Schleichende Machtübernahme der Geklonten

Von Thomas Gaber
Pep Guardiola ist seit 2008 Trainer des FC Barcelona
© Getty

In seiner vierten Saison als Trainer des FC Barcelona setzt Pep Guardiola wieder einmal neue Reize. Er scheint besessen vom personellen Umbau der Mannschaft und seine Zukunft steht weiter in den Sternen. Für den Clasico gegen Real Madrid wünscht sich Barca vor allem eines: ein vernünftiges Fußballspiel.

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2012 könnte in der Ukraine und Polen die Stunde der Deutschen schlagen. 2014 sind die Brasilianer dran bei ihrem Heimspiel. 2016 und 2018 werden dann aber wieder die Jahre der Spanier. Die Furia Roja wird das Kunststück wiederholen, EM und WM en suite zu gewinnen. Soviel dürfte nach den 90 Minuten am Dienstagabend im Camp Nou feststehen.

Eine Armada pausbäckiger, Babyspeck behafteter Teenies und Twens betrat die Champions-League-Bühne und wirbelte das antike weißrussische Borissow gehörig durcheinander. Da stand keine Auswahl der weltbesten Nachwuchsspieler auf dem Platz, sondern der - despektierlich ausgedrückt - zweite Anzug des FC Barcelona.

Vier Tage vor dem 248. Clasico gegen Real Madrid kam Trainer Pep Guardiola das bedeutungslose Spiel der Königsklasse gerade recht, um sein Stammpersonal vom Dienst zu befreien und stattdessen sein "Baby Barca" in voller Pracht zu präsentieren.

Nicht Dani Alves raste die rechte Seite entlang, sondern Martin Montoya. Es waren nicht Puyol und Pique, die da verteidigten, sondern Bartra und Andreu Fontas. Und es war nicht Messi, der Borissows Defensive zerfetzte, sondern Sergi Roberto.

Alles nur geklont

"Nach diesem Spiel dürfte es auf der Welt keinen Menschen mehr geben, der die Existenz von geklonten Wesen anzweifelt", schrieb die Sportzeitung "El Crack". Und es dürfte auch niemanden mehr geben, der die Genialität des Ausbildungssystems beim FC Barcelona anzweifelt.

Guardiola hatte im Prinzip lediglich seine Stammelf eins-zu-eins ersetzt und die Schablone des Tiqui-Taca draufgelegt. Heraus kamen atemberaubende Spielzüge, Traumtore und die Dominanz, mit der Barca die Gegner seit Jahren an die Wand drückt.

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Einige Twitter-Follower der Zeitung "Sport" regten nach dem 4:0 gegen Borissow an, Guardiola solle die Barca Babes doch bitte auch im Clasico aufstellen. Guardiola wird sich davor hüten, auch wenn er einen Narren am Heranführen der Talente an die erste Mannschaft gefressen hat. Der gegen BATE eingewechselte Marti Riverola ist der 22. Debütant in der Ära Guardiola.

Guardiola besessen vom Umbruch?

Kritiker werfen ihm vor, er sei gerade zu besessen davon, den Umbruch bei Barca einzuleiten und nehme billigend in Kauf, dass die Katalanen in dieser Saison Real Madrid zumindest in der Liga hinterherhinken.

Dass Iniesta immer öfter Schaffenspausen bekommt, weil seine Muskulatur die Strapazen von bis zu 60 Saisoneinsätzen jährlich nicht mehr zulässt, wird dabei außer acht gelassen.

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Was Guardiola tatsächlich im Schilde führt, ist auch für das engste Barca-Umfeld schwer zu durchschauen. Immer wieder kokettierte der Erfolgstrainer mit seinem nahen Abschied aus Barcelona.

"Jeden Tag denke ich darüber nach, dass ich am nächsten Tag schon gehen könnte. Ich arbeite besser, wenn ich weiß, dass ich die Freiheit habe, meine Zukunft selbst frei gestalten zu können", sagte er im Oktober.

Messi will nur Guardiola

Der Verein in Person von Präsident Sandro Rosell kämpft um Guardiola und legte ihm Mitte November den roten Teppich aus.

"Er weiß, wann unsere Geschäftsstelle geöffnet ist. Er kann für ein Jahr verlängern oder sogar gleich für vier. Auf meinem Tisch liegt ein Vertrag, damit er es bequem hat und sich glücklich fühlt", sagte Rosell dem arabischen TV-Sender "Al Jazeera". Der Wunsch des Präsidenten: Guardiola soll der Alex Ferguson von Barcelona werden.

