"Man nimmt uns wieder nicht wahr - gut so!"

Von Interview: Fatih Demireli
Ertugrul Saglam ist mit Bursaspor aktuell Tabellenzweiter der Süper Lig
© Getty

Bursaspor hat am Wochenende Galatasaray im Vorbeigehen geschlagen. Die Krokodile spielen punktemäßig eine bessere Serie als in der Meistersaison und lauern hinter Trabzonspor auf Platz zwei. Doch gesprochen wird wieder über die Konkurrenz aus Istanbul. Trainer Ertugrul Saglam ist das recht. SPOX besuchte den Erfolgscoach in Bursa und sprach mit ihm über die neuen Machtverhältnisse in der Süper Lig und seine Freundschaft mit einem Bundesliga-Trainer.

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SPOX: Herr Saglam, Sie haben Ihren neuen Stürmer Kenny Miller begrüßt. Was erwarten Sie sich von ihm?

Ertugrul Saglam: Kenny Miller ist ein sehr starker Stürmer, der uns weiterhelfen wird. Wir haben gute Angreifer wie Sercan Yildirim oder Turgay Bahadir, aber wir mussten handeln, nachdem unser Neuzugang Nunez die Erwartungen nicht erfüllen konnte. Wir denken, dass Miller nach einer Eingewöhnungszeit ein wertvoller Spieler für uns sein wird.

SPOX: Ist es für Bursaspor einfacher geworden, namhafte Spieler wie Miller oder Jozy Altidore, den sie aus Villarreal geholt haben, zu verpflichten?

Saglam: Miller hatte Angebote von Birmingham City und vom AC Florenz, aber er hat sich für uns entschieden. Sicherlich ist das sehr erfreulich. Wir haben in der Champions League gespielt, wurden letztes Jahr Meister und sind dieses Jahr wieder gut im Rennen. Das war sicherlich ausschlaggebend für seine Zusage. Hinzu kommt, dass Bursaspor erstmals so einen finanziell aufwendigen Transfer vollzieht. Das macht uns sehr glücklich.

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SPOX: Als sie 2009 nach Bursa kamen, war der Klub quasi ein Abstiegskandidat und weit weg vom Titel und der Champions League. Sie haben dennoch offen vom Titelgewinn gesprochen und wurden dafür belächelt. Wie haben Sie es so schnell hinbekommen, aus Bursa einen Titelkandidaten zu machen?

Saglam: Das Potenzial war schon da - da ist das wichtigste. Wir haben versucht, dieses Potenzial zu nutzen, indem wir die Mannschaft verstärkt haben, finanziell aber gesund zu werden. Das war die Basis für den Titel. Bursa ist eine Fußballstadt, die Menschen leben hier den Fußball und die Fans identifizieren sich mit dem Klub. Ganz egal, wo wir spielen, die Unterstützung ist immer da. Zudem stehen die lokalen Medien hinter dem Klub.

SPOX: Im Vergleich zu dem Titelrivalen ist der Etat von Bursaspor weiter relativ niedrig.

Saglam: Deutlich niedrig, wir haben ein Zehntel von dem Etat, den unsere Konkurrenten zur Verfügung haben. Aber im Fußball hat man nicht Erfolg, nur weil man viel Geld ausgeben kann. Den Beweis haben wir geliefert.

SPOX: Bursaspor hat in der Hinrunde mehr Punkte geholt als in der Meistersaison. Dennoch werden sie wieder nicht richtig ernst genommen. Stattdessen werden Fenerbahce und Besiktas als Titelkandidaten gehandelt, obwohl diese Klubs in der Tabelle weit zurückliegen. Stört Sie das?

Saglam: Es überrascht mich, dass uns die Öffentlichkeit wieder nicht wahr nimmt, aber das passt uns ins Konzept. Mir soll's recht sein. Ich hoffe, dass die Menschen uns wieder wahrnehmen, wenn wir am letzten Spieltag den Pokal in der Hand halten.

SPOX: Der türkische Fußball steht derzeit unter dem Motto "Revolution". Haben Trabzonspor, Bursaspor und Kayserispor den großen Istanbuler Klubs den Rang abgelaufen?

Saglam: Nein, noch nicht. Wir haben mit unserem Erfolg lediglich die Tür zur Revolution geöffnet. Damit sie vollzogen werden kann, muss auch ein anderer Klub aus Anatolien in diesem Jahr Meister werden. Danach können wir über eine Revolution sprechen.

SPOX: Dies könnte dieses Jahr durchaus der Fall sein...

Saglam: Trabzonspor ist sehr gut drauf, wir spielen eine gute Saison, aber auch Kayserispor ist sehr erfolgreich. Ich denke, dass auch Fenerbahce noch eine wichtige Rolle spielt. Bei Besiktas muss man beobachten, ob sie noch in das Rennen eingreifen können.

