Schweineköpfe und das Ende der Diktatur

Von Frederik Büll
Ronaldinho (r., neben Cannavaro) war eine von vielen prägenden Figuren des Clasico
© Imago

Wenn ein Fußballspiel die Massen weltweit elektrisiert, dann kann es sich dabei fast nur um El Clasico handeln. Am Samstag kommt es zum 219. Duell der beiden Erzrivalen FC Barcelona und Real Madrid - eine Partie mit entscheidendem Charakter für die Titelvergabe.

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Mindestens auch drei Chinesen werden dem Spektakel erschöpft, aber durchaus glücklich nach über 10.000 Reisekilometern beiwohnen. Barca und das chinesische soziale Netzwerk "Tencent" hatten zu einem Wettbewerb aufgerufen, bei dem sich 11.149 begeisterte Chinesen angemeldet hatten, um ihr Wissen und ihre Begeisterung über Barca zum Ausdruck zu bringen.

Die Chancen, dass die drei Gewinner einen aus ihrer Sicht positiven Spielverlauf erleben, sind durchaus groß. Aus den insgesamt fünf Clasicos dieser Spielzeit gingen die Katalanen dreimal als Sieger hervor, zwei Partien endeten remis.

Dennoch tat die letzte Barcelona-Niederlage gegen Madrid besonders weh. Im Finale der Copa del Rey gewannen die Königlichen vor knapp einem Jahr mit 1:0. SPOX blickt vor dem Spiel auf fünf legendäre Clasicos zurück.

13. Juni 1943, Rückspiel Copa del Rey, Real - Barca 11:1

An dieses Spiel haben wohl nur noch einige wenige Fans eine Erinnerung. Die favorisierte Blaugrana reiste mit einem 3:0-Vorsprung aus dem Hinspiel nach Madrid. Real war in diesem Jahr völlig außer Form und beendete die Saison mit einem schwachen zehnten Platz. Bereits zur Halbzeit stand es jedoch 8:0 für die Königlichen. Bis heute ist nicht endgültig klar, was dort im Vorfeld passiert ist.

Die Rede ist von Einschüchterungsversuchen eines Real-Sicherheitsdirektors gegenüber den Barca-Spielern. Der Franco-Diktatur waren die widerspenstigen Katalanen, die die Unabhängigkeit ihres Landes forderten, ein Dorn im Auge.

Zudem sollen Real-Fans den gegnerischen Torhüter fortwährend mit Steinen beworfen haben, so dass dieser sich meist aus Sicherheitsgründen außerhalb des Strafraums aufhielt. Zwölf Tore in einem Clasico gab es in der Geschichte vorher aber schon einmal. 1916 trennten sich die beide Mannschaften 6:6.

17. Februar 1974, Primera Division, Real - Barca 0:5

Nicht nur wegen der fünf Stiche ins Madrider Herz war diese Partie von historischer Bedeutung. Es war die Geburtstunde von Johan Cruyff als Barca-Ikone, der Niederländer leitete im Bernabeu einen Orkan ein, der über die Königlichen regelrecht hinwegfegte.

Bis zum Herbst 2010 sollte es die schlimmste Demütigung der Geschichte bleiben, dann wiederholten Messi und Co. zu Hause im Camp Nou dieses Kunststück - übrigens bei Jose Mourinhos erstem Clasico überhaupt. Der Sieg im Winter 74 hatte aber auch weitreichende politische Folgen, zumindest nach katalanischer Lesart. Es sei, so hält sich hartnäckig die Sage, der Anfang vom Ende der Franco-Diktatur gewesen sein.

23. November 2002, Primera Division, Barca - Real 0:0

Das Spielniveau war eher mau. Aber spektakulär war es an diesem Tage trotzdem. Luis Figo war bis zum Jahr 2000 Mannschaftskapitän und Publikumsliebling der Blaugrana. Doch als er für die damalige Rekord-Ablösesumme von 60 Millionen Euro ausgerechnet zum Erzrivalen Real Madrid wechselte, waren die Barca-Fans über diesen Hochverrat nicht gerade amüsiert.

Der Clasico musste für 15 Minuten unterbrochen werden, nachdem Figo bei seinem ersten Auftritt im Camp Nou mit Glasflaschen, Billardkugeln, Klappmessern - und zum Höhepunkt mit einem abgetrennten Schweinekopf beworfen wurde. Barca wurde zunächst mit zwei Spielen Platzsperre bestraft. Doch die Katalanen weigerten sich und gingen gegen das Urteil vor. Am Ende musste Barca lächerliche 4000 Euro Strafe bezahlen.

19. November 2005, Primera Division, Real - Barca 0:3

Der FC Barcelona siegte auswärts im Estadio Santiago Bernabéu leicht und locker mit 3:0. Der überragende Ronaldinho steuerte auf Seiten der Blaugrana zwei Treffer bei. Doch von einem gellenden Pfeifkonzert des Madrider Anhangs keine Spur. Im Gegenteil: Die Fans erhoben sich von ihren Plätzen und zollten dem Brasilianer mit Standing Ovations Respekt.

Dies gab es in der Hauptstadt nur ein einziges Mal zuvor: 1984 entzückte ein gewisser Diego Maradona mit seiner Leistung im Barca-Dress ebenfalls die Real-Fans. Weniger entzückend war dann am Ende der Saison Sammy Eto'os verbaler Fehlgriff "Madrid, cabron, saluda al campeon!" ("Madrid, Scheißverein, huldige dem Meister!"), für den sich der Kameruner später reumütig entschuldigte.

9. Mai 2009, Primera Division, Real - Barca 2:6

Der schwarze Samstag aus Sicht von Real. Die Königlichen hatten in den Wochen vor dem Spiel Punkt um Punkt auf Barca gutgemacht und wieder reelle Titelchancen - um dann ein halbes Dutzend und die bitterste Heimniederlage der Geschichte zu kassieren. Dabei ging Real sogar noch in Führung. Was dann aber folgte, war die größte Demütigung überhaupt.

Wie im Training schnitt Barca durch die Madrider Reihen, fast jeder durfte mal. Piques Tor zum 6:2 war Barcelonas 100. in dieser Saison, die Barca in Pep Guardiolas erstem Jahr als Cheftrainer mit dem Triple abschloss.

Der 35. Spieltag im Überblick