"Von Madrid in den Himmel"

SID
Die Fußball-Welt trauert um Alfredo Di Stefano
© getty

Fußball-Spanien war in Trauer vereint. "Er geht von Madrid direkt in den Himmel", titelte das Hauptstadtblatt AS am Morgen nach dem Tode Alfredo di Stéfanos. "Wir nehmen Abschied von einem Mann, der den Fußball verändert hat", schrieb Marca und veröffentlichte in Rekordzeit eine 40-seitige Sonderausgabe. Und selbst der FC Barcelona, auch zu di Stéfanos Zeiten der Erzrivale, kondolierte großflächig: "Mit ihm geht einer der Größten", schrieb Barca-Präsident Josep Maria Bartomeu.

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Alfredo Di Stéfano, das Idol Real Madrids, jener Mann, der für drei Nationen Länderspiele bestritten hat, der mit dem bereits 2006 dahin geschiedenen Ferenc Puskás die größte Ära des größten Klubs der Welt geprägt hat, war am Montagnachmittag, drei Tage nach seinem 88. Geburtstag, an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben. Und die Fußball-Welt hielt auch im größten WM-Trubel kurz inne.

Im Santiago-Bernabéu-Stadion kondolierten Hunderte von Fans am aufgebahrten und mit einer weißen Real-Flagge umhüllten Sarg der verstorbenen Ikone. Passend zur Atmosphäre fast wie bei einem Staatsbegräbnis hatte Madrids Klubführung in Erinnerung an seinen vielleicht größten Spieler aller Zeiten sämtliche Pokale und Trophäe, die Real mit Di Stéfano einst gewonnen hatte, rund um die Totenbahre aufstellen lassen.

Beerdigung im Familienkreis

"Seine Generation und er haben bei Real den Mut, den Hunger, den Kampfgeist und die Leidenschaft begründet, die seither in unserem Verein von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weiterleben", würdigte Reals Kapitän Iker Casillas das Idol in seiner Trauerrede.

Bis Mittwochmittag können Madrids Mitglieder und Anhänger sich noch vom "blonden Pfeil" verabschieden. Die Beerdigung soll im engsten Familienkreis stattfinden.

Für Deutschlands "Lichtgestalt" Franz Beckenbauer war Di Stéfano "der kompletteste Spieler der Welt", FIFA-Präsident Joseph S. Blatter würdigte ihn als "meinen Lieblingsspieler", und Pelé versicherte, "die Öffnung von Spielern aus Lateinamerika für europäische Klubs ist vor allem sein Verdienst".

Fünf Mal auf dem Gipfel

Zwischen 1956 und 60 hatte "Don Alfredo" Real Madrid zu fünf Titeln in Folge im Europapokal der Landesmeister, dem Vorgänger-Wettbewerb der Champions League, geführt. In dieser bis heute erfolgreichsten Phase der Klubgeschichte wurde der "Mythos Real Madrid" und des "weißen Balletts" begründet. UEFA-Präsident Michel Platini bezeichnete diese Mannschaft als "Erfinder des modernen Fußballs", das "alles hatte, was die Magie des Fußballs ausmacht".

Die Real-Legende hatte am Samstag einen Herzinfarkt erlitten, musste wiederbelebt und in ein künstliches Koma versetzt werden. Am Ende verlor der wohl größte Fußball-Star der 50er-Jahre diesen Kampf. Das Herz hatte ihm schon lange zu schaffen gemacht. Seit einem Herzinfarkt im Jahr 2005 trug er einen Schrittmacher und einen vierfachen Bypass.

Real bezeichnete Di Stéfano am Montag in einer Mitteilung als den "besten Spieler aller Zeiten". Auch die heutigen Real-Stars waren tief bedrückt. Weltfußballer Cristiano Ronaldo und Casillas twitterten Fotos von sich mit Di Stéfano und schrieben bewegende Worte.

Länderspiele für drei Nationen

"Das ist ein sehr trauriger Tag. Für mich, für alle Madridistas, für die ganze Welt des Fußballs. Don Alfredo hat uns verlassen, aber die Erinnerung an ihn wird für immer in unseren Herzen leben. Legenden sterben nie. Danke für alles, Maestro", meinte Ronaldo. Casillas hatte schon am Tag vor seiner Rede auf der Trauerfeier getwittert: "Ruhe in Friede, Don Alfredo, größter von allen, Legende von Real Madrid. Du wirst immer bei uns sein, und ich werde Dich nie vergessen, Maestro." Ex-Real-Coach José Mourinho erinnerte an einen "wundervollen Mann. Es war ein Glück, dass ich ihn kennenlernen durfte". Auch der viermalige Weltfußballer Lionel Messi, der zwar bei Real-Erzrivale FC Barcelona spielt, aber dessen Herz ebenfalls für Argentinien und Spanien schlägt, würdigte "einen großartigen Mann, auf und neben dem Platz".

Di Stéfano, dessen Vorfahren aus Italien stammen, bestritt gleich für drei Nationen Länderspiele: 6 für Argentinien, 4 für Kolumbien und 31 für Spanien. Seine Fans nannten den Sohn eines Viehzüchters aus Buenos Aires ehrfürchtig "La Saeta Rubia", den "weißen Pfeil". Er genoss den Ruhm, vor allem aber das Spiel. "Der Fußball hat mir alles gegeben. Ich habe ihn immer als Mannschaftsspiel verstanden und habe immer deutlich gemacht, dass ich nicht vergöttert werden will, sondern einfach nur spielen", sagte er einst: "Und dazu muss man laufen und schwitzen."

Viertbester Spieler des Jahrhunderts

Für die Gauchos hatte er 1947 bei der Copa America debütiert, wurde später aber nicht mehr eingeladen, weil er seit dem Spielerstreik 1948 in Kolumbien spielte. Die Partien für Kolumbien waren von der FIFA nicht als offizielle Länderspiele anerkannt. So konnte er 1956 nach Erlangung der spanischen Staatsbürgerschaft auch noch für die Iberer spielen. Bei einer WM kam Di Stéfano aber nie zum Einsatz: 1958 verpasste Spanien die Qualifikation, vier Jahre später hinderte ihn eine Muskelverletzung.

Dennoch war er eine Ikone des Fußballs. 1957 und 1959 wurde er zu Europas Fußballer des Jahres gewählt, bei der FIFA-Wahl zum Spieler des Jahrhunderts wurde er Vierter. Hinter Pelé, Franz Beckenbauer und Johan Cruyff, aber vor beispielsweise Diego Maradona, Michel Platini oder Eusébio. Neben den fünf Europapokalen gewann er 14 nationale Meisterschaften und wurde zehnmal Torschützenkönig in Argentinien, Kolumbien oder Spanien. Für Real erzielte er in 510 Spielen stolze 418 Tore, insgesamt waren 818 Treffer in etwas mehr als 1100 Einsätzen.

Als Trainer führte er den FC Valencia 1971 zum Meistertitel und 1980 später zum Europapokalsieg im Wettbewerb der Pokalsieger. Auch Real und den argentinischen Renommierklub River Plate trainierte er je zweimal. Ehrenpräsident der Königlichen aus Madrid durfte er sich seit 2000 nennen, seit 2008 war er Ehrenpräsident der UEFA.

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