Der Ingenieur liebt die Ästhetik

Von Thomas Gaber
Der Trainer und sein Chef: Manuel Pellegrini (l.) mit Real-Präsident Florentio Perez
© Getty

Der introvertierte Manuel Pellegrini will dem Star-Ensemble von Real Madrid höchst ansehnlichen Fußball beibringen. Wer nicht mitzieht oder überflüssig ist, muss gehen. Pellegrini ist hart, aber ehrlich. Die Bosse schätzen ihn, die Spieler fürchten ihn. Pellegrini besitzt die Allmacht.

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Rafael van der Vaart sprang vor Freude im Dreieck. Die Nachricht, dass Manuel Pellegrini das Rennen um den begehrtesten Trainerjob der Welt gewann, ließ den Niederländer von einer zweiten Karriere bei Real Madrid träumen. Einer glücklicheren. Van der Vaart war in seinem ersten Jahr bei dem königlichen Klub nie über den Status des Ergänzungsspielers hinaus gekommen.

Sechs Wochen nach Pellegrinis Start in Madrid hat van der Vaart aufgegeben. "Der Trainer hat mir gesagt, dass ich nicht spielen werde. Es macht für mich keinen Sinn mehr, hier zu bleiben", sagte der 26-Jährige am vergangenen Sonntag.

Kommunikation geht über alles

Seinen Spielern die Meinung ohne Umschweife ins Gesicht zu sagen, gehört zu Pellegrinis Prinzipien. "Ich habe mir in den letzten Wochen jeden Spieler einzeln vorgenommen und ihnen erzählt, was ich von ihnen verlange und wie ich ihre Zukunft bei Real Madrid einschätze. Jeder Spieler weiß genau Bescheid über seine Situation", sagte der Nachfolger von Juande Ramos.

Pellegrini hat klare Vorstellungen davon, wie eine Fußballmannschaft zu funktionieren hat. Kommunikation war stets ein wichtiger Baustein in seiner erfolgreichen Trainerlaufbahn, die den Chilenen über Quito in Ekuador, San Lorenzo und River Plate in Argentinien und den FC Villarreal nach Madrid geführt hat.

"Ein Trainer, der sich nur mit Fußball beschäftigt, hat Defizite, wenn er eine Gruppe leitet, in der es unterschiedliche Mentalitäten und Auffassungen gibt. Daher ist es wichtig, jedem Spieler jene individuelle Zuwendung zu geben, die er benötigt, um sein Potential voll entfalten zu können", sagt Pellegrini.

Wenn das Potential eines Spielers nicht ausreicht, sieht es der 55-Jährige als seine Pflicht an, den Spieler darüber zu informieren. Wie im Fall van der Vaart. Pellegrini: "Eine Fußballmannschaft ist ein sensibles Gebilde. Jeder Spieler hat seinen eigenen Charakter. Ich versuche, alle fair zu behandeln."

Real lechzt nach gutem Fußball

Das hat Pellegrini mit seinem Ex-Verein Villarreal getan. Lange bevor Real das Werben um den Coach intensivierte, informierte er den Präsidenten über seinen geplanten Abgang.

Die Angebote für Pellegrini stapelten sich seitdem wie ein Berg dreckige Wäsche. Pellegrinis Berater Jesus Martinez gab zu, dass sein Klient die Vielzahl der Anfragen nicht so einfach ignorieren könne. Den Zuschlag bekam Real Madrid - auch für Pellegrini das Ziel seiner Träume.

"Er ist genau der Mann, den wir jetzt brauchen. Er möchte guten Fußball, wir auch", sagte Reals Sportdirektor Miguel Pardeza.

Guten Fußball gab es in den letzten Jahren spärlich zu sehen im Estadio Santiago Bernabeu. Seit Vicente Del Bosque, der 2000 und 2002 die Champions League gewann, versuchten es acht Trainer vergeblich, Real Madrid ein Gesicht zu geben. Pellegrini kommt bei den hohen Herren von Real und den Fans gut an, wenn er sagt: "Es besteht eine ästhetische Verantwortung gegenüber dem Publikum."

