Endlich auf Augenhöhe mit Barca

Von Florian Bogner
Ronaldo vs. Mascherano: Real Madrid gewann nur einen der letzten elf Clasicos gegen Barca
© Getty

Real Madrid geht seit Jahren mal wieder als selbstbewusster Spitzenreiter in den Clasico mit dem FC Barcelona. Jose Mourinho wird diesmal mit großer Wahrscheinlichkeit auf Sonder-Anfertigungen verzichten.

Cookie-Einstellungen
Als Real-Madrid-Fan schaut man dieser Tage besonders gerne auf die Tabelle der Primera Division. Real führt mit drei Punkten vor Barca, das jedoch schon ein Spiel mehr absolviert hat. Heißt: Selbst wenn der 248. Clasico am Samstag aus Madrider Sicht in die Hose geht, bleibt Real noch das eine Spiel als Puffer vor dem Erzrivalen.

In den letzten Jahren war das anders. Seit 2008 war vor dem Clasico entweder Barcelona weit vorne oder aber Real nur knapp vor der Blaugrana - Niederlagen führten zum Machtwechsel an der Spitze und oft genug auch zum psychologischen Knick bei den Königlichen.

Wie soll Real spielen? Hier kannst Du selbst aufstellen Deine Barca-Wunschelf

Doch diesmal hat Real die bessere Ausgangsposition. "Das ist der erste Clasico in den letzten drei, vier Jahren, in dem Madrid besser in Form ist. Sie sind vor allem physisch sehr stark", meint auch Barca-Hirn Xavi anerkennend. Wohlwissend, dass mit einer Barca-Niederlage in der Liga schon eine erste Vorentscheidung fallen würde.

Reals beeindruckende Serie

Seit dem 0:0 bei Racing Santander am 21. September hat Real Madrid sage und schreibe 15 Pflichtspiele mit einem Torverhältnis von 57:9 in Folge gewonnen und damit den Vereinsrekord aus der Saison 1960/61 eingestellt.

Zum Vergleich: Barcas Bestmarke aus der Guardiola-Ära steht bei "nur" elf Siegen in Folge. Bemerkenswert dabei: Nur in San Sebastian (1:0), in Valencia (3:2) und in Lyon (2:0) gewann Real nicht mit mindestens drei Toren Unterschied.

Zuhause hat Real diese Saison in Liga und Königsklasse alles gewonnen (41:9 Tore). Lediglich das 2:2 im Supercup-Hinspiel gegen Barcelona im August befleckt Madrids weiße Weste. Doch ausgerechnet aus diesem Spiel schöpft Real den meisten Mut. Denn nie waren die Königlichen in den Clasicos der letzten drei Jahre besser als in diesem, durch den Vorbereitungsstand freilich etwas verschleierten, Duell.

"Die beiden Supercup-Spiele haben gezeigt, das Real weiter ist als in der letzten Saison", meinte auch Ex-Barca-Spieler Frank de Boer dieser Tage und konnte sich am Mittwoch in seiner Eigenschaft als Ajax-Trainer selbst von der Ausnahmeform der zweiten Garde der Königlichen überzeugen. "Sie haben es geschafft, Barcelona Probleme zu bereiten."

Vertrauen auf die eigene Stärke

Anders als in der Vorsaison, in der Jose Mourino versuchte, den Real-Spielstil an Barca anzupassen, träumt Real von einem Duell auf Augenhöhe - mit Vertrauen auf die eigene Stärke.

"In der letzten Saison haben wir viele neue Spieler eingebaut und dazu einen neuen Trainer bekommen. Auch bei großen Klubs geht nicht alles von heute auf morgen. Jetzt sind wir besser eingespielt, kennen uns besser und haben viel Selbstvertrauen", sagte Cristiano Ronaldo im Interview mit SPOX.

Jose Mourinho gilt gemeinhin als Trainer, der im zweiten Jahr noch mehr aus der Mannschaft kitzelt als in der ersten Saison. An Titeln gemessen stimmt das nur bedingt: Bei Porto holte er 2003 gleich im ersten Jahr UEFA-Cup, Meisterschaft, Pokal und Supercup. 2004 kamen ein weiterer Meistertitel und der Champions-League-Triumph hinzu.

