"Ich könnte einigen helfen"

Von Interview: Haruka Gruber
Selim Teber (M.) stand in allen 17 Vorrunden-Spielen in der Startelf und gab vier Vorlagen
© Getty

In Frankfurt wurde er aussortiert, in der Türkei wird er aber als "Schweinsteiger von Kayseri" gefeiert: Der 29-jährige Selim Teber über seine starke Saison, die türkische Nationalelf und Bundesliga-Klubs, die seine Hilfe gebrauchen könnten.

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SPOX: Im Sommer wurden Sie in Frankfurt aussortiert, ein halbes Jahr später gehören Sie zu den überragenden Spielern der Süper Lig und stehen in der SPOX-Top-11 der Hinrunde. Sieht die Türkei den besten Teber aller Zeiten?

Selim Teber: Auf alle Fälle. Eine so gute Halb-Saison habe ich noch nie gespielt, vor allem nicht mit dieser Konstanz. Ich arbeite zwar genauso hart an mir wie zuletzt in Frankfurt oder Hoffenheim, aber in dieser Saison ist vieles anders, alleine weil mich Shota Arveladze trainiert. Er tut mir richtig gut und hat zwei, drei Dinge an meinem taktischen Verhalten verändert, von dem ich extrem profitiere.

SPOX: Geht das konkreter?

Teber: Er hat mir gezeigt, dass ich mich als Sechser häufig bei der Ballannahme falsch orientiert habe, weil ich instinktiv immer mit dem Rücken zum gegnerischen Tor stand, wenn ich den Ball bekam. Daran ist wohl meine Vergangenheit als Offensivspieler schuld. Jetzt achte ich penibel darauf, bei der Ballannahme gleich frontal oder zumindest seitlich zum gegnerischen Tor zu stehen, damit ich das Feld vor mir habe und schnell umschalten kann. Ein anderes Beispiel: Anfangs wollte ich jeden Ball haben und bin daher in jeden freien Raum gelaufen, um mich anzubieten. Aber dank Shota behalte ich meine Ruhe, bleibe einfach mal weg vom Ort des Geschehens und halte die defensive Grundposition.

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SPOX: In der türkischen Presse werden Sie dank Ihrer Leistungen mit Bastian Schweinsteiger verglichen. Passt das?

Teber: Ich habe auch gelesen, dass ich ein bisschen so spielen würde wie Schweinsteiger. Ein tolles Lob - und es stimmt insofern, dass ich früher ebenfalls offensiv ausgerichtet war, mit der Zeit zurückgezogen wurde und meine Rolle mittlerweile als verkappter Spielmacher aus der Tiefe heraus interpretiere. Andererseits übernehme ich im Gegensatz zu Schweinsteiger bei Kayseri in der Doppel-Sechs den eher defensiven Part. Wenn wir mit nur einer Sechs spielen, bin ich auch häufig der einzige defensive Mittelfeldspieler.

SPOX: Sie waren mit Ihrer Kombination aus Spiel- und Zweikampfstärke einer der besten Mittelfeldspieler der Hinrunde, was die Frage aufwirft: Gab es bereits Kontakt mit Guus Hiddink? In einem früheren SPOX-Interview sagten Sie, dass Sie sich einen Einsatz in der türkischen Nationalmannschaft gut vorstellen könnten.

Teber: Manchmal fordert ein Experte im Fernsehen, dass ich in die Nationalmannschaft gehören würde, aber bisher gab es keinen Kontakt. Ich versuche mich weiterzuverbessern und vielleicht wird es mit einer Nominierung belohnt. Doch wenn daraus nichts werden sollte, wäre ich nicht allzu enttäuscht, ich habe ja schon genug Rückschläge in meiner Karriere erlebt. (lacht)

SPOX: Bei den Experten genießen Sie ein hohes Standing, doch die Fans scheinen die Leistungen nicht ganz so zu honorieren. Stimmt der Eindruck?

Teber: Der Rummel hält sich in Grenzen. In der Türkei wird eben noch mehr als in  Deutschland auf Dinge wie geschossene Tore geachtet. Wer hingegen beständig gute Leistungen zeigt, aber mehr für die Defensive zuständig ist, bekommt weniger Aufmerksamkeit. So ist es eben, das ist kein Problem.

SPOX: Haben sich Ihre Leistungen aber zumindest bis zu den Istanbuler Top-Klubs oder in die Bundesliga herumgesprochen?

Teber: Ich weiß es nicht, ich habe mit meinem Berater noch gar nicht über andere Klubs gesprochen, weil wir fest vereinbart haben, dass ich mich nur auf Kayseri konzentriere. Aber klar, ein Interesse würde mich ehren. In Istanbul gibt es drei große Vereine, und jeder Fußballer hat das Ziel, bei einem großen Verein zu spielen. Und Deutschland? Ich verfolge die Bundesliga nach wie vor sehr genau - und wenn ich sehe, wie einige Mannschaften in dieser Saison enttäuschen, bin ich mir sicher, dass ich ihnen helfen könnte.

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SPOX: Durch eine gute Platzierung von Kayseri würden Sie automatisch mehr in den Fokus rücken. Was ist mit der Mannschaft noch möglich?

Teber: Es war zu befürchten, dass wir nach dem tollen Saisonstart etwas an Boden verlieren, weil sich so viele Spieler bei uns verletzt haben. Nur ein Beispiel: Mit Marcelo Zalayeta und Franco Cangele sind zuletzt unsere beiden besten Stürmer ausgefallen. Es ist dennoch erstaunlich, wie wir als Vierter noch immer so gut platziert sind, obwohl vor der Saison eine komplett neue Mannschaft mit vielen unerfahrenen Spielern zusammengestellt wurde. Die Art und Weise, wie wir die vier Spiele ohne Sieg weggesteckt und trotz aller Probleme zum Hinrunden-Abschluss mit 2:0 gegen Bucaspor gewonnen haben, zeigt mir aber, dass wir die Saison mindestens unter den besten Drei beenden können. Fenerbahce ist nur ein Punkt vor uns.

SPOX: Unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit hat Kayseri viele türkische Spieler mit deutschen Wurzeln verpflichtet, die in Ihrem Geburtsland jedoch keine Chance auf den Profifußball sahen. Inwiefern sind die Leistungen in dieser Saison auch eine Trotzreaktion auf die Ablehnung in Deutschland?

Teber: Da besteht schon ein Zusammenhang. Die Jungs mussten irgendwann erkennen, dass Ihnen der Sprung in Deutschland nicht gelingen wird, deswegen haben sie sich für Kayseri entscheiden - und vieles richtig gemacht. Am Anfang wusste keiner so genau, wohin die Reise geht, doch inzwischen haben sie sich in der Türkei einen vorzüglichen Ruf erarbeitet. Mein Mittelfeld-Partner Furkan Özcal hat bereits wichtige Tore geschossen, Serdar Kesimal wurde sogar in die Nationalmannschaft berufen, und Ömer Sismanoglu kommt immer besser in Tritt. Sie mussten sich alles selbst erarbeiten - und ich versuche ihnen nun zu vermitteln, dass sie weiter schuften müssen, um vielleicht durch die Hintertür doch noch eine Chance in der Bundesliga zu erhalten.

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