Flexible Taktik

Mit den Neuzugängen Kaka und Cristiano Ronaldo bekam Pellegrini die Ästhetik von Florentino Perez geschenkt. Xabi Alonso ist das neueste Puzzlestück in Pellegrinis Wunschformation. Der neue Präsident stellte den Empfängern Milan, Manchester United und FC Liverpool dicke Schecks aus, um "den seit Jahren dahinsiechenden Klub der Götter" (Sportzeitung "AS") zu neuem Leben zu erwecken.

Pellegrini weiß, dass er mit den Galaktischen, Volume II, Titel holen muss. Und er ist sich der Tragweite seiner Entscheidungen bewusst: "Alles, was ich machen werde, wird man infrage stellen. Aber damit habe ich kein Problem. Druck lässt mich nicht einknicken. Druck motiviert mich."

Pellegrini ist kein Trainer, der seine Mannschaft stur in ein System presst. Die Taktik ist flexibel und richtet sich nach den Spielern, die ihm zur Verfügung stehen. Das Schicksal von Villarreal legte er lange Zeit in die Hände von Roman Riquelme und fuhr ganz gut damit. Als Riquelme seine Sonderrolle, die Pellegrini seinen Stars ausschließlich auf dem Platz gewährt, missbrauchte, bekam er die Quittung und flog aus dem Kader.

Ronaldo beneidet Pellegrini nicht

In Madrid hat Pellegerini so viele Stars um sich, dass er gar keine andere Möglichkeit hat, als den einen oder anderen mal auf die Tribüne zu setzen.

"Es ist wirklich eine schwierige Aufgabe für den Trainer. Aber wir alle respektieren einander. Der Konkurrenzkampf ist sehr gut und ich bin glücklich, zu dieser Gemeinschaft von Spielern zu gehören", sagte Ronaldo. "Wir müssen nur daran denken immer zu gewinnen, schließlich ist es das, was Real Madrid gewohnt ist. Wir haben eine fantastische Mannschaft und einen fantastischen Trainer."

Der fantastische Trainer will, dass seine fantastische Mannschaft permanent den Ball hat, einhergehend mit der Verlagerung des Geschehens in die gegnerische Hälfte. Wie Riquelme in Villarreal dürfen sich auch Ronaldo, Kaka und Co. auf dem Platz austoben - wenn der Ertrag nicht zu Lasten des Erfolgs geht. In der Vorbereitung bemängelte Pellegrini die Unaufmerksamkeiten bei Standardsituationen und die Rückwärtsbewegung.

"Diese Sachen haben wir bislang noch nicht genug trainiert, ganz klar. So dürfen nicht so viele Tore kassieren. Wir müssen daran arbeiten", analysierte der Chilene. Saisonstart in Spanien ist am 23. August. Die erste Elf hat der Coach noch nicht im Kopf: "Ich weiß nicht, wie unsere Startelf aussehen wird. Wir bewerten die Leistungen der Spieler und geben ihnen Zeit zu spielen. Dann treffen wir unsere Entscheidung."

Alle Macht dem Trainer

Generaldirektor Jorge Valdano fordert alle Beteiligten auf, diese Entscheidungen zu akzeptieren und des Trainers Autorität nicht zu untergraben: "Manuel ist der Chef der Spieler, seine Entscheidungen werden wir bedingungslos verteidigen."

Van der Vaarts Ausbootung hat man akzeptiert und den Preis für den abtrünnigen Niederländer festgelegt: Minimum 13 Millionen Euro. Mit Zahlen kennt sich Pellegrini nicht aus. Er hat Ingenieur-Wesen studiert und zieht daraus seine Denkweise. "Ingenieur-Wesen ist eine Disziplin, die geordnete Gedanken verlangt. Das hilft mir, logisch zu denken und rational zu entscheiden."

Im Fall van der Vaart hat er das getan.

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