Ein Klub schlimmer als jeder andere

Josep Maria Bartomeu ist fortan bestätigter Präsident des FC Barcelona
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Die Fans des FC Barcelona haben sich für Josep Maria Bartomeu entschieden. Der neue Barca-Präsident wird für sechs Jahre den Verein leiten, die Cules haben eine große Chance ausgelassen zu beweisen, dass das Motto "Mes Que un Club" noch gilt. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Ben Barthmann.

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Am späten Samstagabend wurde Gewissheit, was lange ein offenes Geheimnis war. Josep Maria Bartomeu wurde in seinem Amt bestätigt und wird auch in den nächsten sechs Jahren die Geschicke des FC Barcelona lenken.

Aus dem ungewählten, von Sandro Rosell eingesetzten Präsidenten, ist damit der offizielle Leiter des Projekts Barca geworden. Von den Fans in sein Amt erhoben, bestätigt und mit aller Rückendeckung ausgestattet. 54,63 Prozent aller Stimmen sammelte Bartomeu und wäre damit selbst bei einem - nur theoretischen - Zusammenschluss seiner drei Gegner noch immer vorne gelegen.

Die Tragweite dieser Wahl wird außerhalb Spaniens oft verkannt. Es wurde nicht über einen Mann abgestimmt, der fortan Entscheidungen abnickt und Hände schüttelt, es wurde über die Zukunft des Klubs abgestimmt. Über die Orientierung des Klubs, die sportliche Zukunft, ein neues Stadion, La Masia, den Werdegang der weiteren Sparten des Vereins und sogar deren Existenz.

Die Cules haben sich für eine Zukunft entschieden und die dreht sich fortan um die Renovierung des Camp Nou, Katar auf der Brust und wirtschaftliche Optimierung bis in den letzten Winkel. "Herzlichen Glückwunsch an alle Mitglieder des Klubs. Wir haben ein Beispiel für Demokratie gesetzt. Wir sind mehr als ein Klub", twitterte Gewinner Bartomeu glücklich.

Mes Que un Club

Da mag man dem neuen Präsidenten nicht widersprechen. Die Demokratie hat gesiegt. Sie hat über ein Motto gesiegt, das so alt ist wie der Klub selbst. Barca war immer mehr als ein Klub. Schon bei der Gründung wurde mit dem Namen Futbol Club Barcelona eine klare Differenzierung vorgenommen vom spanischen Club Futbol.

Die Kandidaten auf das Barca-Präsidentschaftsamt

Während der Franco-Diktatur wurde das Camp Nou zur heimlichen Heimat der Katalanen, Barca war immer der politische Gegenpol zu Real Madrid. Nicht immer sauber und edel und bei weitem nicht über jeden Zweifel erhaben. Aber ein katalanisches - nein, nicht ein, sondern das katalanische Aushängeschild.

Ein ehrlicher Klub, der bisweilen auch mal rumpelte, aber immer für jeden und alles eine offene Tür besaß. Ein Klub, der ein Kinderhilfswerk mit Trikotwerbung unterstützte. Ein Klub, der dauerhaft zur Weltspitze gehörte und dabei einen Großteil seiner Spieler aus der eigenen Jugend rekrutierte.

Weg von der Romantik

Der Fußball ist in all dieser Zeit nie stehen geblieben, aber Barcelona blieb doch immer ein Rückzugsort für die Romantiker. Mit Sandro Rosell und nun Josep Maria Bartomeu ist nun aber jegliche noch so kleine Romantik verschwunden.

Der Klub steht auf wirtschaftlich stabilen Beinen, das kann man ihnen bei weitem nicht vorwerfen. Die erste Mannschaft ist erfolgreich wie nie zuvor, das Triple in dieser Saison ist genug der Beweisführung. Aber wohin ist all der Rest verschwunden? Eine englische Choreographie im Stadion gab es erstmals in diesem Jahr, Bartomeu will unabhängig von der Politik sein und nichts wissen von der katalanischen Unabhängigkeit.

Barca: Innerlich zerfressen

Das Camp Nou soll für 600 Millionen Euro um- und ausgebaut werden, gleichzeitig wird es immer schwieriger, Mitglied des Vereins zu werden. In seiner sportlichen Höchstzeit verliert der FC Barcelona massiv an Mitgliedern, erhält eine Transfersperre aufgrund klarer Verstöße gegen die FIFA-Transferrichtlinien und schiebt UNICEF von der Brust auf den unteren Rücken.

Für was? Für Geld, für ein Land wie Katar, in dem jeden Tag gegen Menschenrechte verstoßen wird. Ein Land, das sich mit aller Macht in den Weltsport einkauft und dafür wortwörtlich über Leichen geht. Der Neymar-Transfer mit all seinen Wirrungen und Fragezeichen ist dagegen nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Ein Klub wie jeder andere

Im Kragen des ersten quergestreiften Trikots der Vereinsgeschichte wird auch nächste Saison "Mes Que Un Club" stehen. Vielleicht sollte man es umschreiben. "Ein Klub wie jeder andere" oder vielleicht sogar "Ein Klub schlimmer als andere". Nur eines steht dem im Weg. Die Demokratie.

Die Fans haben sich dazu entschieden, Bartomeu einzusetzen. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben. Joan Laporta, der mit seinem Wahlprogramm die alte Romantik zurückgebracht hätte oder Agusti Benedito, der mit einem über vier Jahre ausgearbeiteten Plan aufwartete und sogar einen alternativen Trikotsponsor präsentierte, der jährlich mehr Gelder gezahlt hätte als Qatar Airways.

Bei der drittgrößten Wahlbeteiligung in der Geschichte des Vereins blieb aber die Mehrzahl auf Seiten Bartomeus. Ausgerechnet die älteren Fans, so ergaben erste Umfragen, hielten dem Rosell-Nachfolger die Stange. Das Triple dürfte einen ebenso großen Anteil geleistet haben wie die Lokalmedien, die sich ganz offen auf die Seite Bartomeus schlugen.

Letztlich hat er die Wahlen gewonnen. Jede Entscheidung, die er in seinen sechs Jahren treffen wird, ist eine Entscheidung der Fans. Es wäre zu verhindern gewesen. Somit gilt nun eben für die nächsten Titelfeiern nicht mehr der Satz "Visca Barca i visca Catalunya" (Es lebe Barca und es lebe Katalonien) sondern vielleicht eher "Visca Barca i visca Qatar."

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