Casemiro bei Real Madrid vor dem Clasico gegen Barca: Der steinige Weg zum Weltstar

Von Oliver Maywurm
Von der zweiten Mannschaft zum unangefochtenen Stammspieler: Casemiro ist bei den Königlichen mittlerweile gesetzt und im Clasico am Sonntag ein Schlüsselspieler.
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Casemiro: Mit Lucas Moura bei U15-Turnier für Furore gesorgt

Wie so oft in seinem Leben biss sich Casemiro durch, blieb geduldig, blieb hartnäckig. Die Hepatitis-Erkrankung hinter sich gelassen, avancierte er nach und nach zu einem wichtigen Teil seines Jugendteams bei Sao Paulo. Mit der U15 machte er 2007 erstmals weltweit auf sich aufmerksam, führte seine Mannschaft, zu der seinerzeit unter anderem der heutige Tottenham-Star Lucas Moura gehörte, beim Nike Cup im Old Trafford in Manchester bis ins Finale.

Sao Paulo war das wohl aufregendste Team des extrem gut besetzten Jugendturniers, verlor das Endspiel gegen den Nachwuchs des FC Barcelona - angeführt von Sergi Roberto - aber knapp mit 0:1. "Wir hatten das Halbfinale gegen Schalke 04 gewonnen und bestellten Pizza, um mit den Kids den Einzug ins Endspiel zu feiern", erinnert sich Trainer Petri.

Nachdem man dort gegen Barca unterlegen hatte, war die Stimmung auf dem Rückflug nach Brasilien dennoch prächtig, die Freude über das Erreichen des zweiten Platzes überwog. Nur bei Casemiro nicht. "Ich fragte ihn: 'Warum guckst du so traurig? Wir sind Zweiter geworden, es gibt keinen Grund dafür'. Und er antwortete: 'Ich bin enttäuscht, weil ich glaube, dass wir vor dem Finale keine Pizza hätten essen sollen'. Ich erinnere mich noch heute gut daran, weil es seine Persönlichkeit so schön widerspiegelt und zeigt, wie sehr er diesen Teamgedanken schon in jungen Jahren verinnerlicht hatte."

Casemiros erstes Leistungstief: Die Legende von "Casemarra"

Nur wenig später, mit 16, erhielt Casemiro bei Sao Paulo seinen ersten Vertrag, kaufte von dem Geld nicht nur den kompletten Yakult-Vorrat eines Supermarktes leer, sondern auch ein neues Haus für seine Mutter. Er wurde brasilianischer Junioren-Nationalspieler, debütierte mit 18 schließlich für Sao Paulos Profis in der ersten Liga.

Mit versehentlich falsch aufgedrucktem Namen auf dem Trikot, denn eigentlich heißt Casemiro Casimiro, genauer gesagt Carlos Henrique Casimiro. Aber sei es drum, e oder i: Er nahm fortan trotzdem einfach die falsche Version, es störte ihn nicht. Denn der Traum, den er schon so lange hegte, vom besseren Leben für ihn und seine Familie, er schien erfüllt.

Doch das nächste Tal auf Casemiros Route hin zum Gipfel, es wartete schon. Als Teenager plötzlich im Rampenlicht, baute er nach ordentlicher erster Profisaison ab, machte sich angreifbar für jene, die ihm unterstellten, den Fokus zu verlieren, sich mehr auf schnelle Autos und hübsche Mädchen als auf Fußball zu konzentrieren.

Seine schüchterne, ja mitunter sozialphobisch anmutende Art wurde ihm zum Verhängnis. Wenn er an Autogrammjägern wortlos vorbeiging, weil ihm die Aufmerksamkeit unangenehm war, legte man ihm das als Arroganz aus. Mit "Casemarra" ("marra" bedeutet im Portugiesischen "arrogant", d. Red.) wurde ihm sogar ein entsprechender Spitzname verpasst.

Ex-Coach über Casemiro: "Das wurde als Arroganz missinterpretiert"

Ney Franco, ehemaliger U20-Nationalcoach Brasiliens und 2011 mit einem Team um Casemiro herum U20-Weltmeister, erklärte das Dilemma wiefolgt: "Bei der U20 schien er sich wohler zu fühlen, redete in der Kabine, war respektiert. Bei Sao Paulo hingegen - vielleicht, weil dort auch ältere Spieler waren - gab er sich reserviert, sehr introvertiert. Aber ich würde das niemals arrogant nennen. Er war nur einfach sehr schüchtern in vielen Momenten, das wurde als Arroganz missinterpretiert."

Aber Casemiro traf inmitten all jener falscher Auslegungen auch selbst schlechte Entscheidungen. Das Fass lief über, als er sich öffentlich darüber beschwerte, dass sein Kumpel Lucas Moura eine Gehaltserhöhung bekam und er nicht. "Welche Titel hat er gewonnen, die ich nicht gewonnen habe?", fragte er damals in einem Interview mit ESPN Brazil . Sao Paulos Verantwortliche waren sauer, sportlich lief es immer schlechter - statt aufstrebendes Juwel war Casemiro plötzlich der aufmüpfige Möchtegern-Star, pendelte meist zwischen Bank und Tribüne, spielte kaum noch von Beginn an.

Für Real Madrid letztlich ein glücklicher Umstand. Denn - vor allem ob seiner Leistungen für Brasiliens U20 - Casemiro war weiterhin ein begehrtes Talent im Weltfußball. Und weil Sao Paulo beinahe froh war, Casemiro loszuwerden, mussten die Königlichen 2013 nur schlappe sechs Millionen Euro für den seinerzeit 21-Jährigen hinlegen.

Casemiros Statistiken bei Sao Paulo, Porto und Real Madrid

VereinSpieleToreTorvorlagen
Real Madrid1641412
FC Porto4143
Real Madrid Castilla151-
FC Sao Paulo6668

Der Rest der Geschichte ist mehr oder weniger bekannt. Der schnelle Durchbruch in Madrid gelang nicht, erst ein Jahr beim FC Porto unter dem heutigen Real-Coach Julen Lopetegui ließ Casemiro vollständig reifen. Um bereit zu sein, der Weltklassespieler zu werden, der er mittlerweile längst ist. Der jede Stufe auf der Karriereleiter mit Herzblut und Beharrlichkeit erklimmen musste. Stufen, so bröckelig, hart und an manchen Stellen schmutzig wie die Treppen damals in seinem Viertel in Sao Jose dos Campos. Die er hinaufstieg, um die Yakult-Verkäuferin abzupassen.

Mit dem Unterschied, dass er heute bekommt, was er will. Und die Zeiten, in denen 20 Cent für einen Joghurtdrink nicht drin waren, ganz weit weg erscheinen.

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