Operation Europa: Endlich ausgeknausert?

Von Gunnar Göpel
Real Sociedad hat sich am letzten Spieltag durch einen knappen Sieg für Europa qualifiziert
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Weckruf aus Frankreich

Zur neuen Saison wurde etwas überraschend die Trennung vom südamerikanischen Trainer bekanntgegeben. Der neue Übungsleiter, Philippe Montanier, wechselte vom französischen Erstligisten Valenciennes in die Primera Division.

Das Montanier-Kredo "Agilität, Zug zum Tor und der direkte Abschluss" ließ sich aufgrund einer besonderen Basis gut umsetzen. Der Trainer vertraute einer simplen Idee. Da fast alle Spieler die Fußballschule von Real Sociedad durchlaufen haben, sind sie mit einer gemeinsamen Spielphilosophie vertraut. Der 48-Jährige nahm sich ein Lehrjahr, in dem er die jungen Talente weiter formte und Feinheiten verbesserte. Durch diesen Schliff erreichten Spieler wie Inigo Martinez und Asier Illaramendi innerhalb eines Jahres das Niveau von auffallend reifen Stammspielern.

Auch der Mexikaner Carlos Vela konnte in der Saison 2011/2012 als Leihe des Londoner Spitzenklubs FC Arsenal überzeugen (12 Tore, sieben Vorlagen). San Sebastian fand sich nach 38. Spieltagen als Elfter im gesicherten Mittelfeld wieder.

Da Vela sich mit der Spielweise zu identifizieren wusste, wurde er im darauffolgenden Sommer für 3,8 Millionen Euro fest verpflichtet. In der abgelaufenen Spielzeit 12/13 konnte der polyvalente Angreifer seine Leistung weiter steigern und spielte sich als Topscorer der Basken in den Mittelpunkt. Der 24-Jährige netzte 14 Mal ein und lieferte zwölf Vorlagen. Daneben wurde der 27-jährige Flügelspieler Chori Castro ablösefrei aus Mallorca geholt.

Jugendarbeit als Steckenpferd

Dennoch ist die Klubpolitik seit Jahrzehnten dieselbe: Mit Asier Illarramendi, Inigo Martinez, Antoine Griezmann, Imanon Agirretxe, Mikel Gonzalez, Carlos Martinez, Markel Bergara, Xabi Prieto und David Zurutza stammten vergangene Saison neun Stammspieler aus der erlesenen Jugendarbeit.

Abgesehen von der 5:1-Klatsche zum Auftakt gegen Barcelona, verlor San Sebastian nur ein einziges Mal mit zwei Toren Unterschied. Nach der 2:0-Niederlage gegen Real Betis Sevilla und kleineren Anlaufschwierigkeiten kam San Sebastian ab dem 11. Spieltag richtig in Schwung.

"Als ich hier ankam, haben wir sehr viel riskiert, indem wir auf junge Spieler gesetzt haben, jetzt ernten wir die Früchte dafür. Es ist nicht ohne Risiko, so junge Spieler ins kalte Wasser zu werfen, aber sie haben inzwischen ihre großen Qualitäten bewiesen.", äußerte sich Montanier gegenüber "uefa.com".

Und die Rückrunde sollte sensationell werden: Die Nordspanier verloren nur ein einziges Spiel (1:2 gegen Getafe) und bezwangen zudem die Landesgrößen Barcelona, Valencia, Atletico Madrid, Sevilla und Malaga. Die Baskensderbys gegen Bilbao wurden mit 2:0 und 3:1 gewonnen.

Marke Unberechenbar

In zwei Jahren und 82 Spielen setzte Montanier lediglich 27 verschiedene Spieler ein. Zum Vergleich: Diego Simeone, seines Zeichen Cheftrainer von Atletico Madrid, lies im selben Zeitraum 34 Spieler im Trikot der Rojiblancos auflaufen.

Philippe Montanier lies im klassischen 4-2-3-1 auflaufen. Das Prachtstück der Mannschaft ist die offensive Dreierreihe hinter dem 26-jährigen Stürmer Imanon Agirettxe. Der französische Trainer flößte seiner Mannschaft ein offensives und mutiges Spiel ein. Die technisch versierten Spieler verzichteten weitgehend auf unnötige Kabinettstückchen. Stattdessen wurde schnörkellos der direkte Weg zum Tor gesucht. Antoine Griezmann, Carlos Vela und Kapitän Xabi Prieto waren nicht an eine feste Position gebunden, sondern rotierten umeinander.

Das verlieh dem Spiel Variabilität und Tempo. Für die gegnerische Mannschaft war dieses unorthodoxe Rotieren schwer ausrechenbar. Zwölf verschiedene Torschützen, davon fünf, die öfter als fünf Mal trafen, spiegeln dieses Bild wieder.

Abgebrüht statt waghalsig

Was nach einem wilden Angriffstanz klingt, war in der Regel durchaus wohl kalkuliert. Wenn es sinnvoll war mit defensiver Spielweise einen Punkt zu sichern, dann taten die Weißblauen es auch: Zwölf Unentschieden sind Saisonrekord. Auch die Tordifferenz spricht Bände: Mit 70 erzielten Treffern waren nur Real Madrid und Barcelona vor dem gegnerischen Gehäuse erfolgreicher. Dem Torreigen stehen nur 49 Gegentore gegenüber. Platz vier in der Liga.

Und so ist es auch nicht überraschend, dass die Basken sich zur Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation qualifiziert haben. Doch wie bereits zu Beginn des Jahrtausends drohen erneut wichtige Abgänge. Es ist verständlich, dass es die jungen, erfolgsgierigen Spieler zu den großen der Branche zieht.

Im Visier der Konkurrenz

Der französische Wirbelwind Antoine Griezmann wurde lange Zeit von den Tottenham Hotspur umworben. Inigo Martinez soll das Interesse von Barcelona und Real Madrid geweckt haben. Zudem soll auch der VfL Wolfsburg den 22-jährigen Innenverteidiger beobachtet haben. Auch um den zweiten spanischen U-21-Nationalspieler Asier Illarramendi wurde lange gebuhlt. Konkurrenz gab es aus England, am Ende erhielt Real Madrid den Zuschlag. Die Basken werden mit rund 38 Millionen Euro entschädigt.

Sollte die Mannschaft ansonsten intakt bleiben, dann ist eine Qualifikation für die Champions League nicht undenkbar. Auch wenn Trainer Montanier trotz des großen Erfolges zurück in die Ligue 1 zu Stade Rennes wechselt. Zur kommenden Saison übernimmt der bisherige Co-Trainer Jagoba Arrasate den Chefposten. Durch ein Engagement im Jugendbereich des Vereins ist der 35-Jährige mit Konzept und Philosophie bestens vertraut. Mit dem U-19-Nationalstürmer Iker Hernandez steht bereits das nächste Talent vor dem Sprung in die erste Mannschaft.

"Die Champions League? Das sind sehr große Worte. Es wäre großartig, wenn wir die Qualifikation dafür schaffen würden, aber im Moment kämpfen wir mit einigen sehr großen Namen. Es wird also sehr schwer", zeigte sich Asier Illarramendi im März noch bescheiden. Diese Hürde ist genommen. Nun muss die zurückhaltende Art abgelegt werden, denn die Mannschaft ist längst nicht am Ziel. Die finanziellen Vorzeichen sind momentan kaum andere. Erst mit einer Qualifikation für die Gruppenphase wird die neue Saison zum Millionengeschäft.

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