Neulich beim Stürmerschlussverkauf

Von Arne Behr
Grenzenlose Euphorie: Fans von Atletico stürmen bei der Vorstellung David Villas den Rasen
© getty

David Villa fand beim FC Barcelona nach seinem Schienbeinbruch nie ganz zurück ins A-Team, doch Atletico Madrid bekam den spanischen Nationalstürmer in diesem Sommer fast geschenkt. Die Euphorie, die er beim Arbeiterklub aus der spanischen Hauptstadt entfacht, ist dennoch grenzenlos. Im Supercup-Hinspiel (Mi., 23 Uhr im LIVE-TICKER) trifft er erstmals auf seinen alten Arbeitgeber.

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Dass jedes Unglück angeblich auch eine neue Chance bietet, ist eine Weisheit, von der David Villa sein ganz eigenes Lied singen kann. Mit neun Jahren brach er sich beim Fußballspielen den Oberschenkelknochen seines rechten Beins, monatelang war es eingegipst und zum Nichtstun verdammt. Doch sein Vater nutzte die Zeit, um seinem Sohn unentwegt Bälle auf den linken Schlappen zu werfen. Und was das Hänschen einmal richtig lernt, verlernt bekanntlich auch der Hans so schnell nicht wieder.

22 Jahre liegt dieser Vorfall jetzt zurück. Die aus diesem Unfall resultierende Beidfüßigkeit aber gehört noch immer zu den großen Vorzügen des gestandenen Fußballprofis David Villa. Solchen, die den spanischen Ausnahmestürmer von anderen abheben und von denen seit der neuen Saison nun sein neuer Arbeitgeber Atletico Madrid profitieren will.

Doch es sind auch und vor allem die besonderen Attribute eines Spielers, der in den letzten drei Jahren seiner Karriere so ziemlich alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt - und sich dennoch in dieser Spielzeit ganz neu beweisen muss.

Vom Superstar zum Superschnäppchen

Wenn die Situation, in der sich David Villa momentan befindet, etwas besonders deutlich macht, dann dies: Der moderne Spitzenfußball ist ein enorm schnelllebiges Geschäft.

Im Jahr vor und nach der letzten Weltmeisterschaft wurden für den spanischen Instinktfußballer noch die vielzitierten Mondpreise aufgerufen, 50 Millionen Euro und mehr standen damals als Ablöse im Raum.

Und das durchaus zu Recht: In der Fabelsaison des FC Barcelona 2010/11 war er einer der Erfolgsgaranten in der Mannschaft der Katalanen, deren Gerüst die spanische Nationalmannschaft gerade zum ersten Weltmeistertitel geführt hatte. Die Mannschaft von Trainer Pep Guardiola gewann abgesehen vom spanischen Pokal alles, was man in einer Saison an Titeln so einheimsen kann.

Drei Jahre später, im Sommer 2013, hat sich die Situation jedoch dramatisch verändert. Barca verscherbelt seinen Stürmer, der auch mehrere Angebote aus der Premier League vorliegen hatte, letztlich für eine Ablösesumme, die selbst in den Niederungen der schottischen Liga kaum noch jemanden hinter dem Ofen hervorlocken würde. Ganze 2,1 Millionen Euro musste Atletico für den 31-Jährigen auf den Tisch legen, bis zu drei weitere Millionen winken immerhin, falls Villa auch die nächste beziehungsweise übernächste Saison noch für die Madrilenen auf dem Platz steht.

Geschenke aus Barcelona

Geschuldet ist dies alles der zweiten üblen Verletzung in der Karriere des David Villa: Bei der völlig bedeutungslosen FIFA-Klub-Weltmeisterschaft im Dezember 2011 zog er sich im Spiel gegen Al-Sadd einen Bruch des linken Schienbeins zu und fiel fast ein Jahr aus. Die Spanier verteidigten den EM-Titel zwar auch ohne seine Hilfe und zum Auftakt der Saison 2012/13 gab er sein Comeback beim 5:1-Sieg über Real Sociedad, bei dem er sogar traf.

Dauerhaft in die erste Elf aber schaffte er es bis zum Ende der Saison aber nicht mehr. In 28 Einsätzen in La Liga gelangen ihm zehn Tore und sechs Torvorlagen, doch dabei spielte er nur fünf Mal über die vollen 90 Minuten.

Dennoch bleiben angesichts des Wechsels des Weltmeisterstürmers und vor allem der extrem niedrigen Ablösesumme einige Fragen offen. Es ist nicht das erste Mal, das Barcelona extrem teure Einkäufe nur zu einem Bruchteil der gezahlten Ablösesumme wieder los wird. Das Beispiel Villa ist allerdings eklatant: knapp 38 Millionen Euro Verlust stehen für die Katalanen mit seinem Verkauf zu Buche, denn 40 Millionen ließ sich Valencia für die Freistellung Villas damals überweisen.

Neustart mit 31 Jahren

Wie wenig sich die Fans indes von Ablösesummen und Marktwerten beeindrucken lassen, offenbarte sich jüngst wieder eindrucksvoll bei der Vorstellung Villas im altehrwürdigen Estadio Vicente Calderon. Tausende Atletico-Anhänger stürmten den Rasen, um den Neuzugang zu feiern und aus der Nähe zu sehen. Nur mit Mühe schafften es die Ordnungskräfte schließlich, die Menschenmassen wieder vom Geläuf zu bekommen und Villa sicher in die Katakomben zu geleiten.

Die Euphorie, die der spanische Superstar entfacht, ist beinahe grenzenlos, aber damit einher geht auch eine enorme Erwartungshaltung. Kein Wunder, wurde Villa doch offiziell verpflichtet, um den Abgang eines gewissen Falcao zu kompensieren - jenes Kolumbianers, der den Klub zum Europa-League-Titel und spanischen Pokalsieg schoss und schließlich 60 Millionen Euro Ablöse aus Monaco in die Vereinskassen spülte. Nun soll Villa das neue Gesicht, die neue Identifikationsfigur der "Colchoneros" werden.

Eine besondere Partie

Und der Spanier ist gewillt, diese Erwartungen auch zu erfüllen: "Ich bin guter Hoffnung, dass ich seine Abwesenheit vergessen machen kann" unterstrich er seine Ambitionen kürzlich mit dem Selbstbewusstsein eines Spielers, der auf eine überaus erfolgreiche Vergangenheit zurückblicken kann und dem kaum noch ein Titel im Trophäenschrank fehlt.

Am Mittwoch trifft er im Supercup das erste Mal auf seinen ehemaligen Arbeitgeber, wenn der spanische Meister gegen den Pokalsieger antritt (Mi., 23 Uhr im LIVE-TICKER). Zweifellos eine ganz besondere Partie für David Villa, der zum ersten Mal gegen seinen alten Verein und die ehemaligen Kollegen antreten wird.

Doch er wird ihnen und dem FC Barcelona auch etwas beweisen wollen. Dass er nämlich nach seiner schweren Verletzung wieder zu alter Stärke zurückgefunden hat. So wie damals, als er schon einmal einen Gips trug und das Fußballspielen mit seinem linken Fuß noch mal neu erlernte.

David Villa im Steckbrief