Ein Märchen auf Zeit

Von Thomas Gaber
Die Mannschaft von RCD Mallorca: die Champions League lockt
© Getty

RCD Mallorca ist auf dem Weg in die Champions League - mit einem harten Hund und einer Mannschaft ohne Stars. Die Begleiterscheinungen sind denkbar ungünstig. Geld ist keins da und am Mittelmeer wird lieber gechillt.

Cookie-Einstellungen

Aritz Aduriz war außer sich. Weil Alhassane Keita bei einem Angriff das Tempo rausnahm und den Ball vertändelte, bekam er die Wut seines Mitspielers zu spüren. Erst flogen Wortfetzen, dann die Fäuste. Aduriz schlug Keita auf die Brust, der revanchierte sich mit einer zünftigen Ohrfeige.

Das blamable Ende eines enttäuschenden Nachmittags für RCD Mallorca. Dabei hatte der Inselklub im Heimspiel gegen den FC Malaga erst in der Nachspielzeit das 1:1 erzielt. Torschütze war übrigens Stürmer Aduriz, eingeleitet wurde der Treffer von Keita.

Ein Punkt gegen einen Abstiegskandidaten ist im Kampf um Champions-League-Plätze dennoch zu wenig. Zumal Mallorca zuhause fast alles wegschießt. 14 Siege bei nur zwei Niederlagen und dem Remis gegen Malaga stehen zu Buche.

"Ich weiß gar nicht, was die wollen? Die Mannschaft spielt doch eine phantastische Saison. Nur weil man 1:1 spielt, muss sich doch nicht an die Gurgel springen", sagt Joan Forteza.

Der 74-Jährige schoss vor 50 Jahren das erste Tor für Mallorca in der Primera Division und gehört zu den "Veteranos", die sich bis heute regelmäßig in einem Raum des Stadions ONO Estadi treffen, um die Spiele zu sehen und über gute alte Zeiten zu plaudern.

Eiserne Hand

Aktionen von Halbstarken wie Aduriz und Keita sind Forteza ein Dorn im Auge. "So etwas hätte es bei uns nicht gegeben. Wir waren Freunde und sind mit unseren Fans nach dem Training oder nach Spielen in die Bar gegangen", erzählt der ehemalige Stürmer.

Die Streithähne haben sich ausgesprochen, sich bei den Kollegen entschuldigt und versichert, dass so etwas nicht mehr vorkommen wird. Der Verein hat trotzdem ein Disziplinarverfahren gegen Aduriz und Keita eingeleitet. "Sie werden angemessen bestraft", sagte Trainer Gregorio Manzano.

Der 53-jährige Coach steht vor dem größten Erfolg seiner Laufbahn. 2003 holte er mit Mallorca den spanischen Pokal. Über Atletico Madrid und Malaga kam er im Februar 2006 zurück auf die Insel. Seitdem regiert Manzano mit eiserner Hand.

"Gregorio ist ein sehr kluger und besonnener Mensch. Er weiß genau, was man mit diesem Klub erreichen kann. Utopische Dinge sind mit ihm nicht zu machen. Er ist freundlich, aber hart. Disziplin steht bei ihm über allem", sagt Ricardo Moar, Sportdirektor von Deportivo La Coruna, im Gespräch mit SPOX.

Ärger mit zwielichtigen Industriellen

Einen leichten Job hat Manzano keineswegs. Da der Verein chronisch blank ist, muss er jedes Jahr eine neue Mannschaft formen. Viele Leistungsträger sind nur auf Leihbasis da. "Das ist Mallorcas Problem. Der Klub ist pleite und kann sich nur mit Leihgeschäften gute Spieler leisten", sagt Moar.

Depors Sportchef ist aber beeindruckt von der aktuellen Mannschaft. "Die ist brillant zusammengestellt worden. Kompromisslose Abwehrspieler, feine Techniker wie Chori Castro und Borja im Mittelfeld und ein guter Angriff. Das Team ist sehr homogen. Mallorca spielt einen schnellen Konterfußball. Das sind alles gute Fußballer. Und es gibt keine Stars - der Teamgedanke zählt."

Mallorcas Erfolg ist aber wohl nur eine Episode. Um dauerhaft mit den "Bonzen" der Primera Division mithalten zu können, bedarf es einer grundlegenden Reformierung des Vereins. Monatelang wurden die Aktienpakete hin- und hergeschachert. Potentielle Käufer sprangen in letzter Sekunde ab.

