Vergötterung ist das Mindeste

Cristiano Ronaldo wechselte 2009 von Manchester United zu Real Madrid
© getty

Cristiano Ronaldo hat auch in dieser Saison bereits unterstrichen, dass seine dreifache Wahl zum Weltfußballer des Jahres nicht nur auf Sympathien beruht. Neben wahnsinnigen Trefferquoten hat der Portugiese schon wieder unzählige Rekorde aufgestellt. Doch Ronaldo ist auch als Person gereift, ohne seine Grundzüge zu verändern. Er hat sich zum perfekten Produkt entwickelt - in vielerlei Hinsicht.

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Mit großen Augen blickte der kleine Junge zu seinem Idol auf der Bühne auf und stellte dann eine so einfache wie geniale Frage: "Wie kann ich eines Tages so gut werden wie du?" Der Mann auf der Bühne grinste kurz, legte dem Jungen seine Hand auf die Schulter und antwortete: "Bleib bescheiden." Es war Cristiano Ronaldo.

Diese bescheidenen Worte aus dem Mund des dreifachen Weltfußballers zu hören, mutet im ersten Moment sarkastisch an. Schließlich ist Bescheidenheit nicht allzu oft das erste Schlagwort, das man mit Real Madrids Superstar in Verbindung bringt.

Dabei ist Ronaldos Statement alles andere als eine Farce. Zwar ist er unbestritten eitel, die Haupteigenschaft, die ihm häufig als Arroganz ausgelegt wird, ist in erster Linie aber Selbstvertrauen, welches ihm keineswegs in die Wiege gelegt wurde. Er hat es sich in unzähligen Trainings-Überstunden erarbeitet - über Jahre hinweg.

Torrekorde und Wahnsinns-Quoten

Seit Jahren ist das Ergebnis der täglichen Maloche auf dem Platz zu sehen, in Erzählungen zu hören, in Statistik- und nicht zuletzt Geschichtsbüchern nachzulesen. Seine Torquote ist ungeheuerlich. Wahnsinnige 232 Treffer hat der mittlerweile 30-Jährige in 208 Spielen in der Primera Division geschossen. Das entspricht einer Quote von 1,12 Toren pro Partie. Kein anderer Spieler in den Top 50 der Ewigen Torjägerliste hat in Spanien eine annähernd so hohe Frequenz.

In dieser Rangliste hat sich CR7 binnen sechs Jahren schon auf Platz vier geballert. Wäre Lionel Messi (289 Tore in 321 Spielen) nicht, könnte man Rang eins getrost für Ronaldo vormerken. Doch CR7 ist nicht nur der beste Liga-Torschütze der königlichen Vereinsgeschichte (den vorherigen Rekordhalter Raul löste er im September mit einem Fünferpack gegen Espanyol ab), auch wettbewerbsübergreifend hat er sich mit aktuell 324 Toren bereits verewigt. Spätestens seit seinem Treffer beim 3:0 über Levante am 8. Spieltag der aktuellen Saison ist er der Real-Rekordhalter schlechthin.

Dass er beim CL-Spiel in Malmö mit seinem 500. Karrieretor zuletzt einen weiteren Meilenstein erreichte und im Anschluss von Präsident Florentino Perez mit einer Trophäe ausgezeichnet wurde, nahm er eher beiläufig zur Kenntnis: "Ich möchte mich bei meinen Teamkollegen bedanken, ohne sie und auch meine Trainer hätte ich es nicht schaffen können", lautete die formelle Dankesrede. Dass er den größten Dank innerlich an seinen eigenen Ehrgeiz aussprach, versuchte er zu kaschieren. Gemerkt hat es dennoch jeder.

Gewollte Theatralik - na und?

Nicht erst seit seinem Wechsel hat der einst als weinerlich und nervenschwach verschriene Portugiese seine Qualitäten unter Beweis gestellt. Theatralisch inszenierte Freistöße und Tempodribblings, wuchtige Kopfbälle, Kaltschnäuzigkeit und Kompromisslosigkeit vor dem Tor: Ronaldo beherrscht so viele Facetten perfekt.

"Ich liebe es, ein Tor zu schießen. Für mich ist es das schönste Gefühl der Welt. Egal ob es ein Schuss aus der Nähe, ein Weitschuss oder ein Treffer ist, vor dem ich erst mehrere Spieler ausdribbeln muss. Ich liebe es, auf alle Arten zu treffen", erklärte der Stürmer schon während seiner Zeit bei den Red Devils.

Schaut man sich die Statistiken an, muss man ihm beipflichten: Von seinen ersten 500 Karriere-Toren erzielte er 326 mit dem rechten Fuß, 89 mit dem linken und 83 mit dem Kopf. Nur zwei drückte er aus naher Distanz mit einem anderen Körperteil über die Linie. Er liefert - schon seitdem er Profi ist.

Und dennoch: Den Beweis, sich dauerhaft zum Weltbesten entwickelt zu haben, ist er erst in Madrid angetreten. Im Estadio Santiago Bernabeu hat der mitunter zimperliche Schönling seine Reifeprüfung abgelegt, nicht zuletzt mit dem Gewinn von La Decima. Die Beständigkeit und Zuverlässigkeit seiner Trefferserien suchen ihresgleichen.

Dass die Theatralik nach wie vor essenzieller - und gewollter - Bestandteil seines Spiels ist, schmälert nicht die Tatsache, dass Ronaldo auf dem Platz unglaubliche Eleganz und Überlegenheit ausstrahlt. Welcher Verein könnte da besser zu ihm passen als Real Madrid, das genau dieses Selbstverständnis aufweist?