Guardiolas Vertrag läuft am Saisonende aus und allmählich kommt Rosell in die Bredouille. Am letzten Wochenende verknüpfte Lionel Messis Vater Jorge das Schicksal seines Sohnes indirekt mit Guardiola. "Leo kann sich keinen anderen Trainer als Guardiola vorstellen", sagte Jorge Messi.

Doch ein Blankovertrag ist genau das, was Guardiola nicht will. "Wenn du einen langfristigen Vertrag unterzeichnest, dann besteht die Möglichkeit, dass du die Leidenschaft für das, was du tust, verlierst. Und schließlich ist die Leidenschaft das Allerwichtigste. Der größte Reichtum für einen Menschen ist es doch, etwas zu machen, was ihm wirklich gefällt. Das ist der Grundstein all meiner Überlegungen", erläuterte er.

Immer neue Reize

Guardiola setzt ständig neue Reize, damit er diese Leidenschaft behält. Nach der Saison 2008/09 mit sechs Titeln schickte er Samuel Eto'o weg und holte Zlatan Ibrahimovic. Der aufmüpfige Schwede blieb nur ein Jahr und wurde durch David Villa ersetzt.

Vor dieser Saison kam Cesc Fabregas nach Hause und Guardiola wagte es obendrein, die Barca-DNA des 4-3-3 zu manipulieren, indem er seine Abwehr als Dreierkette verteidigen ließ. Der zwanghaft anmutende Aufbau der Talente ist nur logische Konsequenz dieser Entwicklung.

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Vielleicht ist Guardiola Samstagnacht einen Schritt weiter in seiner Zukunftsplanung. Der Ausgang des Clasicos hat wesentliche Bedeutung für den weiteren Saisonverlauf. Eine Niederlage kann sich der FC Barcelona nicht leisten. Real Madrid ist drei Punkte weg und hat noch ein Spiel in der Hinterhand.

"Virtuell wäre Barca bei einer Niederlage neun Punkte hinten dran. Das kann man gegen ein Real Madrid in der derzeitigen Verfassung nicht mehr aufholen", sagte Barca-Legende Johan Cruyff.

Xavi: Hoffentlich spielt Real Fußball

Eine etwaige Entscheidung der Meisterschaft ist bei den Spielern des FC Barcelona kein Thema. "Wir beschäftigen uns doch nicht mit dem 'Was wäre wenn?' Bei Barca haben Niederlagen keinen Platz, nicht mal gedanklich. Wir können am Samstag eine Art Wendepunkt einleiten. Das ist doch toll", sagte Xavi am Mittwoch.

Im Bernabeu zu spielen, erhöhe per se die Konzentration jedes Barca-Spielers, so Xavi. "Ich messe mich gerne mit den besten Teams, egal in welchem Stadion. Aber im Bernabeu spiele ich besonders gerne. Und vor allem gewinne ich da sehr gerne." In den letzten vier Pflichtspielen war dies drei Mal der Fall.

Obwohl Real Madrid 14 Siege in Folge feierte und Barca in dieser Saison auswärts selten überzeugen konnte, sieht Xavi ein Duell auf Augenhöhe.

"Real spielt guten Fußball. Das war zuletzt nicht immer so. Ich begrüße das, weil die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass der Clasico ein Spektakel wird. In den letzten Clasicos wurde viel über die Schiedsrichter diskutiert. Ich kann nur für Barca sprechen: Wir werden versuchen, das Spiel durch unseren fußballerischen Stil zu gewinnen. Es wäre schön, wenn Real das auch täte."

Vilanova kehrt zurück

Im Bernabeu wird Co-Trainer Tito Vilanova erstmals nach seiner Tumor-OP in der Ohrspeicheldrüse wieder auf der Bank sitzen. "Das ist die schönste Nachricht dieser Saison und gibt uns extra Motivation", sagte Xavi.

Der ein oder andere Nachwuchsmann wird ebenfalls mit nach Madrid reisen. Isaac Cuenca und Thiago Alcantara gehören ohnehin schon zum erweiterten Stamm.

Das 4:0 der Nachfahren gegen Borissow hat Tribünengast Xavi übrigens recht gut gefallen. "Das Spiel hat gezeigt, dass dieser Verein rundum gesund ist und eine große Zukunft vor sich hat." Einspruch zwecklos.

Real Madrid - FC Barcelona: die Bilanz