SPOX: In der Liga überzeugt Bursaspor, in der Champions League lief es gar nicht. Wie ist das zu erklären?

Saglam: Das war unsere erste Teilnahme an der Champions League und wir waren der Klub mit dem niedrigsten Etat der Königsklasse. Wir haben unsere Planungen nicht darauf ausgerichtet, in der Champions League großen Erfolg zu feiern, weil wir die Mittel für die Transfers nicht gestellt haben. Unser primäres Ziel war, eine gute Figur abzugeben und Erfahrungen zu sammeln, damit wir für die kommenden Jahre im Europapokal eine Basis schaffen.

SPOX: Außer Besiktas sind alle Süper-Lig-Klubs im Europapokal ausgeschieden. Die Liga ist national im Aufschwung, aber international gibt es kaum Erfolge. Woran liegt das?

Saglam: Leider hat auch die Nationalmannschaft hat Probleme. Wir müssen zugeben, dass wir international nicht das beste Jahr hinter uns haben. Das heißt aber nicht, dass das immer so bleiben muss. Wir betreiben Ursachenforschung, suchen nach Lösungsansätzen und werden auch wieder bessere Zeiten erleben.

SPOX: Der deutsche Fußball war vor einigen Jahren in einer ähnlichen Situation. Sowohl der DFB als auch die Klubs haben in der Konsequenz die Jugendarbeit stark gefördert und der heutige Erfolg gibt dem deutschen Fußball recht. Das sieht nach einem guten Modell für die Türkei aus.

Saglam: Natürlich. Man muss immer analysieren, inwiefern verschiedene Mechanismen im europäischen Fußball in der Türkei umsetzbar sind. Richtig ist, dass in den letzten Jahren junge türkische Fußballer nur schwer nachgekommen sind. Ich denke, dass hat auch mit der Ausländerregelung zu tun.

SPOX: In der Süper Lig dürfen die Klubs zehn Ausländer unter Vertrag nehmen, sechs dürfen gleichzeitig spielen.

Saglam: An dieser Regel sollten wir arbeiten. Auch wir haben im Kader viele ausländische Spieler, aber wir achten auch auf den Nachwuchs.

SPOX: Ein andere Problematik im türkischen Fußball: Viele berühmte Trainer heuern hier an, haben aber wenig Erfolg: Joachim Löw, Vicente Del Bosque, Luis Aragones oder Frank Rijkaard sind gescheitert. Zufall?

Saglam: Ich habe als Spieler mit vielen ausländischen Trainern gearbeitet und sehr viel von ihnen gelernt. Ich bin sehr dafür, dass ausländische Trainer weiter die Liga bereichern sollten, aber die Denke in der Türkei ist etwas kompliziert: Man gibt einem Trainer einen Dreijahresvertrag, aber nach spätestens sechs Monaten wird er zur Rechenschaft gezogen, warum er noch keinen Erfolg hat. Das ist ein großes Problem. Gebt den Leuten doch die Zeit, um ihre Philosophie zu verwirklichen!

SPOX: Es gibt auch andere Beispiele: Jupp Derwall ist in der Türkei eine Legende. Wie sehr haben die Deutschen den türkischen Fußball geprägt?

Saglam: Ich habe selbst mit deutschen Trainern gearbeitet. Daum, Feldkamp, Briegel - das waren sehr große Trainer, von denen ich sehr viel gelernt habe. Mit Derwall als Vorreiter haben die deutschen Trainer sehr viel für den türkischen Fußball geleistet, das kann man gar nicht genug betonen. Ich bin mit Michael Skibbe sehr gut befreundet, seitdem er bei Galatasaray gearbeitet hat. Er macht in Frankfurt einen sehr guten Job und ich wünsche ihm alles Gute.

SPOX: Sie waren bei Besiktas Trainer, zuvor haben Sie erfolgreich in Kayseri gearbeitet. Wie sieht Ihre Zukunftsplanung aus?

Saglam: Jeder Trainer will irgendwann die eigene Nationalmannschaft trainieren. Natürlich ist da auch mein Ziel, aber nicht in absehbarer Zeit. Das muss ich mir erst einmal verdienen. Ein anderes Ziel jedes türkischen Trainers ist es, in Europa einen Klub zu trainieren. Die Verhältnisse bei Bursaspor sind exzellent, deshalb denke ich ernsthaft darüber nach, Bursaspor zu einem europäischen Spitzenklub zu formen, anstatt einen Klub in Europa zu übernehmen. In drei, vier Jahren könnten wir mit unserem Konzept etwas Großes auf die Beine stellen.

Der Kader von Bursaspor im Überblick

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