

Die Schlagzeilen für den nächsten Tag - frisch serviert vom Besiktas-Präsidenten, der gerade euphorisch die Neuzugänge Simao Sabrosa, Manuel Fernandes und Hugo Almeida vorstellte. "Besiktas kämpft nicht mehr um nationale Erfolge. Wir richten unsere Planungen darauf aus, ein europäischer Spitzenklub zu werden", so Demirören.

"Alle beneiden uns"

Ähnliche Worte wählte der schwerreiche Gas-Tycoon schon im Sommer, als er binnen weniger Tage erst Ricardo Quaresma, dann Guti vorstellen durfte. "Alle beneiden uns wegen unserer Spieler. Manche werden von der Macht unseres Kaders zerdrückt", sagt Demirören immer wieder.

Die auf dem Transfermarkt demonstrierte Macht spiegelt sich aber nicht in den Leistungen der teuren Mannschaft wieder.

"Wir haben Qualität, die Europa League zu gewinnen und wir werden sie gewinnen", sagte Superstar Guti noch vor wenigen Tagen. Nach dem Hinspiel der Zwischenrunde gegen Dynamo Kiew darf das Thema aber zu den Akten gelegt werden: Besiktas verlor vor heimischer Kulisse mit 1:4 gegen Dynamo Kiew.

Die erste Kritik

"Die Historie hat gezeigt, dass so ein Resultat noch gedreht werden kann", sagt Bernd Schuster. Doch der Deutsche hat seinen Zweckoptimismus exklusiv. "Wir müssen uns jetzt auf den türkischen Pokal konzentrieren. Anders kommen wir nicht in den Europapokal", sagt Vorstandsmitglied Mete Düren und schickt einen Gruß an Schuster hinterher: "Wir sind mit diesem Trainer in diese Situation geraten. Also wird uns der Trainer auch wieder aus dieser Lage befreien."

Die türkischen Medien verstehen den ersten öffentlichen Affront des Vorstandes gegen den Trainer durchaus als letzte Warnung für den Deutschen vor der Entlassung. Zumal Besiktas auch in der Süper Lig enttäuscht und sich schon zur Winterpause vom Titelkampf verabschieden musste.

Neuzugänge noch nicht überzeugend

Schuster spürt inzwischen die Ungeduld der Vereinsbosse, die so schnell wie möglich den Ertrag ihrer Investitionen sehen wollen. "Wir haben den besten Kader der Liga, vielleicht den besten Kader in der Geschichte des Klubs", sagte Demirören voller Stolz. Der Vereinsboss und seine Gefolgschaft gingen mit dem Ausspruch des Ziels, den Europapokal zu gewinnen, deswegen nicht sparsam um.

Schuster dagegen tritt immer wieder auf die Bremse. "Schritt für Schritt" müsse Besiktas gehen, bevor über den Titel in der Europa League gesprochen werden kann. Dass seine Winterneuzugänge Simao, Fernandes und insbesondere Almeida noch nicht die erhofften Leistungen bringen, begründet Schuster mit der nötigen und bisher fehlenden Eingewöhnungszeit.

Problem: Ausländerregelung

Gleichzeitig kann er seine Portugiesen ohnehin nicht spielen lassen, da die Ausländerregelung in der Süper Lig es nicht zulässt, dass mehr als sechs Legionäre gleichzeitig auflaufen dürfen. Schuster muss nicht selten entgegen seiner eigentlichen Idee aufstellen. Zehn Ausländer stehen im Gesamtkader - alle wollen spielen, können es aber nicht. Selbst Fabian Ernst, Leader des Teams und auch in der Hinrunde Schusters verlängerter Arm auf dem Platz, ist inzwischen Dauerreservist.

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Schusters Erklärungen und Begründungen für die schlechten Ergebnisse finden aber nur selten Gehör. Die Öffentlichkeit hat Schuster ohnehin längst nicht mehr auf seiner Seite. Das Verhältnis zu den Medien ist zerrüttet.

Zu unterschätzen ist dieser Zustand nicht, zumal der Besiktas-Vorstand durchaus dazu neigt, sich von der öffentlichen Meinung anstecken zu lassen und Entscheidungen zu treffen.

"Dann müssen sie zuhause bleiben"

Dabei hat Schuster nicht nur mit den externen Medien zu kämpfen. Nach der Pleite gegen Kiew sprach der Programmchef des klubeigenen TV-Senders live unverhohlen über eine mögliche Entlassung des Trainers. "Er wird jetzt keine leichte Zeit haben. Über den Trainer muss man schon reden", sagte Tugrul Yenidogan.

Gegen Kiew gab es erste "Schuster raus"-Rufe, die Spielerwechsel des Deutschen wurden mit Pfiffen quittiert, während Quaresma nach seiner dummen Roten Karte wegen einer Tätlichkeit in der Nachspielzeit mit Applaus verabschiedet wurde. "Wenn die Leute nicht zufrieden sind, dann sollen sie zuhause bleiben", schimpfte Schuster nach den Fan-Protesten. Der Deutsche schafft sich von Tag zu Tag neue Gegner. Fürsprecher hat er kaum noch.

Der Besiktas-Coach muss nun Ergebnisse liefern, um nicht bald selbst nach Hause geschickt zu werden. Das Derby gegen Fenerbahce (Sonntag, 18 Uhr im LIVE-TICKER) könnte über seine Zukunft bei Besiktas entscheiden. Eine weitere Pleite, gerade in diesem Prestigeduell, kann er sich kaum leisten.

Die Vorstandsmitglieder Serdal Adali und Cengiz Zülfikaroglu, die für die teuren Transfers verantwortlich sind, traten am Tag nach dem Kiew-Debakel vor die Mannschaft, um sie für Endspurt der Saison wachzurütteln. Erst danach sprachen sie mit Schuster.

Der Besiktas-Kader im Überblick

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