Im August 2008 gab Präsident Mateu Alemany 93 Prozent seiner Aktien an eine zwielichtige Investmentgruppe ab. Für vier Millionen Euro wechselte RCD Mallorca damals den Besitzer. Wenige Wochen später musste der neue Inhaber ein großes Finanzierungsloch zugeben. Alemany kaufte den Verein zurück und ist seit November 2009 wieder größter Aktionär des Klubs.

Hoher Schuldenberg

"Das steckt kein Team so locker weg. Ich habe mich vor die Mannschaft gestellt und gesagt: 'Entweder wir lassen uns von diesem Chaos mitreißen oder wir machen so weiter und tun das, was uns unsere Ehre als Fußballer gebietet. Die Mannschaft hat sich für Letzteres entschieden", sagt Manzano voller Stolz.

An der prekären finanziellen Lage hat sich aber wenig geändert. 40 Millionen Euro Schulden drücken den Klub. Im Schattenkabinett des neuen Präsidenten Bartomeu Vidal zieht der in Palma de Mallorca geborene Unternehmer im Hintergrund weiterhin die Fäden.

Bei der Akquise nach potentiellen Geldgebern legt sich Alemany gerne mit der Politik an. "Die lokale Politik, unabhängig von der Farbe der Partei, hat offenbar kein Interesse an Fußball. Sie leben in ihrer Welt. Wir müssen das so hinnehmen. Von der Politik erwarte ich sowieso nichts."

Alemany tastet jeden Winkel ab, um RCD Mallorca finanzie auf die Beine zu helfen. "Mallorca ist nach wie vor eine sehr beliebte Urlaubsregion. Vielleicht kann uns die Hotellerie ja helfen. Erste Gespräche haben bereits stattgefunden."

Kein Brunch mit Bilbao

Um Geld zu sparen, wagt sich Alemany auf dünnes Eis. Er weigert sich beharrlich, die letzte Rate für Raufbold Aduriz an Athletic Bilbao zu zahlen. Aduriz kam 2006 für sechs Millionen Euro von Bilbao nach Mallorca.

Ex-Präsident Vicenc Grande hatte mit Athetlic mehrere Raten in Höhe von 1,5 Millionen Euro vereinbart. Die letzte Rate wäre am 1. Januar 2010 fällig gewesen. Alemany will von diesem Geschäft nichts wissen. Pikanterie am Rande: Kommenden Sonntag stehen sich beide Vereine gegenüber, der obligatorische Brunch der Klubbosse vor dem Spiel fällt aus.

Mallorca kämpft geen klamme Kassen und mangelndes Interesse der Inselbewohner am Fußball. 23.142 Zuschauer fasst das ONO Estadi. Wenn nicht Real Madrid oder der FC Barcelona zu Gast sind, ist das Stadion halbleer.

"Die Mallorquiner sind eher Fans von Real Madrid oder Barcelona - wenn sie überhaupt etwas für Fußball übrig haben. Sie leben in einer etwas anderen Welt. Das Wetter ist immer schön, rundherum ist das Meer. Da wird lieber gechillt als ins Stadion gegangen", sagt Moar.

Manzano sieht es ähnlich: "Als Team, das für die Fernsehsender nur bedingt interessant ist, müssen wir etwa 14 der 19 Heimspiele sonntags um 17 Uhr austragen. Um diese Uhrzeit kann man auf Mallorca viele schöne Dinge tun."

Messis Sohn soll's sein

Die Teilnahme an der Champions League könnte einen Schub geben. Trotz des 1:1 gegen Malaga ist Mallorca nach wie vor Vierter in Spanien. "Wir haben alles noch selbst in der Hand. Ich will in diese verdammte Champions League", sagt Alemany.

2001/02 durfte Mallorca unter dem deutschen Trainer Bernd Krauss schon einmal Königsklassen-Luft schnuppern. Damals standen Stars wie Leo Franco, Samuel Eto'o oder Albert Luque im Kader. "Eto'o war der größte Spieler, der je das Trikot von Mallorca getragen hat. Wir werden keinen Leo Messi verpflichten können, aber vielleicht irgendwann seinen Sohn", sagt Alemany.

Träumen darf erlaubt sein auf einer Mittelmeerinsel.

RCD Mallorca: Kader, Ergebnisse, Termine