Das Spiel mit den Euros

Von Andreas Lehner
Nach langem Hin-und-Her ist Gareth Bales Abgang aus Tottenham perfekt
© getty

Während Spanien unter der Wirtschaftskrise leidet, wirft Real Madrid mit dem Geld weiter nur so um sich. Die Anhänger akzeptieren dieses Ungleichgewicht. Das Risiko ist bekannt.

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Es gehört zu den Ritualen im südländischen Raum, dass Neuerwerbungen dem Publikum auf der großen Bühne des Stadions präsentiert werden. Während hierzulande stickige Pressesäle genügen, sind in Italien oder Spanien die Arenen mal mehr oder weniger gut gefüllt. Als Real Madrid 2009 Cristiano Ronaldo im weißen Trikot vorstellte, war das Estadio Santiago Bernabeu voll - 80.000 Zuschauer wollten den portugiesischen Superstar sehen, der 96 Millionen Euro gekostet haben soll.

Bale-Wechsel zu Real perfekt

Auch an diesem Montagmittag herrschte wieder riesiger Trubel im Stadion, schließlich durfte der Mann, der noch ein bisschen teurer oder gerade noch etwas billiger war als Ronaldo - da ist man sich noch nicht ganz einig -, ein paar Mal den Ball hochhalten und sich in seiner neuen Arbeitskleidung ablichten lassen.

Es ist aber auch egal, ob Gareth Bale nun 91 Millionen Euro, 99 oder 110 Millionen Euro gekostet hat. Fakt ist, dass Real Madrid einmal mehr für eine gigantische Summe einen Spieler ausgelöst hat, um sich im sportlichen Wettbewerb mit dem FC Barcelona und dem Rest Europas zu behaupten. Und das ohne jedes Schamgefühl.

Man kann die Meinung von Barcelonas neuem Trainer Tata Martino teilen, dass eine solche Summe respektlos gegenüber der momentanen Situation in der Welt sei. Natürlich muss man den Argentinier - wie es Reals neuer Trainer Carlo Ancelotti getan hat - darauf hinweisen, dass auch sein Klub 57 Millionen Euro für den brasilianischen Jungstar Neymar bezahlt hat und der Transfermarkt in Europa seine Grenzen schon lange verloren hat.

Aber es darf in diesem Zusammenhang nicht unterschlagen werden, dass die spanischen Vereine insgesamt mit 3,6 Milliarden Euro verschuldet sind, dazu gehören auch Steuerschulden beim Finanzamt. Allein Real sitzt auf einem Schuldenberg von etwa 590 Millionen Euro. Dennoch wird der Bale-Deal wie schon der Ronaldo-Transfer kreditfinanziert.

Dazu kommt, dass Spanien seit rund fünf Jahren unter der Wirtschaftskrise leidet und der Staat mit anderen Wirtschaftszweigen nicht so kulant umgeht wie mit der Fußballbranche. Die Budgets für das Gesundheits- und Bildungswesen wurden gekürzt, die Steuern, die Strom- und die Buspreise erhöht. Kleinere Betriebe werden schon wegen geringer Steuerschulden dicht gemacht.

Es herrscht ein ziemliches Ungleichgewicht in einem Land, das mit 26,3 Prozent die zweithöchste Arbeitslosenquote Europas hinter Griechenland aufweist (Deutschland: 6,8 Prozent) und mit einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent ebenfalls nur knapp hinter Griechenland liegt (Deutschland: 8 Prozent).

Trotzdem herrscht bei den Anhängern kein Unmut über das Spiel mit den Millionen von Euros. Auch der extreme Abstecher vom durch die Verpflichtung vieler spanischer Talente (Isco, Illarramendi, Carvajal) eingeschlagenen Weg hin zum Schema der Galacticos ist für die Aficionados kein Problem. Dabei hatte es den Anschein als könnte Real unter Ancelotti in diesem Sommer vernünftig wirtschaften und trotzdem sportlich erfolgreich sein. Die Einnahmen aus Transfers (Higuain, Albiol, Calljon) hielten sich bis Sonntagabend mit den Ausgaben die Waage. Mit der Abschiebung von Mesut Özil soll nun schnell zusätzliches Geld generiert werden.

Real geht mit der Verpflichtung von Bale ein großes Risiko ein. Anders als Ronaldo ist Bale (noch) kein globaler Superstar, der schon mit seinem Vermarktungspotenzial enorme Summen und Aufmerksamkeit garantiert. Ronaldo kam als Champions-League-Sieger und Werbeikone nach Madrid. Bale hat zwar eine überragende Premier-League-Saison hinter sich, aber muss seine Qualität auf und neben dem Platz jetzt erst dauerhaft beweisen.

Noch ist die Ablösesumme ein bestimmendes Merkmal im Hype um den Waliser. Nur kann diese Summe bei ausbleibender Leistung oder Verletzungen auch zum Bumerang werden. Wie es auch laufen kann, weiß kein Klub besser als Real. Kaka kam 2009 für 65 Millionen Euro vom AC Milan - er wechselte nach vier enttäuschenden Jahren am Sonntag ohne großes Getöse ablösefrei nach Italien zurück.

Real Madrids Kader im Überblick