Macht, Geld und Enttäuschung

Von Adrian Franke
Verlässt mit Sergio Ramos eine Klub-Legende die Königlichen?
© getty

Noch vor wenigen Wochen schien ein Abgang von Sergio Ramos bei Real Madrid komplett undenkbar. Der Spanier ist nicht nur einer der besten Abwehrspieler Europas, er ist eine Klub-Ikone und absolute Identifikationsfigur, mit den Königlichen hat er alles gewonnen. Doch die Zeichen stehen plötzlich auf Abschied - und es scheint mehr dahinter zu stecken, als nur der schnöde Mammon.

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"Ich bin immer ganz ruhig." Mehr als diese viel- und gleichzeitig nichtssagende Antwort war Sergio Ramos nicht zu entlocken, als ihn ein Marca-Reporter am Montag auf der Straße in Madrid zu den Wechselgerüchten um seine Person befragte.

Ein Dementi klingt zweifelsohne anders. Und so darf Ramos' schmallippige Reaktion getrost als weiterer Indiz für den Tenor der vergangenen Tage gedeutet werden: Zwischen Reals bestem Abwehrspieler und den Klubbossen stimmt etwas ganz gewaltig nicht.

Das Ende einer Ära?

Gerade einmal gut zwei Monate ist es her, als sich Real auf die Wiederauflage des Vorjahres-CL-Finals vorbereitete, im Viertelfinale der Königsklasse wartete Atletico Madrid. Wer dem sichtlich stolzen Ramos im Vorfeld zuhörte, hätte wohl kaum auch nur einen Cent auf einen Abgang des Abwehrmannes im Sommer gesetzt.

"Ich bin seit zehn Jahren bei Real und als einer der Kapitäne weiß ich, dass ich eine Verantwortung gegenüber den anderen Spielern habe", ließ Ramos da etwa verlauten und fügte hinzu: "Es ist ein Privileg, den besten Klub der Welt zu repräsentieren. Für mich ist es eine Freude, die Chance zu haben, die Werte des Klubs zu vermitteln. Wenn die hier irgendwer kennt, dann sind es Iker und ich."

Doch zwei Monate später sieht das Bild komplett anders aus, in der Literatur würde man wohl eine epische Vorausdeutung unterstellen. Kapitän und Torwart Iker Casillas steht scheinbar vor dem Abgang, Real intensiviert seine Bemühungen um Manchester Uniteds David De Gea, Bernd Leno ist angeblich Plan B. Und zusammen mit dem plötzlich durchaus vorstellbaren Abgang von Sergio Ramos könnte in Madrid wahrhaftig eine Ära enden.

Das ominöse Barca-Gerücht

Wirklich publik wurde der Gedanke eines Ramos-Abgangs in der vergangenen Woche. Jordi Majo, der neben Jordi Bartomeu und Joan Laporta für das Präsidentenamt des FC Barcelona kandidiert, enthüllte, dass Ramos ihm vor einem halben Jahr angeboten worden war.

Direkt danach fügte er hinzu: "Wenn er einem anderen Kandidaten angeboten worden ist und er das akzeptiert hat, ist es seine Sache. Wir haben das aber von vornherein komplett ausgeschlossen." Welche Absichten Majo letztlich auch verfolgt haben mag - die Saat für Spekulationen und Gerüchte war gesät.

Ramos' Berater und Bruder Rene stellte prompt klar, dass Majo wohl nur einen Moment im Rampenlicht haben wollte und der Abwehrmann "niemals für Barca spielen" werde. Tage später kam heraus, dass Ramos selbst alles andere als glücklich darüber war, dass sich Real zu den Meldungen nicht eindeutig geäußert hatte. Doch zu dem Zeitpunkt war das nur ein weiterer Mosaikstein der Wechselspekulationen.