Immerwährendes Duell mit Messi

In seiner ersten Saison in Madrid erzielte Ronaldo 33 Pflichtspieltore - allein auf Vereinsebene. In den darauf folgenden Spielzeiten lag die Ausbeute immer zwischen 51 und 61 - eine surreale Statistik, bedenkt man zudem, dass er von Pellegrini, Mourinho, Ancelotti und Benitez jeweils immer wieder in neue Rollen gesteckt wurde.

Angestachelt wurde der Madeirer seit seiner Ankunft in Spanien vom Duell mit Lionel Messi - ein bis heute andauernder Zweikampf um den Titel "Bester Fußballer der Welt". Seinen Anfang hatte die Rivalität im CL-Finale 2009, als Ronaldos United beim 0:2 gegen Barca weitestgehend chancenlos war. Die beiden Kontrahenten bildeten das perfekte Gegensatzpaar, sodass es den Medien ein Leichtes war, daraus das wohl brisanteste Privatduell der vergangenen Jahre zu stricken.

Während Messi neben seinen individuellen Fähigkeiten stets auch als Teamplayer glänzte und als bodenständig galt, eignete sich Ronaldo früh das Image des Egomanen an. Eine vergebene Torchance stößt ihm ebenso negativ auf wie der nicht gespielte Pass eines Mitspielers. Und dennoch: Der Torjäger ist der Prototyp einer Fußball-Maschine. Auf individueller Ebene überflügelt ihn niemand.

Das perfekt vermarktete Produkt

Es gibt viele Stars, denen man die Phrase "Entweder man liebt ihn oder man hasst ihn" anheftet. Meist trifft diese Aussage jedoch nur auf Kennerkreise zu - auf Personen, die mit der Thematik vertraut sind und zumindest ein vages Bild vom Betroffenen haben. So kommt es, dass selbst der polarisierende Zlatan Ibrahimovic neben Bewunderung und Hass auch Gleichgültigkeit erfährt.

Bei Ronaldo ist das anders: Jeder hat eine Meinung zu CR7, selbst diejenigen, die rein gar keine Berührungspunkte mit der Fußballwelt haben. Er provoziert nicht nur mit seiner Art, Fußball zu spielen, sondern alleine schon durch sein äußeres Erscheinungsbild: Durch Style, Mimik, Gestik und nicht zuletzt durch seine Sprüche.

Ronaldo ist eine Werbe-Ikone. Mehr als das: Er ist Designer, Schauspieler, Testimonial - ein Markenprophet. Die Art und Weise, wie man es schaffte, CR7 zu einem Produkt zu entwickeln, hält als Prototyp für jede Werbeagentur her. Nike machte mit der Vertragsunterschrift des Portugiesen womöglich den größten Sport-Deal aller Zeiten. Ronaldo spricht nicht nur über die Marke, er prägt und verändert sie maßgeblich als Persönlichkeit. Es ist die perfekte Fusion: Der Konsument kann Nike und Ronaldo nicht mehr trennen.

Ein Film, der die Extreme weiter auseinanderreißt

So wundert es auch kaum, dass sich der britische Regisseur Anthony Wonke dazu entschloss, den Werdegang des begehrtesten Fußballers der Welt zu verfilmen. Über 14 Monate lang begleitete und filmte er Ronaldo bei allen möglichen Lebenssituationen, dem Trailer zufolge sogar bis unter die Dusche.

Dass hinter der Verfilmung kein billiger Werbegag, sondern erneut ein globales Finanzprojekt steckt, zeigt allein die Tatsache, dass die Dokumentation von Universal vertrieben wird - einem der größten Filmstudios der Welt.

Es bedarf keiner hellseherischen Kräfte, um vorauszusagen, dass auch diese Bewegtbild-Doku Millionen einspielen und die Extreme Hass und Vergötterung noch weiter auseinanderreißen wird. Doch genau das will der Weltfußballer auch erreichen. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

Vergötterung ist das Mindeste

Ronaldo nervt. Zu diesem Urteil kann jeder kommen, der seine Schwierigkeiten mit eitlen Selbstdarstellern hat. Dabei hat sich der womöglich vollkommenste Angreifer der Welt den Respekt aller verdient - sportlich, wohlgemerkt.

Dass er niemals Everybody's Darling sein wird, weiß er. Für dieses Image hat er sich bewusst entschieden. "Ich liebe es, wenn Leute mich verhöhnen. Ich liebe es, den Hass in ihren Augen zu sehen, die Beleidigungen zu hören. Es macht mir nichts aus", sagte er einst. Es ist einer dieser Faktoren, der ihn grundlegend von Messi unterscheidet und der dieses Gegensatz-Spiel mit seinem größten Konkurrenten erst ermöglicht.

Ronaldo will es so - Aufmerksamkeit und Trubel spornen ihn an. Und er hat über Jahre bewiesen, dass er den für ihn wirksamsten Weg eingeschlagen hat. All das bringt der Superstar in einem Satz zum Ausdruck: "Ich wurde gemacht, um der Beste zu sein."

Vergötterung ist für ihn das Mindeste. Und er selbst ist sein größter Fan. Dass sich zwischen den Zeilen nach wie vor auch Bescheidenheit finden lässt, sehen die Wenigsten. Genau darin zeigt sich aber die Genialität der Vermarktung des Produkts CR7.

Cristiano Ronaldo im Steckbrief

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