Zwischen Tollpatsch und Zidane

Von Stefan Rommel/Florian Scheitenberger
Mesut Özil und Sami Khedira standen in jedem Ligaspiel für Real Madrid auf dem Platz
© Getty
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6. Oktober

Khedira und Özil weilen für die EM-Qualifikationsspiele gegen die Türkei und Kasachstan beim DFB-Team. Dort gibt es erneut verbale Streicheleinheiten vom Bundestrainer.

"Real Madrid gehört zu den renommiertesten Klubs der Welt. Da ist der Druck natürlich besonders groß, weil das Team mit Weltstars gespickt ist. Gerade angesichts der kurzen Vorbereitung haben beide dort bisher unglaublich viel Positives geleistet", ist Löw begeistert von den Leistungen der beiden.

8. November

Ein Özil-Freistoß sichert Real den Sieg im Stadtderby gegen Atletico. Aber es ist nicht der Ex-Bremer, der sich die Elogen seines Trainers abholen darf.

"Man spricht immer von den spektakulärsten Spielern. Aber wenn ich nach diesem Spiel jemanden auswählen müsste, wären es Khedira und Ricardo Carvalho, die sich zwischen so viel Magie und Qualität der anderen Mitspieler verbergen", erklärt Jose Mourinho.

29. November

Das Beben. Die Schmach. Die Demütigung. Real verliert den Clasico mit 0:5. Selbst ein zweistelliges Ergebnis wäre auf Grund des Spielverlaufs und der Tatsache, dass Barca zwei Klassen besser war, möglich gewesen.

Die Medien prügeln auf die Mannschaft ein, die Stadt ist quasi paralysiert. Im Vorfeld hatten zahlreiche Experten den Königlichen durchaus etwas zugetraut im Camp Nou. Und dann das.

Aber es sind nicht unbedingt Özil und Khedira, die nach ihrem ersten Clasico am meisten abbekommen. Sie genießen bei der teilweise gnadenlosen spanischen Presse gewissermaßen Welpenschutz. Lediglich Khedira sei "im defensiven Mittelfeld untergegangen". Aber wer in Weiß ist das an diesem Abend nicht?

"Ein göttliches Barca demütigt Real und Mourinho. Pep Guardiola erteilt Mourinho eine Lektion", schreibt die italienische "Gazzetta dello Sport" nicht ohne Häme über ihre einstige Hassliebe Mourinho.

Vielleicht kommt die vernichtende Niederlage gerade zum richtigen Zeitpunkt. "Wir haben noch jede Menge Arbeit vor uns", gesteht Mourinho ein. Er wusste es vermutlich schon vorher...

Backstage: An diesem denkwürdigen Abend knabbern die Madridista noch heute - und sehr wahrscheinlich bis zum Rückspiel Mitte April im Bernabeu.

"Die Nacht von Barcelona wiegt immer noch enorm, es war eine Zäsur. Das Spiel schwebt wie ein Damoklesschwert über der ganzen Mannschaft. Alle erwarten in Madrid, dass diese Schmach beim Rückspiel im Bernabeu wettgemacht wird", beschreibt Gutierrez die Selbstverständlichkeit, mit der Barca im Rückspiel aus dem Stadion gefegt werden muss.

4. Dezember

Eine Woche später betreibt Real zumindest ein wenig Wiedergutmachung. Im Verfolgerduell gegen Valencia siegen die Königlichen 2:0, die beiden Deutschen werden aus taktischen Gründen spät in der Partie ausgewechselt. Khedira wird bis heute keine Partie mehr über die gesamten 90 Minuten spielen.

Der Ton hat sich inzwischen aber verändert. Die Presse schießt sich immer mehr auf Khedira ein. Seinen Stammplatz hat er an Lass Diarra verloren, spielt nur noch Teilzeit.

7. Januar

Nach dem Pokal-Viertelfinale gegen Levante (0:2, Hinspiel allerdings 8:0), das Real mit einer besseren B-Elf und mit Khedira bestreitet, motzt die "AS": "Die meisten Reservisten, vor allem Khedira und Pedro Leon, zeigten eine Gefühlskälte wie französische Schauspielerinnen." Die Zeitung "ABC" bezeichnet ihn als "Totalausfall".

Ungeachtet dessen findet Löw zum Jahreswechsel erneut lobende Worte für seine beiden Legionäre. "Man merkt ihnen an, dass sie reifer geworden sind. Ich habe den Wechsel von Anfang an begrüßt, weil Stuttgart und Bremen nicht den Anspruch haben können, jedes Jahr Champions League zu spielen und weit zu kommen."

Auch Ex-Real-Trainer Bernd Schuster haben Khedira und Özil positiv überrascht. "Ehrlich gesagt, hatte ich Zweifel. Ich habe diese beiden Verpflichtungen nicht verstanden. Sie waren aus meiner Sicht überflüssig, weil Real auf diesen Positionen gut besetzt war. Aber beide Deutsche haben bewiesen, dass sie reinpassen."

Spaniens größte Sporttageszeitung "Marca" besteht aber auf ihren Zweifeln und fährt ihre harte Linie gegen Khedira weiter: "Mourinho ist begeistert von Khedira, aber viele verstehen nicht, warum. Von einem zentralen Mittelfeldspieler bei Real Madrid erwartet man viel mehr."

Im großen Teamranking der "Marca" für die Hinrunde belegt Khedira zusammen mit Ramos, Canales und Diarra mit fünf von zehn möglichen Punkten den letzten Platz. Özil steht mit acht Punkten im vorderen Drittel.

Backstage: Die sportliche Bilanz bisher: Özil steht bei fünf Toren in der Liga und einem in der Champions League. Bis auf das bedeutungslose CL-Rückspiel gegen Auxerre stand der Ex-Bremer in jeder Partie auf dem Platz.

Khedira kam ähnlich oft zum Einsatz, fehlte in zwei Partien der Königsklasse. Zuletzt fand er sich aber immer öfter auf der Bank wieder. Der Ausraster von Konkurrent Diarra beim letzten Heimspiel gegen Villarreal könnte Khedira aber wieder in die Karten spielen.

Angst vor der Zukunft hat der 23-Jährige jedenfalls nicht. "Madrid ist für mich ein Mix aus Herausforderung und Chance, sich weiterzuentwickeln. Ich bin froh, den Schritt gewagt zu haben. Ich bin inzwischen voll integriert. Die Kollegen haben gesehen, dass ich gewillt bin, mich anzupassen - an Mentalität und Spielweise."

Und trotzdem bleibt Real Madrid ein heißes Pflaster. Miguel Gutierrez weiß das genau.

"Es wird viel von ihrem ersten Jahr abhängen und ob Real einen Titel holt. Das Geschäft in Madrid ist sehr schnelllebig, nach einer Saison kann man schnell weg vom Fenster sein. Der Name Steven Gerrard wird neuerdings (wieder) in Madrid diskutiert."

"Sollten sie bereits im ersten Jahr scheitern, kann es danach ganz schwer in ihrer Karriere werden. Welche Klubs zahlen solche Gehälter weiter? Dennoch ist man hier in Madrid mit den Deutschen eigentlich immer gut gefahren. Ich denke, sie werden sich durchsetzen."

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