Mijatovic: "Es war allein meine Entscheidung"

Von René Scheufen
Pedrag Mijatovic (l.) und der neue Trainer von Real Madrid Juande Ramos
© Getty

Bernd Schusters Ära bei Real Madrid ist nach genau 17 Monaten beendet. Seine resignierende Aussage, im Clasico gegen den FC Barcelona (Sa., 22 Uhr im LIVE-TICKER und bei Premiere) nicht gewinnen zu können, ließ Sportdirektor Predrag Mijatovic offenbar keine Wahl. Juande Ramos muss nun den Karren aus dem Dreck ziehen. Aber ist das angesichts der chaotischen Zustände in Madrid überhaupt möglich?

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Die Madrilenen hatten es mit der Entlassung Schusters anscheinend sehr eilig. Der neue Coach Juande Ramos hatte "nicht einmal Zeit, in den Spiegel zu schauen. Man gab mir einen Trainingsanzug, und ich weiß nicht, ob er mir richtig passt", sagte der neue Coach bei seiner Vorstellung am Dienstag.

Der Trainingsanzug wird aber wohl das geringste Übel sein, auf das sich Ramos eingelassen hat. Der Job des Übungsleiters beim spanischen Traditionsteam gilt wegen des großen Erfolgsdrucks und des schwierigen Umfelds seit jeher als Schleudersitz - das mussten zuletzt auch die Meister-Macher Fabio Capello und Bernd Schuster erkennen.

Mijatovic: "Es war eine sportliche Entscheidung"

Im letzteren Fall hatte es beinahe den Anschein, dass der 49-jährige Schuster seinen Abgang bei den Königlichen mit seiner Keine-Chance-gegen-Barca-Aussage fast schon provozieren wollte.

Mijatovic widerspricht in einem Interview mit der "AS" jedoch solchen Vermutungen: "Es gab weder ein bestimmtes Datum für die Entscheidung, noch hatten die Aussagen etwas damit zu tun. Es war eine rein sportliche Entscheidung."

Das Gespräch mit Schuster, in dem er ihm am Dienstagmittag seine Entlassung mitteilte, sei "sehr freundschaftlich" gewesen, Schuster habe die Entscheidung "sehr gut" aufgefasst. Zum Trost soll er laut Medienberichten eine Abfindung in Höhe von 4,5 Millionen Euro netto erhalten.

Die Begründung von Mijatovic war monoton: "Die Hälfte der Saison ist vorbei und Schuster hat gute Arbeit geleistet, aber im Fußball gibt es positive und negative Momente. Zum Ende hin musste ich diese Entscheidung treffen. Es war ganz allein meine Entscheidung."

Calderon ohne Entscheidungsgewalt

Noch vor wenigen Tagen hatte Real-Präsident Ramon Calderon erklärt, man werde mit Schuster bis zum Ende der Spielzeit weitermachen: "Es müsste schon eine Katastrophe geschehen, um diese Situation zu verändern." Die jüngste sportliche Entwicklung kam dann wohl einer Katastrophe gleich.

So konnte auch der viel kritisierte Präsident den Lauf der Dinge nicht aufhalten - oder wollte es vielleicht auch gar nicht. "Bernd und Calderon haben sich über die Situation unterhalten. Schuster hatte keine Probleme. Zudem hat sich der Präsident auch nie in die sportlichen Belange eingemischt", sagte Mijatovic auf die Rolle Calderons angesprochen.

Spanische Presse schießt sich auf Mijatovic als Schuldigen ein

Die spanische Presse ist sich zwar weitgehend einig, dass Schuster der sportlichen Leitung keine andere Wahl ließ, als ihn zu entlassen. Doch sind sich die Medien ebenso darüber einig, dass nicht der Trainer die Hauptschuld an der sportlichen Misere trägt.

"Mijatovic hat (mit seiner verfehlten Saisonplanung, Anm. d. Red.) zehn Mal so viele Fehler begangen wie Schuster", schreibt das Sportblatt "Marca". Es sei schlichtweg "Wahnsinn, vier Tage vor dem Schlagerspiel bei Barca den Trainer zu wechseln".

"Für Schuster war bei Real kein Platz mehr, aber auch Calderon hat dort nichts mehr zu suchen", meint Alfredo Relano, Chefredakteur des Sportblatts "As" und sprach damit dem Großteil der Real-Anhänger aus der Seele. Viele sehen Schuster als Bauernopfer. Mit seiner Demission habe Calderon den Kopf noch mal aus der Schlinge ziehen wollen, vermuten Insider.

