Real Madrid unter Julen Lopetegui in der Krise: das sind die Hintergründe

Julen Lopetegui, Real Madrid
© getty

Real Madrid hat in den letzten vier Partien keinen Sieg mehr verbucht, darunter waren drei herbe Niederlagen. Der Klub scheint ohne Cristiano Ronaldo in der Krise. Wie steht es um Trainer Julen Lopetegui?

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Wenn Florentino Perez zum Essen einlädt, ist das nur selten ein gutes Zeichen. Glaubt man spanischen Medien, bat der eigenwillige Präsident Real Madrids kürzlich Julen Lopetegui zum Mahl: eine letzte Warnung soll die Botschaft des gemeinsamen Abends gewesen sein. Der Trainer ist nach vier Spielen ohne Sieg unter Druck.

Erinnerungen wurden kürzlich wach an Rafa Benitez, der hochmotiviert startete, aber schon zum Jahreswechsel vor die Tür gesetzt wurde. Auch Lopetegui startete hochmotiviert, blickt aktuell aber auf ganz schwere Tage zurück. Real verlor erst in der Champions League gegen ZSKA Moskau, jetzt gegen Deportivo Alaves. Tabellenrang vier, punktgleich mit RCD Espanyol und Alaves.

Das einzige Glück finden die Königlichen derzeit beim Blick auf die Tabelle, wenn sie auf den FC Barcelona sehen. Die Rivalen aus Katalonien ließen ebenfalls einige Punkte liegen, und auch der Tabellenführer aus Sevilla ist nur zwei Punkte entfernt. So groß ist die Krise also doch noch nicht.

Real Madrid plagt sich mit Verletzungen

Wohl aber liegt eine unheilvolle Stimmung über dem Santiago Bernabeu. Die Mannschaft von Lopetegui zeigt nach einem ordentlichen Saisonstart aktuell einige Probleme. Das letzte eigene Tor ist vier Spiele her, im gleichen Zeitraum setzte es satte fünf Gegentore. Die Offensive ungefährlich, die Defensive zu offen: das kennt man bei Real so nicht.

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Die Verletzungen von Isco und Marcelo bedeuteten einen harten Schlag für die Mannschaft, nun fällt auch Karim Benzema bis auf Weiteres aus. In diesen Momenten wird ganz besonders deutlich, wie dünn der Kader der Madrilenen geworden ist.

Das ist kein neues Problem, Real schwächelte zuletzt nicht umsonst stets auf lange Sicht in der Liga. Aber gerade dieses Problem hätte behoben werden können: Während acht Spieler des Kaders für den Ballon d'Or nominiert sind, finden sich für diese im Kader kaum Ersatz. Nacho ist kein Marcelo, Dani Ceballos kein Isco und Marco Asensio schon gar kein Cristiano Ronaldo.

Cristiano Ronaldos Abgang: Kein Torjäger bei Real Madrid

Ronaldo ist das nächste Stichwort in Sachen Kaderplanung. Ein echter Torjäger geht Real Madrid nach dem Wechsel des Portugiesen ab. Die Fußstapfen sind enorm und weder für Asensio, Karim Benzema, Neuzugang Mariano Diaz noch den eigentlichen Hoffnungsträger Gareth Bale aktuell auszufüllen.

Der Waliser gibt sich zwar redlich Mühe, hat es aber schwer, unter dem ballbesitzorientierten System von Lopetegui seine Stärken auszuspielen. Seine Mannschaft steht schon sehr hoch, der Raum zum Hineinstarten wird entsprechend immer kleiner und Bale kann sein enormes Tempo nur selten zum Einsatz bringen.

Das macht die Königlichen aktuell auffällig ungefährlich. Ein gutes Mittelfeldpressing wie das von Deportivo Alaves vom Wochenende reicht aus, um Real weitestgehend im mittleren Drittel zu neutralisieren und zu langen Bällen zu zwingen. Das Zentrum wird nicht ausreichend geöffnet, die Verbindungen zwischen Abwehr und Angriff reißen immer wieder ab.

Ergebnisse und anstehende Partien von Real Madrid

DatumGegnerErgebnis
22. SeptemberRCD Espanyol1:0
26. SeptemberFC Sevilla0:3
29. SeptemberAtletico Madrid0:0
2. OktoberZSKA Moskau0:1
6. OktoberDeportivo Alaves0:1
20. OktoberUD Levante-:-
23. OktoberViktoria Pilsen-:-
28. OktoberFC Barcelona-:-
3. NovemberReal Valladolid-:-
7. NovemberViktoria Pilsen-:-

Taktische Probleme und Unkonzentriertheiten

Ein strategisches Problem, das seine Ursprünge aber sicherlich auch in der Kaderplanung hat. Das Mittelfeld ist in der Breite nicht ausreichend besetzt für den Fußball von Lopetegui. Noch sucht der ehemalige Nationaltrainer Spaniens nach der richtigen Formel. Dass dazu noch Patzer in der Defensive kommen, verschärft die Situation.

Real ist, das war auch schon in den letzten Jahren so, im Umschaltmoment angreifbar. Dann passieren den Verteidigern leichte Fehler, Unkonzentriertheiten werden sofort mit Gegentoren bestraft. Auch Keeper Thibaut Courtois konnte sich hier bislang nicht als ein deutliches Upgrade zu Keylor Navas präsentieren.

"Das Team versucht die Dinge so umzusetzen, wie wir sie planen. Aber manchmal funktionieren die Dinge eben nicht", versuchte sich Lopetegui an einer Erklärung. Verbesserungspotenzial ist ohne Frage vorhanden, zumal am 28. Oktober (16.15 Uhr live auf DAZN) der Clasico gegen den FC Barcelona steigt.

Lopetegui zweifelt "mentalen Zustand" an

Die Länderspielpause wird für den Trainer damit zu Fluch und Segen zugleich. Einerseits muss er dringend an den Abläufen arbeiten, während seine Stars rund um die Welt reisen; andererseits gibt sie auch Gelegenheit, den Kopf nach letzten Rückschlägen frei zu kriegen. Der "mentale Zustand" der Mannschaft ist laut Lopetegui aktuell alles andere als gut.

Die Stars richten zwar regelmäßig den Blick nach vorne, die Krise nagt aber sichtbar an ihrer Leistung. "Es wird eine tolle Herausforderung, wieder aufzustehen", schrieb Toni Kroos bei Twitter. So richtig glauben wird er das selbst nicht, Real befindet sich in einer ganz schweren Phase.

Noch ist aber, das dürfte letztlich auch entscheidend sein, nichts verloren. Barca ist ebenso einholbar wie Atletico Madrid oder Sevilla. In der Champions League siegte Real immerhin gegen die Roma klar mit 3:0. "Es ist erst Oktober", sagte Lopetegui. Selbst Benitez hat von Perez Zeit bis Januar bekommen - und übrigens auch kein Essen mit letzter Warnung.

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