Bei Chelsea dasselbe: 2005 gewannen die Blues in Mourinhos erstem Jahr drei Titel (Meisterschaft, Ligapokal, Supercup), im zweiten Jahr "nur" die Meisterschaft. Bei Inter jedoch gab es zunächst den Scudetto und den Supercup, im zweiten Jahr dann aber das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League.

Davon träumt nun Real. "Wir gehen nicht nur auf den Champions-League-Titel, sondern auf alle drei", sagt Ronaldo. Und: "Ich denke, dass wir als Kollektiv stärker geworden sind", so der Portugiese über die Lernfortschritte unter Mourinho.

Trifft Ronaldo, gewinnt Real

Auch wenn der Angreifer angibt, seinen eigenen Stil zugunsten der Mannschaftsdienlichkeit verändert zu haben ("Ich habe in dieser Saison mehr Assist-Punkte als in der letzten"), weiß Ronaldo auch, dass es gegen Barcelona vor allem auf seine individuellen Fähigkeiten ankommen wird.

Seine Torquote von 107 Treffern in 109 Pflichtspielen für Real ist atemberaubend. Noch eindrucksvoller ist die Tatsache, dass Real von 46 Liga-Spielen, in denen Ronaldo Tore erzielte, 45 gewann. Nur beim 1:1 gegen Barcelona in der vergangenen Saison sprang am Ende nur ein Remis heraus.

Blog: Real gegen Barca - Die Enstehung einer Rivalität

Bleibt die Frage, wie Madrid gegen Barcelona diesmal auftreten wird. Extrem tief oder hoch, den Gegner pressend? Xavi hat eine Vermutung.

"Ich habe sie in den Duellen zuvor oft kritisiert, weil sie gegen uns nicht ihren üblichen Angriffsstil praktiziert haben, sondern defensiver gespielt haben. Das scheint jetzt anders zu sein, so war es jedenfalls im Supercup. Ich kann mir vorstellen, dass es am Samstag wieder so laufen wird", meinte der Barca-Star.

Alles nur Bluff?

In der Tat spricht vieles dafür, dass Mourinho diesmal keine besonderen Vorkehrungen treffen, sondern auf sein gängiges 4-2-3-1 setzen wird. Die Besetzung der Defensive ist klar (Casillas im Tor; Arbeloa, Ramos, Pepe, Marcelo davor) und auch offensiv macht der Coach kein großes Geheimnis um seine Aufstellung - außer er blufft.

In Amsterdam antwortete Mourinho nämlich auf die Frage, ob Karim Benzema und Gonzalo Higuain auch gegen Barca gemeinsam angreifen werden: "Nein, die beiden werden nicht zusammen spielen. Es werden Cristiano, Di Maria und Benzema oder Higuain sein."

Blog: Taktische Vorschau El Clasico

Da Benzema gegen Ajax kurz nach der Pause ausgewechselt und geschont wurde, dürfte er wohl erste Wahl gegen Barcelona sein.

In der Zentrale wird wieder Mesut Özil von Beginn an spielen, der nach dürftigen Clasico-Leistungen in der letzten Saison immerhin im Supercup-Hinspiel traf und unter Mourinho trotz zwischenzeitlicher Wechselspiele mit Kaka weiter Fortschritte macht.

"Er hat einen großen Einfluss auf mich", sagt Özil. "Ich muss mich dafür bedanken, dass er soviel Vertrauen in mich setzt. Das hat mir in meiner Entwicklung enorm weitergeholfen."

Lass oder Khedira

Nur bei der Besetzung des defensiven Mittelfelds sind sich die Real-Fans uneins. Xabi Alonso ist gesetzt, doch wer spielt daneben? In einer Internet-Umfrage der "AS" sahen die Real-Fans Lass Diarra vorne, bei der "Marca" votierten die User für Sami Khedira, dem auch von der Fachpresse größere Chancen auf einen Startelfeinsatz eingeräumt werden.

Mourinho versucht derweil, den Ball gewohnt flach zu halten. "Es ist nur ein weiteres Spiel. Das ist das normale Leben für uns. Für die Presse ist es vielleicht ein besonderes Spiel, aber für uns geht das Leben normal weiter", meinte der Coach in Amsterdam.

Er sagte aber auch: "Was bisher passiert ist, ist nicht wichtig. Es kommt nur darauf an, was in diesen 90 Minuten passiert."

Real Madrid - FC Barcelona: die Bilanz