Ramos mit Vertrag bis zum Ende der Saison

Vieles wird mit den unmittelbaren Erfolgen von Juande Ramos zusammen hängen. Der ist in Spanien geschätzt, holte mit dem FC Sevilla 2006 und 2007 den UEFA-Cup auf die iberische Halbinsel. Doch blieb er nie länger als drei Jahre Trainer eines Klubs. Zuletzt wurde er im Oktober bereits nach einem Jahr bei Tottenham Hotspur wegen anhaltender Erfolgslosigkeit entlassen.

Sein neues Amt bei den Königlichen geht Ramos mit großem Ehrgeiz an: "Ich freue mich auf die Aufgabe, es ist der Traum eines jeden Trainers. Ich hoffe, dass ich niemanden enttäusche und die Saisonziele erfülle." Sein Vertrag läuft bis zum Ende der Saison, enthält jedoch eine Option zur Verlängerung für ein weiteres Jahr.

Ramos: Madrid hat Prestige und Klasse

Den Aussagen seines Vorgängers zu den Chancen gegen den FC Barcelona widersprach der Spanier dann auch direkt: "Wir wissen, dass Barca eine gute Mannschaft hat, aber Madrid hat das Prestige und die Klasse, in jedem Stadion der Welt zu gewinnen - auch im Camp Nou."

Diese Aufgabe muss Ramos mit dem vorhandenen Spielermaterial bewältigen. Jedoch kusieren jetzt schon Namen, die auf der Wunschliste des neuen Trainers stehen sollen.

"AS" berichtet in der Mittwochsausgabe, dass der englische Außenstürmer Aaron Lennon ganz oben auf der Liste stehe. Spekulationen über einen Wechsel des 21-jährigen Nationalspielers gab es bereits im Vorfeld der Saison.

Nun aber scheint eine Verpflichtung näher zu rücken. Dazu passt, dass Ramos, sein ehemaliger Trainer bei der Spurs, ein großer Fan des technisch beschlagenen und pfeilschnellen Engländers ist.

Bentley, Hamsik, und Kuzmanovic werden gehandelt

Neben Lennon wird auch der Name David Bentley bei Real gehandelt. Die britische Zeitung "Daily Star" berichtet, dass Ramos den 24-Jährigen gerne verpflichten würde. Ein Problem könnte allerdings die hohe Ablösesumme werden: Die Spurs holten den englischen Nationalspieler erst im Sommer für 22 Millionen Euro von den Blackburn Rovers nach Tottenham. Ein Wechsel noch im Winter scheint daher so gut wie ausgeschlossen.

Weitere Spieler wie der slowakische Mittelfeldspieler Marek Hamsik vom SSC Neapel und Zdravko Kuzmanovic vom AC Florenz sollen laut der "AS" ebenfalls potentielle Neuverpflichtungen sein. Beide Spieler wären allerdings im internationalen Wettbewerb nicht spielberechtigt und widerspricht dem Anforderungsprofil, nach dem Real sucht.

Madrids Verletztenliste lang

Vor der Saison hat die Klubführung den Wünschen Schusters nach personellen Verstärkungen einen Riegel vorgesetzt. Nun rächt es sich, den Kader nicht verstärkt zu haben.

Denn die offenen Baustellen, die Ramos bei den Königlichen zu beheben hat, ist lang: Nach der Verletzung des niederländischen Toptorjägers Ruud van Nistelrooy, dem Ausfall von Mahamadou Diarra und der ungewissen Zukunft von Ruben de la Red, der über Herzprobleme klagt, ist einzig die Neuverpflichtung von Klaas-Jan Huntelaar fix.

Arschawin ein heißer Kandidat für Ramos

Ein Name schwirrt beständig im Dunstkreis der Königlichen herum: Andrej Arschawin. Der russsiche Ausnahmestürmer stand schon zu Ramos' Zeiten bei Tottenham hoch im Kurs. Nun möchte der Spanier den Stürmer endgültig verpflichten. "Ich kenne ihn sehr gut, er ist ein herausragender Spieler", wird Ramos zitiert.

Ein Hindernis stellt sich aber auch bei dieser Personalie wieder dar: Arschawin spielte in dieser Saison für Zenit St. Petersburg bereits in der Champions League und würde den Königlichen auf ihrer Mission, auf Europas Thron zurückzukehren, ebenfalls nicht weiterhelfen.

Zu den vielen Transfergerüchten hielt sich Ramos noch bedeckt: "Wir haben noch nicht über neue Spieler gesprochen, was wir aber zum gegebenen Zeitpunkt nachholen. Wir werden sehen, wo die Schwächen liegen und uns dann neue Ziele stecken."

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