Der größte Deal des Sommers

Von Stefan Rommel
Zlatan Ibrahimovic erzielte in Mailand in drei Jahren 57 Liga-Tore für Inter
© Getty

Am Montag wird Zlatan Ibrahimovic beim FC Barcelona als neuer Stürmer vorgestellt - einen Tag später sollen Samuel Eto'o und womöglich auch Alexander Hleb den umgekehrten Weg gehen und bei Inter Mailand anheuern. Das spektakulärste Tauschgeschäft des europäischen Fußballs steht an. Aber macht der Deal auch Sinn? Vor allem aus Sicht von Barcelona bleiben berechtigte Zweifel.

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In den Merchandise-Stores des FC Barcelona herrscht nach eher gemächlichen Tagen plötzlich wieder große Aufregung.

Die Shirts mit den Evergreens Messi oder Henry verkaufen sich immer noch recht passabel, der Renner der letzten Tage sind aber die Jerseys von Barcas neuem Superstar.

Ein offizielles Shirt von Zlatan Ibrahimovic gibt es noch gar nicht - und trotzdem wird die Stadt mittlerweile schon mit "Zlatan, Nummer 9" bedruckten Shirts überschwemmt.

"Für mich ist er 100 Millionen wert"

Am Sonntagabend landete der Schwede in Barcelona, am Montag wird er vorgestellt. Nur der Medizincheck fehlt noch, um das Geschäft endgültig perfekt zu machen.

Der Transfer-Sommer hat dann sein teuerstes Kind geboren. Denn im Schatten des Einkaufswahns von Real Madrid oder Manchester City werden es die Geschäftspartner Barcelona und Inter Mailand sein, die den größten Deal der Transferperiode abwickeln.

Neben den beiden Klubs und Zlatan sind auch Samuel Eto'o, Alexander Hleb und kolportierte 48 Millionen Euro Bestandteile des Transfers.

"Das Geschäft ist außergewöhnlich, es ist der Deal des Sommers", sagt Inter-Coach Jose Mourinho. "Für mich ist er 100 Millionen Euro wert, denn Eto'o ist genauso wertvoll wie Ibrahimovic."

Wie Mourinho sehen es viele und fast alle suchen den tieferen Sinn des Mammut-Geschäfts. Denn anders als bei den anderen großen Transfers des Sommers bisher wirft der Tausch etliche Fragen auf und wird von Experten, Fans und Spielern kontrovers diskutiert.

Warum geht Barca das Geschäft überhaupt ein? Bis vor wenigen Tagen war der Triple-Gewinner zusammen mit Aufsteiger Xerez der einzige spanische Klub, der keinen einzigen Cent für Neuzugänge ausgegeben hatte. Dann kam mit Maxwell ein erster zögerlicher Transfer. Angesichts des königlichen Rundumschlags in Madrid und des damit wachsenden Drucks der Öffentlichkeit entschloss sich das Präsidium zum Mega-Deal. Eine Spur Eitelkeit und vielleicht auch ein kleiner Komplex dem ewigen Rivalen gegenüber (Laporta: "Reals Politik hat imperialistische Züge") spielen sicherlich auch eine Rolle, schließlich will das verwöhnte Publikum jedes Jahr zumindest einen neuen Star präsentiert bekommen.

Ein weiteres Argument: Nach der Erfahrung von 2007, als Barca nach zwei überragenden Spielzeiten in ein Loch fiel, zog Laporta den Schluss: Um absolutes Topniveau über einen längeren Zeitraum konstant aufrecht zu erhalten, braucht man - auch und gerade nach Erfolgen - partiell eine Blutauffrischung.

Noch wichtiger in der Entscheidungsfindung war allerdings Samuel Eto'os Wunsch zu wechseln. Letzte Saison hatte der damals neue Trainer Pep Guardiola den Kameruner als Stinkstiefel ausgemacht und wollte Eto'o loswerden. Erst auf Anraten von Kapitän Carles Puyol änderte Guardiola seine Meinung und ging die Zweckehe ein. Mit großem Erfolg. Noch eine Saison auf der Rasierklinge mit dem schwierigen Eto'o wollte sich der Trainer aber nicht zumuten - und ein Hickhack wie vor der letzten Saison, als Eto'o mit fast jedem europäischen Topklub und selbst Kuruwtschi Taschkent aus Usbekistan flirtete, um jeden Preis vermeiden.

Nach außen titulierte Guardiola Ibrahimovic immer als seinen Wunschspieler, insofern - und auch weil der Schwede eines der letzten Schwergewichte des Weltfußballs ist, das Real Madrid nicht bekommen hat - bot sich der Tausch geradezu an. Allerdings bleibt ein großes Rätsel, warum Barca auf den Tausch noch Mittelfeldspieler Hleb und die sagenhafte Summe von angeblich 48 Millionen Euro drauflegt. Inter hatte die Latte gar nicht so hoch gelegt. So erscheint der Deal als einer der besten der Mailänder Vereinsgeschichte - während Barca ein unnötig hohes Risiko eingeht.

