Ein Nationentrio schnell wie der Blitz

Von Benno Seelhöfer
Yannick Ferreira Carrasco beweist derzeit, dass er das nötige Potenzial hat, ein richtig Großer zu werden
© getty

Das Derbi Madrileno (Sa. 20.45 live auf DAZN und im LIVETICKER) steht vor der Tür. Das Match ist gespickt mit einer Auswahl der größten Superstars, Cristiano Ronaldo und Antoine Griezmann zum Beispiel. Doch in letzter Zeit hat ein belgischer Youngster zunehmend auf sich aufmerksam gemacht. Und ist dabei, anderen den Rang abzulaufen?

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Ein unwiderstehlicher Antritt. Ein unhaltbarer Schuss an den Innenpfosten. Der Ball zappelt im Netz. Das Vicente Calderon bebt und die Bayern können nur noch staunen. Wer ist dieser Mann, der nicht nur die Münchener Verteidiger wie Anfänger stehen ließ, sondern auch noch Atleticos Sieg in der Gruppenphase gegen den deutschen Rekordmeister besiegelte? Sein Name: Yannick Ferreira Carrasco.

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Der in Belgien geborene 23-jährige Sohn eines portugiesischen Vaters und einer spanischen Mutter hat sich früh in das Gedächtnis der deutschen Fußballfans gespielt. Aber dieser magische Moment ist ihm natürlich nicht einfach in den Schoß gefallen. Begonnen hat der steile Aufstieg Carrascos in der zweiten französischen Liga, in der Monaco 2012 noch seine Kreise zog.

Schon früh deutete sich das enorme Potenzial des Außenstürmers an. Mit zwölf Scorerpunkten hatte der damals 19-Jährige maßgeblichen Anteil am Aufstieg. Nachdem ihn anschließend Verletzungen und Systemumstellungen aus der Bahn warfen, meldete sich Carrasco in der Saison 2014/15 zurück. Und wie. In 36 Ligue-1-Matches markierte er 16 Scorerpunkte und traf auch in der Champions League gegen den FC Arsenal.

Wechsel zu Atletico

Wie in der Welt des Fußballs üblich, lag der nächste Schritt für Yannick Carrasco auf der Hand. Tempo, Dribblings, Abschluss: Alle diese Fähigkeiten blieben den europäischen Top-Klubs nicht verborgen. So sagte Arsene Wenger 2014 über Monaco: "Ich habe sie gegen Lyon beobachtet. Sie sind ein harter Gegner und in großartiger körperlicher Verfassung. Carrasco hat mich richtig beeindruckt."

Den Zuschlag erhielt aber ein spanischer Klub. Atletico sicherte sich ab der folgenden Saison die Dienste des Belgiers. Den meisten Experten erschien das logisch, zumal durch Arda Turans Abgang nach Barcelona schließlich ein Platz auf den Flügeln frei wurde. Carrasco konnte das aber in der Form nicht nachvollziehen. "Ich bin nicht hierhergekommen, um Arda Turan zu ersetzen. Ich bin ein schneller Spieler, der es mag, auf dem linken Flügel zu spielen." Auch habe Diego Simeone ihm gesagt, dass er vor allem seine Durchsetzungsfähigkeit im Eins-gegen-Eins sehr schätze. Besser lassen sich die Qualitäten nicht beschreiben.

Stärken und Schwächen

Sein Spielstil geht mit diesen Beschreibungen vollkommen konform. Carrasco ist ein unberechenbarer Außenstürmer, der mit seinen Dribblings den Gegnern Knoten in die Beine spielen und gefährliche Flanken schlagen kann. Doch wenn er mit seinem starken rechten Fuß über den linken Flügel kommt, ist ebenso ein enormer Zug zum Tor die logische Konsequenz.

Der Youngster hat folglich die Anlagen zum Prototyp des klassischen Außenstürmers. Und genau in dieser Manier erzielt er seine Tore. Nicht nur das gegen die Bayern. Ende Oktober traf Carrasco gegen den FC Malaga gleich doppelt. Und seine Tore in dem Spiel erinnern allesamt stark an das eine, das die Bayern erschütterte. Dynamische Dribblings, in denen er seine Gegenspieler stehen ließ, gingen gezielten Flachschüssen ins lange Eck voraus.

Ganz so typisch für einen Außenstürmer sind seine Auftritte dann aber doch nicht. Diego Simeone lässt seine Mannschaft nicht im für Carrascos eigentliche Position perfekt zugeschnittenen 4-3-3 auflaufen, das er noch aus Monaco gewohnt war. In der Regel spielen die Rojiblancos ein 4-4-2 mit einer flachen Doppel-Sechs, was den klassischen Außenstürmer zumindest auf dem Papier eine Position nach hinten beordert. Doch angesichts seiner zehn Scorerpunkte in 15 Pflichtspielen in dieser Saison scheint das Carrascos Offensivpower nicht einzuschränken.

Die Konstanz fehlt

Bei allem Talent, das er zweifellos besitzt, muss er allerdings noch hart arbeiten, um zu den ganz Großen des Geschäfts aufschließen zu können. Auch wenn er gegen die Bayern mit links traf, vernachlässigt er diesen Fuß augenscheinlich und ist insgesamt ein klassischer Rechtsfuß. Des Weiteren ist er in der einen oder anderen Situation, in der ein Pass die bessere Lösung wäre, noch zu ballverliebt, wählt das Dribbling und möchte mit dem Kopf durch die Wand.

Obendrein kommt, dass Carrasco seine insgesamt sieben Pflichtspieltore diese Saison in nur vier Spielen schoss und das obwohl er bei Atletico als Stammspieler gilt. Konstanz ist das Stichwort, das Carrasco noch vermehrt in die Tat umsetzen muss. Als Ausgleich neigt er aber dazu, wenn er denn trifft, die wichtigen Tore zu erzielen. Gleich dreimal erzielte er das 1:0 in einem Spiel und gegen Granada drehte er den 1:0-Rückstand mit einem Dreierpack im Alleingang, leitete so den Kantersieg ein.

Wohin soll es noch gehen?

Seinen Weg in die belgische Nationalmannschaft hat Carrasco, natürlich, schon lange gefunden: Bei der EM durfte er vier Mal ran und erzielte in insgesamt 15 Spielen vier Tore. Bei gerade einmal 23 Jahren ist sein Entwicklungspotenzial noch lange nicht vollends ausgeschöpft. Ein Ende? Nicht in Sicht.

Die Rojiblancos haben daher schon einmal vorgesorgt. Ende Oktober haben sie den Vertrag des Außenstürmers aufgrund dessen starker Leistungen vorzeitig bis 2022 verlängert. Die Ausstiegsklausel wurde laut der Marca im Zuge dessen gleich von 40 auf 100 Millionen Euro erhöht. Die circa 15 Millionen Euro, die Atletico 2015 nach Monaco überwies, wirken dagegen geradezu lächerlich.

Nicht nur wegen dieser Wertsteigerung befindet sich Yannick Ferreira Carrasco derzeit eindeutig auf dem Vormarsch und ist im Moment einfach nicht aufzuhalten. Nicht von der Bayern-Abwehr. Nicht vom Innenpfosten. Und vielleicht auch nicht von Real Madrid?

Yannick Carrasco im Steckbrief