Aus dem Schatten des Tigers

Von Ole Frerks
Diego Costa führt in Spanien derzeit die Torjägerliste mit zehn Toren an
© getty

Acht Spiele, acht Siege - Startrekord. Der sensationelle Saisonstart von Atletico Madrid ist zu einem großen Teil Diego Costa und seinen zehn Toren zu verdanken. Letztes Jahr noch als Hitzkopf berüchtigt, macht der "Panther" nun den Abgang von Stürmer Falcao vergessen. Brasilien und Spanien streiten um seine Dienste.

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Diego Costa ist am Montag 25 Jahre alt geworden. Das sieht man ihm nicht an - sein Gesicht lässt ihn mindestens zehn Jahre älter wirken. Vielleicht liegt das an seinem aggressiven Auftreten, das ihn häufig wie einen Clint-Eastwood-Verschnitt wirken lässt. "Leg' dich lieber nicht mit mir an, du wirst es bereuen", scheint er vermitteln zu wollen.

Womöglich liegt es auch an seiner Spielweise: Der Mann schmeißt sich in jeden Zweikampf, geht keiner Konfrontation aus dem Weg und legt sich auch verbal mit jedem an. In seinen ersten vier Jahren in der Primera Division sammelte er mehr Gelbe Karten als Tore.

Ein gutes Beispiel ist das Gastspiel von Atletico bei Real im Dezember letzten Jahres. Anstatt sich auf das Spiel zu konzentrieren, gerät Costa immer wieder in Scharmützel und Wortgefechte mit Pepe und vor allem Sergio Ramos.

Ramos spuckt Costa an, Costa antwortet per Kopfnuss und Ohrfeige. Permanent bearbeiten sich die beiden und Pepe mit den Ellbogen, das ganze Spiel über fliegen Beleidigungen hin und her. Am Ende gewinnt Real mit 2:0 - mal wieder geht es bei Costa um fehlende Disziplin, nicht um Tore.

"Panther" und Reizfigur

Die Fans der Rojiblancos mögen den wilden Stürmer, der sich vor nichts fürchtet und jeden Zweikampf angeht, als wäre es sein letzter. Costa, der bis zu seinem 17. Lebensjahr nur auf der Straße gekickt hatte, verdient sich den Spitznamen "Panther" - der Partner von Superstar Radamel Falcao, dem "Tiger".

In fremden Stadien macht ihn genau das zur Reizfigur. Seine Zweikampfführung ist nicht selten überhart, die zahllosen Wortgefechte mit Gegnern enden gelegentlich auch mal mit einer Kopfnuss. Sein Temperament wirft Parallelen zu anderen hochtalentierten Hitzköpfen wie Carlos Tevez oder Luis Suarez auf.

Mit den beiden hat Costa aber noch mehr Eigenschaften gemein. Da sind seine taktische Intelligenz, die Energie, die Reaktionsschnelligkeit und der gute Torriecher. Zudem ist er extrem robust und mit 1,88 Metern Größe auch im Luftkampf eine echte Waffe.

25-Mio.-Angebot aus Liverpool

Es sind diese Qualitäten, die ihn trotz der relativ mageren Torausbeute von zehn Toren in 31 Spielen im vergangenen Transferfenster in den Fokus des FC Liverpool rücken ließen. Angeblich boten die Reds rund 25 Millionen Euro für den gebürtigen Brasilianer.

In der Theorie würde Costa fast besser in die Premier League passen, wo Gelbe Karten nicht so schnell verteilt werden. Es bleibt jedoch bei der Theorie, denn Atletico lehnte das Angebot ab. Nach dem Abgang von Falcao Richtung Monaco ging bereits der Anführer der letzten Jahre, da sollte nicht auch noch sein Sidekick den Verein verlassen.

Bisher zahlt sich das mehr als aus. In acht Saisonspielen hat Costa bisher nur ein einziges Mal kein Tor erzielt, fünf aufeinanderfolgende Spiele mit mindestens einem Treffer waren es zuletzt. Das war bei Atletico bisher nur Diego Forlan in der Saison 2008/2009 gelungen - Falcao schaffte es nie.

Fokus auf das Wesentliche

Ein festes Torziel hat sich Costa nicht gesetzt: "Ich bin glücklich, dass es im Augenblick so gut läuft und gehe die Sache einfach Schritt für Schritt an, natürlich hoffe ich noch auf viele weitere Tore", sagte er nach dem Doppelpack gegen Celta de Vigo am 8. Spieltag.

Beeindruckend ist dabei vor allem die Effektivität des Brasilianers. Für seine ersten acht Tore hat Costa nur 21 Schüsse benötigt. Zum Vergleich: Cristiano Ronaldo brauchte bisher 60 Schüsse für sieben Tore, Lionel Messi 34 für acht.

Fast noch wichtiger: Costa scheint sich endlich im Griff zu haben und konzentriert sich aufs Wesentliche. Bisher beträgt das Tore-zu-Karten-Verhältnis zehn zu eins. Die große Frage für Atletico wird sein, ob er diese innere Balance beibehalten kann.

Das weiß auch sein Trainer Diego Simeone: "Er wird von Mal zu Mal besser. Wir hoffen, dass er sich seine Ausgeglichenheit bewahren kann, das dürfte für ihn das Schwierigste sein. Ich denke, dann kann er sich noch weiter steigern."

WM 2014 - Brasilien oder Spanien?

Wenn er es schafft, wird er mit Sicherheit auch bei der kommenden WM in seiner Heimat auflaufen - wahrscheinlich aber nicht für sein Heimatland, sondern für Spanien. Seit mehr als fünf Jahren arbeitet Costa in Spanien, daher konnte er nun die doppelte Staatsbürgerschaft erwerben.

"Ich bin zwar in Brasilien geboren, aber in Spanien wurde mir alles gegeben", so Costa. Für Brasilien lief er zwar bereits auf, allerdings nur in zwei Freundschaftsspielen Anfang des Jahres. Damit wäre der "Wechsel" regelkonform. "Die Entscheidung ist gefallen, es fehlen nur noch Formalitäten", sagt Costa.

Aus der Heimat gibt es erwartungsgemäß Stimmen, die ihn von der Entscheidung noch abbringen wollen. "Ich bitte Diego Costa darum, bei der Entscheidung einen kühlen Kopf zu bewahren, weil er auch ein wichtiger Spieler für Brasilien sein könnte", sagte Dani Alves, ironischerweise einer, der sich auch schon mal mit Costa im "Nahkampf" befand.

Siegtorschütze im Santiago Bernabeu

Momentan liegt die Sache bei der FIFA. Costa hat während der Länderspielpause Zeit, den Moment zu genießen. Er ist angekommen als Held des Publikums, als begehrter WM-Kandidat zweier Nationen und als "Pichichi", als derzeit bester Torschütze der Primera Division.

Für Atletico ist er außerdem derjenige, der den Bann gebrochen hat, als er beim Derby gegen Real das einzige Tor erzielte und damit den ersten Sieg im Santiago Bernabeu seit 1999 auf den Weg brachte.

Dass er es vom hitzköpfigen Problemkind bis hierhin geschafft hat, verlangt auch seinem Trainer Simeone Anerkennung ab: "Costa ist professioneller geworden, ich muss jetzt nicht mehr in jedem Spiel fürchten, dass ihn der Schiedsrichter vom Platz stellt."

Diego Costa im Steckbrief

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