Es geht um Geld und Macht

Vielmehr prägte schnell die Debatte um das Geld die Schlagzeilen. Der Welt- und Europameister ist angeblich verärgert darüber, dass Real seinen 2017 auslaufenden Vertrag nicht vorzeitig zu verbesserten Bezügen verlängert hat. Ramos verdient Berichten zufolge rund sechs Millionen Euro im Jahr und damit deutlich weniger als die Teamkollegen James Rodriguez, Karim Benzema oder Gareth Bale - alle liegen etwa bei je zehn Millionen.

Die Wertschätzung eines Klubs an einen Spieler wird im Fußball allerdings nach wie vor primär über den Gehaltsscheck gemessen, vor allem aus der Sicht der Profis. So kam es am Montag zur Krisensitzung mit Generaldirektor Jose Angel Sanchez, auf dem Ramos laut der AS klargemacht haben soll: "Ich will weg. Ich fühle mich weder geliebt noch geschätzt. Hört euch Angebote an."

Gleichzeitig aber scheint mehr dahinter zu stecken. Vor allem die Beziehung zu Real-Präsident Florentino Perez hat wohl stark gelitten, was erklären würde, warum Sanchez, und nicht Perez das Treffen organisierte. Ramos hatte die Entlassung von Trainer Carlo Ancelotti öffentlich kritisiert und sich auch vermehrt für Casillas ausgesprochen - zwei empfindliche Themen für Perez. Darüber hinaus kursiert inzwischen die Meldung, dass sich Ramos' Bruder mit Perez verkracht haben soll, was den Wechselwunsch wohl weiter befeuert.

Der ironische De-Gea-Tausch

Es dauerte schließlich nicht lange, bis ein europäisches Schwergewicht Interesse an dem Mann anmeldete, der 2005 als Teenager für 27 Millionen Euro vom FC Sevilla gekommen war. Manchester United soll ein erstes Angebot abgegeben haben, welches von Real aber abgelehnt wurde. Die händeringend nach Abwehrspielern suchenden Red Devils sind dem Vernehmen nach dazu bereit, Ramos' Gehaltswünsche zu erfüllen.

Ehe er sich in seinen Urlaub verabschiedete, hat der 29-Jährige den Real-Verantwortlichen offenbar mitgeteilt, dass er eine Entscheidung will, ehe die Mannschaft am 10. Juli wieder zusammenkommt. Gleichzeitig hat auch United ein Druckmittel in der Hand: Manchester könnte den Ramos-Abgang beschleunigen, indem ausgerechnet De Gea im Umkehrschluss nach Madrid abgegeben wird, was wohl den Abgang von Casillas besiegeln würde.

Doch noch, so scheint es, sind in Madrid für Ramos nicht alle Brücken verbrannt. Laut der Marca vereinbarten Sanchez und Ramos am Mittwoch zumindest einen Waffenstillstand. Für den sichtlich bemühten Sanchez steht jetzt in den kommenden Tagen viel interne Aufbauarbeit an, um Ramos im Juli womöglich doch den Wunschvertrag vorlegen zu können.

Ein gebrochenes Versprechen?

Es scheint eine halbe Ewigkeit her zu sein, als Ramos in der Vorjahres-Saison zunächst im Halbfinal-Rückspiel mit zwei Treffern den Weg zum historischen 4:0-Sieg über Guardiolas Bayern ebnete, nur um Real dann im Finale mit seinem Treffer in der Nachspielzeit vor einer Pleite gegen Stadtrivale Atletico zu bewahren.

Perez selbst soll Ramos nach dem anschließenden Sieg in der Verlängerung versprochen haben, dass er dafür "angemessen belohnt" werden wird. Eine Belohnung, auf die Ramos offenbar bis heute wartet.

Die Bosse der Königlichen sollten und werden sich genau überlegen, ob sie eine Klub-Ikone und ihren Abwehrchef im besten Fußballer-Alter abgeben und damit zweifellos die Fans gegen sich aufbringen wollen. Noch scheint eine Vertragsverlängerung in Madrid nicht vom Tisch. Womöglich lohnt es sich dann auch für Ramos selbst, sollte er vorerst wirklich "ganz ruhig" bleiben.

Sergio Ramos im Steckbrief