Wer war die treibende Kraft? Guardiola forcierte den Wechsel mit seinen Aussagen, während sich Präsident Joan Laporta nur selten zu Wort meldete. Sportchef Txiki Begiristain hielt sich auffällig zurück und bastelte im Hintergrund zusammen mit Inter-Patron Massimo Moratti an den Details. Komisch war nur, dass der Vernunftmensch Guardiola die Wahl Ibrahimovic' als reine Gefühlssache bezeichnete...

Ist es der eigentliche Blockbuster-Deal des Sommers? Wenn Hleb auch zu Inter wechselt: Ja. Ein Weltklasse-Stürmer vom Schlag Eto'os, dazu noch Alex Hleb, der dem robotergleichen Inter-Mittelfeld mit seinem schnellen Spiel eine neue Qualität hinzufügt, auf der anderen Seite einer der aufregendsten Stürmer der Welt, hinter dem halb England her war und der jetzt die aufregendste Mannschaft der Welt verbessern soll. Oder ganz nüchtern: Auf dem Markt wird Eto'o mit ca. 38 Mio. gehandelt, Hleb steht bei 12 Mio. Dazu noch die 48 Mio. Euro Ablöse - ergibt ein Gesamtpaket von etwa 98 Millionen Euro, also fünf Millionen mehr als Real Madrid für Cristiano Ronaldo bezahlt hat.

Außerdem wechselt der bestbezahlte Spieler der Welt die Fronten. Bei Barca wird Ibrahimovic rund 10,5 Millionen Euro pro Jahr verdienen. Da Leo Messi (bisher 10 Millionen Euro p.a.) vertraglich zugesichert ist, bei Barca Spitzenverdiener zu sein, wird sich dessen Gehalt automatisch um rund eine Million erhöhen.

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Welche Rolle spielt Hauptausrüster Nike? Der Klub hält sich bedeckt, die Parallelen zum Ronaldinho-Transfer vor sechs Jahren sind aber nicht zu übersehen. Damals konnte Laporta zusammen mit seinem ehemals kongenialen Partner und Jugendfreund Sandro Rosell, ehemaliger Nike-Chef in Südamerika, den Brasilianer aus Paris zum darbenden Barca locken. Es war der Beginn einer neuen Ära.

Diesmal stehen die Blaugrana nach dem Gewinn des Triples schon ganz oben. Allerdings ist Barca auf die üppigen Einnahmen von Ausrüster Nike angewiesen, da aus der "Trikotwerbung" mit Unicef kein Cent in die Kassen der Katalanen fließt. Und da die ganz großen Stars wie Leo Messi (Adidas) oder Thierry Henry (Reebok) als Testimonials für andere große Ausrüster gebucht sind, passt Ibrahimovic, der jüngst erst neue Werbespots mit Nike abgedreht hat, als Ergänzung ganz im Sinnes des Ausrüsters perfekt ins Gefüge.

Passt Ibrahimovic ins Barca-System? Die entscheidende Frage. Auf den ersten Blick eher nicht. Ibrahimovic gilt als launisch, lauffaul, zeigte bei Inter viel Standfußball. Dabei wird in Barcas Sturm enorm viel rochiert und somit Lücken geschaffen für die Außenstürmer beziehungsweise nachrückende Mittelfeldspieler wie Andres Iniesta.

Dazu war er in Mailand nicht Teil von Mourinhos Pressing. Bei Barca zählte unter anderem diese Aufgabe zu Eto'os großen Stärken. Dazu kommt ein stark ausgeprägter Eigensinn, der Zlatan bisweilen mehr im Weg steht, als dass er ihm hilft. An und für sich Gift für das Barca-Dogma der schnellen Ballzirkulation und ein Hemmschuh für den Spielfluss der Katalanen.

Es dürfte Guardiolas größte Aufgabe im individual- und mannschaftstaktischen Bereich werden, einen Typus wie Ibrahimovic mit so wenigen Reibungsverlusten wie möglich zu integrieren.

Denn klar ist auch: Technisch ist Ibrahimovic deutlich stärker als Eto'o, der Schwede bringt auch die Barca untypische Option des langen, hohen Balles ins Spiel, weil er zum einen kopfballstärker und zum anderen besser im Behaupten des Balles ist als Eto'o.

Ronald Koeman, Barca-Legende der frühen 90er Jahre und Zlatans Ex-Coach bei Ajax Amsterdam, freut sich jedenfalls schon auf den Schweden. "Er ist einer der komplettesten Stürmer der Welt und einer der wenigen, die Unmögliches vollbringen können."

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