Daums Kampf an allen Fronten

Von Fatih Demireli
Christoph Daum (r.) und sein treuer Wegbegleiter Roland Koch erleben schwere Zeiten
© anadolu

Die Negativserie von sieben Spielen ohne Sieg sorgt bei Fenerbahce für viel Unruhe. Der Vorstand stellt hohe Ansprüche, der Präsident fordert nicht nur einen Meistertitel, sondern gleich drei und die Spieler sind verunsichert. Mittendrin steht Trainer Christoph Daum, der viele Baustellen hat, aber nun auch um seinen Job bangen muss.

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Unzufriedene Zuschauer, viele Pfiffe, enttäuschte Profis und ein Trainer, der die Welt nicht mehr versteht: Das war Fenerbahce im September 2009.

Unzufriedene Zuschauer, viele Pfiffe, enttäuschte Profis und ein Trainer, der die Welt nicht mehr versteht: Das ist Fenerbahce im März 2010.

Der Bumerang für Daum

Dennoch gibt es einen Unterschied: Im September 2009 gewann Fenerbahce die ersten sechs Saisonspiele - später wurden es sogar acht Dreier in Folge. Absoluter Vereinsrekord! Da aber die spielerische Leistung den hohen Ansprüchen des Publikums nicht genügte, gab es lautstarke Proteste.

"Wann haben die Fans, die uns auspfeifen, eine solche Serie erlebt?", schimpfte damals Fenerbahce-Trainer Christoph Daum nach dem 1:0 gegen Istanbul Büyüksehir Belediyespor. Diese Frage ist inzwischen zum Bumerang geworden und wird Daum um die Ohren gehauen.

Vereinsboss fordert Titel-Hattrick

Denn das 1:2 im Rückspiel gegen Büyüksehir in der vergangenen Woche war das siebte Pflichtspiel in Folge für Fener ohne Sieg. "Wann haben die Fans solch eine Serie erlebt?", titelte nun die Sportzeitung "Fanatik" provokant in Anlehnung auf Daums Ausbruch.

Der Rückstand zu Tabellenführer Galatasaray beträgt mittlerweile fünf Punkte. Das Ziel des Präsidenten Aziz Yildirim, der vor der Saison lauthals drei Meistertitel in Folge eingefordert hatte, ist ernsthaft in Gefahr. "Wenn wir so spielen, können wir nicht Meister werden", so Daum. Im Vorstand will man von dieser ehrlichen Einschätzung nichts wissen.

Mannschaft verunsichert

"Diese Mannschaft hat zu Saisonbeginn acht Siege in Serie geholt - also ist sie auch jetzt in der Lage zehn Mal in Folge zu gewinnen", sagt Vorstandsmitglied Cihan Kamer. Der Zustand der Mannschaft lässt die Aussage wie eine schlechte Durchhalteparole klingen.

Von Torwart Volkan Demirel bis hin zu Stürmer Dani Güiza sind die Stars verunsichert. Die Defensive wackelt ohne ihren verletzten Chef Diego Lugano, im Mittelfeld präsentiert sich außer Emre Belözoglu keiner in Normalform. Selbst Kapitän Alex brannte zuletzt gegen Büyüksehir die Sicherung durch. Er sah nach einem Brutalo-Foul die Rote Karte.

Alex' Kritik an Daum

Und ganz vorne fristet Stürmer Güiza weiter ein trauriges Dasein. Der Klub musste zuletzt die Fans mobilisieren, um den Spanier, der nach einer Auswechslung gegen Bursaspor (2:3) in Tränen ausbrach, wieder aufzurichten. Semih Sentürk, Publikumsliebling und Güiza-Konkurrent, hat bei Daum kein Standing.

"Wir spielen keinen Fußball. Wir haben große Probleme, wenn wir in Ballbesitz sind. Wir können unsere Qualitäten nicht zeigen. Wir laufen viel, aber das ohne Ordnung", so Alex. Was sich wie ehrliche Selbstkritik anhört, ist im Grunde ein Vorwurf an den Trainer.

"Die Fans brauchen sich keine Hoffnungen machen. Fenerbahce wird sicher nicht Meister", sagt Klub-Legende und TV-Experte Ridvan Dilmen. Erst vor wenigen Wochen klang der frühere Top-Stürmer noch anders und sah weit und breit keinen Konkurrenten.

Der Druck liegt jetzt bei Daum, der einen Kampf an allen Fronten führen muss. Die Negativserie von sieben sieglosen Spielen darf nicht endlos weitergehen, sonst könnte es auch für Daum eng werden. Türkische Medien spekulieren sogar, dass Daum nach einem möglichen Patzer gegen Antalyaspor am Sonntag (ab 17.45 Uhr im LIVE-TICKER) seinen Job verlieren könnte.

Titel holen oder fliegen!

Der Klub steht öffentlich noch hinter Daum. In einer Pressemitteilung hieß es, dass "der Klub keine Absichten hat, sich vom Trainer zu trennen." Auch dass mit Mircea Lucescu bereits Verhandlungen stattgefunden haben, wurde dementiert.

Dennoch: In der Ära des Präsidenten Aziz Yildirim musste bislang jeder Trainer, der Fenerbahce nicht zur Meisterschaft geführt hat, spätestens zum Saisonende gehen. Christoph Daum kennt die Yildirim'sche Statistik nur zu gut: 2007 traf es ihn selbst.

Ärger mit Kocaman

Doch es sind nicht nur die Ergebnisse, die Daum das Leben schwer machen. Das Verhältnis zu Sportdirektor Aykut Kocaman ist trotz aller Beteuerungen arg gestört.

Kocaman, eine einflussreiche Figur des Vereins, galt jahrelang als Trainerkandidat bei Fenerbahce, nachdem er bei diversen Klubs in Anatolien erfolgreich gearbeitet hatte. Vor der Saison wurde er dann etwas überraschend als Sportdirektor installiert.

Keine Transfers in der Winterpause

Die Zusammenarbeit mit Daum hält sich allerdings in Grenzen. Als Daum in der Winterpause neue Spieler haben wollte, wiegelte Kocaman ab: "Wir machen nur etwas, wenn es einen Notfall gibt."

Nachdem in den vergangenen Wochen aufgrund diverser Verletzungen die Alternativen ausgingen, schoss Daum öffentlich zurück. Viele im Klub-Umfeld sehen Kocaman als möglichen Daum-Nachfolger auf der Trainerbank. Kocaman dementiert: "Ich habe keine Ambitionen, Trainer zu werden. Ich bin Sportdirektor."

Kocaman überdenkt Zukunft

Unwahrscheinlich ist, dass Daum und Kocaman in der nächsten Saison weiter zusammenarbeiten werden. Kocaman denkt offen über seine Zukunft nach: "Ich werde am Ende der Saison meine Position überdenken. Das ist kein leichter Job, der zwar seine Vorteile hat, aber mich physisch und psychisch stark beansprucht."

Daum versucht die Konzentration auf das Sportliche zu lenken: "Das einzige, was wir jetzt brauchen, ist ein Sieg." Ein Dreier würde nicht nur die Blockade bei Fener lösen, sondern wohl auch den Job des Fenerbahce-Trainers retten.

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