Rijkaard - Der König der Löwen

Von Fatih Demireli
Frank mittendrin: Rijkaard unterschrieb bei Galatasaray bis 2011
© Galatasaray

Sein Wechsel zu Saisonbeginn überraschte, doch Frank Rijkaard hat bei Galatasaray schnell sein Glück gefunden. Die Fans lieben ihn, die Verantwortlichen vertrauen ihrem Trainer blind und der Niederländer selbst will mit dem Istanbuler Spitzenklub etwas Großes aufbauen.

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ADDie Augen gerötet, das Gesicht gezeichnet von Müdigkeit, Grau die Farbe des Drei-Eher-Fünf-Tage-Barts. Nicht das beste Erscheinungsbild für den ersten Arbeitstag. Aber Frank Rijkaard konnte nicht anders. "Der Trainer ist sehr müde, er hat wenig geschlafen", so Adnan Polat.

Auch der Präsident Galatasarays hatte nicht viel Schlaf, aber die Freude über die Verpflichtung eines weltbekannten Trainers ließen Müdigkeit und Stress im Juni 2009 vergessen. Bis in die Nacht verhandelten Rijkaard und der Galatasaray-Vorstand in Madrid und fanden nachts eine Einigung.

"Eine neue Ära"

Inzwischen ist einige Zeit vergangen. Rijkaard ist immer noch Galatasaray-Trainer, aber wirkt nicht mehr so müde. Adnan Polat ist immer noch Galatasaray-Präsident, und immer noch voller Freude.

Nach vielen Jahren voller Missverständnisse bei der Auswahl der Trainer hat der Istanbuler Top-Klub wohl endlich den Mann gefunden, der "Galatasaray in eine neue Ära führen soll", wie Boss Polat es ausdrückt.

Alle Ziele verpasst

Noch im Sommer 2009 herrschte das blanke Chaos. Titel futsch, Champions-League-Teilnahme futsch, selbst für die Europa League musste sich Galatasaray in zwei Runden qualifizieren.

Nach den Entlassungen von Michael Skibbe und Bülent Korkmaz fehlte auch ein Trainer. Viele Namen wurden gehandelt, über Frank Rijkaard sprach jedoch keiner. Doch genau dieser stand mit Fußball-Chef Haldun Üstünel im Juni plötzlich am Flughafen.

"Ein Mann von Weltformat"

Rijkaard, der vor wenigen Jahren noch mit dem FC Barcelona die Champions League gewann, bei Galatasaray - so recht konnte keiner daran glauben. "Die Marke Galatasaray hat so einen Trainer gebraucht. Er ist ein Mann von Weltformat", erklärte Üstünel.

"Ich bin froh, beim besten türkischen Klub zu sein", so Rijkaards erste Worte. Die großen Reden, die noch nie sein Ding waren, gab es auch am Bosporus nicht: "Für mich sind die Ziele überall gleich. Wir wollen einen schönen, erfolgreichen Fußball spielen, unsere Fans auf unsere Seite bekommen und sie begeistern."

Großes Vertrauen

Letzteres hat er schon längst erreicht: Rijkaard genießt bei den "Löwen" großes Vertrauen. So viel wie kein anderer Trainer vorher. Selbst Klub-Legende Fatih Terim hatte anfangs weniger Kredit. Rijkaard ist der König - bei Fans und Verantwortlichen: "Selbst wenn wir auf Anhieb keinen Erfolg haben, werden wir Ruhe und Geduld bewahren", so Präsident Polat zum Saisonstart. Es waren keine leeren Worthülsen.

Nach einem sehr starken Saisonstart mit sechs Siegen in Folge, baute Galatasaray in der Folge stark ab, rutschte zwischenzeitlich bis auf Platz 5 der Tabelle. Spätestens dann wären in der Vergangenheit Rufe nach einem Trainerwechsel laut geworden, Vorstandsmitglieder hätten öffentlich verbale Schläge gegen den Trainer ausgeteilt.

Rijkaard dreht jeden Stein um

Doch bei Galatasaray blieb es ruhig. Rijkaard bekommt die Zeit, die er zu Beginn verlangt hatte. "Um eine Mannschaft aufzubauen und um ein funktionierendes System zu schaffen, benötigt man einfach Zeit. Dennoch sind Ergebnisse wichtig. Galatasaray muss in jedem Wettbewerb, an dem es teilnimmt, um Platz 1 spielen", so Rijkaard.

Mit Co-Trainer Johan Neskeens arbeitet er akribisch an seinem Werk, dreht jeden Stein um und hat dabei freie Hand: "Ich arbeite mit einem Vorstand zusammen, der morgens mit Galatasaray aufwacht und abends mit Galatasaray wieder einschläft. Sie denken perspektivisch und das ist wichtig für mich."

Stars begeistert vom Trainer

Kurz nachdem er bei Galatasaray vorgestellt wurde, verschwand Rijkaard für fast drei Wochen in die Heimat. Er ließ sich von sämtlichen Spielen der Vorsaison DVDs zuschicken, um sein neues Team kennenzulernen. Wenn Zeit blieb, sprach er mit Fußball-Chef Üstünel, der in dieser Zeit sogar bei den Rijkaards gewohnt haben soll, über neue Transfers.

Neues Spielsystem, neues Funktionsteam, die Jugendabteilung neu formiert - Rijkaard macht Ernst und hat Erfolg. "Wir glauben dem Trainer jedes Wort. Er ist ein Fachmann", sagt Kapitän Arda Turan über den Niederländer. "Es ist beeindruckend, wie er mit uns Spielern umgeht", so der Brasilianer Elano.

"Schwierige Rückrunde"

Sportlich könnte es dennoch besser laufen. Zwar liegt man in der Tabelle der Süper Lig auf Platz 2, ist in der Europa League in der Zwischenrunde und im türkischen Pokal so gut wie im Achtelfinale, aber die Auftritte - besonders in der zweiten Hälfte der Hinrunde - ließen zu wünschen übrig.

"Ich bin mit den Leistungen und dem Teamgedanken meiner Mannschaft sehr zufrieden. Dass ich mit den Ergebnissen nicht immer zufrieden sein konnte, ist klar. Wir haben wichtige Punkte verloren. Es wird eine schwierige Rückrunde, in der es um alles geht - gerade für uns", so Rijkaard.

Vorbild Cruyff

Die Ziele gehen dennoch weit darüber hinaus. Rijkaard sieht in Galatasaray nicht eine Zwischenstation, in der er, bevor es wieder zu einem Top-Klub geht, viele Millionen abschleppen kann. Das zumindest war durchaus ein Vorwurf von Kritikern. "Es wäre wunderbar, wenn wir das 'Galatasaray-System' entwickeln könnten", sagt er.

Als Vorbild dient ihm dabei sein Idol Johan Cruyff: "Als er Trainer von Ajax wurde, hatte er eine Strategie und hat an dieser auch festgehalten, als es nicht so gut lief. Dafür wurde er am Ende belohnt. Auch unser Vorstand will, dass wir eine Philosophie, einen eigenen Stil entwickeln. Das ist schön und dieses Ziel verfolgen wir gemeinsam."

Gerötete Augen, Müdigkeit, ergrautes Gesicht? Das war einmal.