Das neue Gesicht des Guardiolismo

Von Andreas Lehner
Barca-Stürmer Pedro (r.) erzielte 2009 in sechs Wettbewerben mindestens einen Treffer - Rekord!
© Getty

Sein Vorbild war Rivaldo, seine Karriere beim FC Barcelona schon fast vorbei. Jetzt ist Pedro ein fester Bestandteil Barcas und eine historische Person. Pep Guardiola sei Dank.

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Die internationale Regie wollte es nicht glauben. In der 115. Minute erzielte Barcelona im europäischen Supercup-Finale in Monaco gegen Donezk das entscheidende Tor und die Fernsehmacher waren wohl davon überzeugt, dass ein Spiel von dieser Bedeutung auch von einem Spieler mit einem großen Namen entschieden werden müsse.

Also hielt die Kamera auf Lionel Messi und sein Name wurde als Torschützen eingeblendet.

Zugegeben, der Argentinier hatte das Tor mit einem wunderbaren Pass vorbereitet, die Ehre des Torschützen gebührte aber einem bis dato der Weltöffentlichkeit relativ unbekannten Nachwuchsspieler: Pedro, oder Pedrito, wie er in der zweiten Mannschaft genannt wurde.

Sechs Tore in sechs Wettbewerben

Mittlerweile haben sich alle Regisseure das Gesicht des 22-jährigen Pedro Rodriguez Ledesma aus Abades, einem kleinen Fischerdorf auf Teneriffa in der Provinz Santa Cruz, eingeprägt.

Das Tor im Supercup in Monaco war sein zweites im zweiten Spiel der Saison. Zuvor hatte er schon im spanischen Supercup gegen Athletic Bilbao getroffen. Es folgten Treffer in der Liga, im Pokal, in der Champions League und bei der Klub-WM.

Pedro ist damit der erste Spieler der Fußball-Geschichte, der in sechs verschiedenen Wettbewerben innerhalb eines Jahres getroffen hat. Keinem Gerd Müller, keinem Marco van Basten, keinem Ronaldo und auch keinem Messi war dies gelungen. Pedro brauchte gerade mal vier Monate dafür.

"Niemand hat das zuvor geschafft und man kann auch höchstens davon träumen. Ernsthaft daran glauben kann man eigentlich nicht", sagte Pedro. Was er anfasst, wird zu Gold.

Guardiola ist sein Mentor

Damit geht es ihm in etwa genauso wie seinem Trainer Pep Guardiola, der als Barca-Trainer bislang alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gab - bis Barca Mitte Januar das Sevilla-Malheur im spanischen Pokal passierte (1:2/1:0).

Guardiola ist Pedros Mentor. Er brachte ihn bei Barca B auf den richtigen Weg. "Er hat mir sehr viel beigebracht, vor allem wie ich mich taktisch auf dem Platz verhalten muss. Er setzt sehr viel Vertrauen in mich und gibt mir viele Möglichkeiten", sagt Pedro.

Guardiola im Porträt: Vom Zögling zum Mythos

Manchmal auch mit unkonventionellen Mitteln: "Guardiola sagt mir immer, ich muss noch frecher werden. Ich soll auf die Gegner zugehen und ihnen notfalls den Ball durch die Beine spielen. Pep sagt aber auch, dass ich den Gegner nie lächerlich machen darf."

"Morgen um vier im Camp Nou"

Als Guardiola 2007 Trainer der zweiten Mannschaft wurde, bekam er die Information, dass sich der Verein von einem gewissen Pedrito trennen will. "Wenn er auf dem Flügel spielt, will ich ihn sehen", sagte Guardiola, der genau wusste, dass es fähige Außenspieler nicht im Überfluss gibt. Er sah ihn sich genauer an - und Pedrito blieb.

Am 11. Januar 2008 erhielt Guardiola eine Nachricht vom damaligen Chefcoach Frank Rijkaard, dass Santiago Ezquerro verletzt sei und Rijkaard einen Angreifer für die Profi-Mannschaft brauche. Für Guardiola war die Wahl klar.

"Pedrito, nimm deine Schuhe, deinen Personalausweis und komm morgen um vier Uhr zum Camp Nou", sagte Guardiola zu Pedro. Am nächsten Tag wurde er beim 4:0 gegen Murcia zum ersten Mal eingewechselt. Ein weiterer Kurzeinsatz folgte zwei Monate später.

Pendler zwischen den Teams

In der vergangenen Saison pendelte er ständig zwischen erster und zweiter Mannschaft hin und her, kam bei den Profis aber auch nur zu sechs Einsätzen in der Liga, drei im Pokal und vier in der Champions League. Im Finale wurde er in der Nachspielzeit für Andres Iniesta eingewechselt.

Dass er nicht öfter zum Einsatz kam, bereitete auch Guardiola Bauchschmerzen: "Jedes Mal, wenn ich ihn von der Liste streichen musste, fühlte ich mich schlecht, weil ich es ungerecht fand. Aber er ging zur zweiten Mannschaft, spielte gut, erzielte ein Tor und kam am Montag mit einem Lächeln zurück."

Das spricht auch für den integeren Charakter des 1,69 Meter großen Pedros, der eigentlich Rechtsfuß ist, den Ball aber für gewöhnlich mit links führt. Dadurch kann er auf beiden Flügeln und auch in der Sturmmitte spielen.

"Pedro hat Charme. Ihm ist es völlig egal, ob er im Champions-League-Finale in der Nachspielzeit die Bälle auf die Tribüne hauen, oder als Sturmführer die Tore erzielen soll. Er erledigt einfach seinen Job", sagt Josep Maria Artells, stellvertretender Chefredakteur von "El Mundo Deportivo".

"Wenn Du Fußballspieler werden willst, dann geh'!"

Pedro ist der Spielertyp, über den man gerne sagt: Er will einfach nur spielen. Als er ein kleiner Junge war und ihn die Freunde seines älteren Bruders in den Straßen Abades' nicht mitspielen ließen, stand er vor dem Haus seiner Eltern und weinte.

"Ich war 6 und sie etwa 18. Sie sagten, dass ich mir nur weh tun würde. Das hat mich unglaublich geärgert", erinnert sich Pedro. Also klemmte er sich seinen Ball unter den Arm und ging auf die nahe gelegene Sportanlage, feilte an seiner Ballkontrolle und übte Torschüsse und Dribblings. Später wollte er sein wie Rivaldo, weil er wie sein Bruder und seine Mutter schon immer Barca-Fan war.

2004 sah ihn Josep Colomer, der damalige Leiter von Barcas Jugendakademie La Masia, bei einem Turnier in Adejo und wollte ihn sofort nach Barcelona holen. Pedros Mutter sagte: "Diese Chance bekommt man nur einmal im Leben. Wenn Du Fußballspieler werden willst, dann geh'!"

Pedro ging und ist jetzt der nächste La-Masia-Schüler, der den Sprung in die Profi-Mannschaft geschafft hat. "Wenn er Brasilianer wäre, würden sie ihn Pedrinho nennen und wir hätten nicht das Geld, ihn zu holen", scherzt Guardiola über sein Juwel.

Stolzer Pedro: "Mein Wort hat schon Gewicht"

Pedro ist für ihn viel mehr als ein guter Spieler. Pedro ist ein Symbol für die Grundidee Guardiolas, dem "Guardiolismo", wie die Spanier sagen. Er fördert die Talente des Vereins und schätzt deren Spielweise, weil auch er selbst die Barca-Schule durchlief und die Philosophie des Vereins über alles stellt. Vor der Saison auf Engpässe in seinem Kader angesprochen, antwortete er: "Wenn wir jemanden brauchen, lassen wir unsere Kinder ran."

Pedro ist gerade dabei, erwachsen zu werden. Den drei Jahre jüngeren Bojan Krkic hat er mit seinem Entwicklungssprung im letzten Halbjahr hinter sich gelassen, in der Team-Hierarchie ist er gefährlich nahe an Thierry Henry heran gekommen.

Die "Cantera", dem Steinbruch, wie Barcas Ausbildungsstätte auch genannt wird, schmiedet eiserne Bände. "Die Jungs aus der Cantera, Puyol, Xavi, Iniesta und Valdes, haben mir sehr geholfen. Mein Wort hat schon Gewicht in der Kabine", erzählt Pedro.

Und auch wenn er manchmal immer noch mit offenem Mund auf dem Trainingsplatz steht, "wenn ich Messi, Ibra oder Xavi am Ball sehe", hat Pedro mit 22 Jahren schon seine eigene Geschichte zu erzählen. Treffer in sechs Wettbewerben, in den Geschichtsbüchern verewigt.

Und das nächste Ziel? Das hat Pedro auch schon klar vor Augen. "Es wäre ein Traum, gegen Real Madrid zu treffen", sagt der 22-Jährige. Beim 1:0 im Hinspiel war er nicht dabei, am 11. April 2010 hat er die nächste Gelegenheit dazu.

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