Ein königlicher Spaziergang

Von Florian Bogner
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© Getty

München - Als der FC Barcelona am Ende doch noch traf, wollte Thierry Henry gar nicht erst jubeln. Nach dem Torschuss lief der Franzose einen Bogen, schlug die Hände in den Nacken und trabte mit leerem Blick in die eigene Hälfte zurück. Es schien, als schämte er sich.

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1:4. Im Clasico. Als ob die gesamte Saison für den FC Barcelona nicht schon Demütigung genug gewesen wäre, ließ sich der Champions-League-Sieger 2006 vom frischgebackenen Meister Real Madrid nach allen Regeln der Kunst vorführen und hatte am Ende Glück, nicht noch deutlicher untergegangen zu sein Spielbericht.

Nach der Demonstration von Madrid steht Barca nunmehr 17 Punkte hinter dem Erzrivalen. So vernichtend war der Abstand seit 28 Jahren nicht mehr. Nimmt man die letzten zwölf Partien der vergangenen Saison hinzu, haben die Katalanen in den letzten 49 Spielen 22 Punkte weniger als die Königlichen produziert.

Von den Außen seziert

Die bodenlose Leistung der Gäste war Sinnbild einer schrecklichen Saison, die für Barca nun, nach Villarreals Sieg über Huelva, nur mit dem dritten Platz in der Primera Division und ohne Titel zu Ende geht. "Es ist eine schmerzhafte Nacht", bilanzierte Henry, der in einem leblosen Team einmal mehr ein Fremdkörper geblieben war.

Über die kompletten 90 Minuten hatte Real den Erzrivalen nach Belieben beherrscht, hatte deutlich mehr Torchancen und spielte wie aus einem Guss. Über die quicklebendigen Außen Wesley Sneijder und Arjen Robben sezierte Real ein behäbiges Barca und spielte dabei den Ball so zielstrebig und geradlinig nach vorne, wie es eigentlich von den Blaugranas praktiziert wird.

Bei Barcelona lief offensiv alles auf den sich wundlaufenden Lionel Messi heraus, dessen Tempoläufe aber immer wieder von zwei Madrilenen attackiert wurden und letztendlich wirkungslos blieben.

"Mit dem Titel in der Tasche hätte auch eine gewisse Entspanntheit eintreten können und das kann gegen Barcelona mitunter gefährlich werden", meinte Trainer Bernd Schuster. "Die Einstellung der Mannschaft war heute beispielhaft", lobte der sonst eher muffige Augsburger sein Team.

"Dem Spalier folgte ein Spaziergang"

Das Pressecho fiel dementsprechend vernichtend für die Gäste aus. "Sport" ging mit den Blau-Roten hart ins Gericht: "Ihr habt das Trikot entehrt. Viele Spieler verdienen es nicht, auch nur einen Tag länger im Verein zu bleiben." "Barcelona lässt sich ohne Stolz vorführen", schrieb derweil "El Mundo Deportivo" und "El Pais" meinte: "Der Meister überfährt ein lebloses Team."

Direkt vor dem Spiel hatten die Barca-Spieler bereits die erste Demütigung erlitten. Sie mussten ein Spalier für den Meister bilden und den einlaufenden Real-Spielern applaudieren (im Bild).

So will es die Tradition in Spanien: Bei einem vorzeitigen Titelgewinn huldigt der nächste Gegner dem Titelträger. "Barca stand 90 Minuten lang Spalier", spottete die Zeitung "La Vanguardia" anschließend passend und die "AS fasste treffend zusammen: "Dem Spalier folgte ein Spaziergang. Real führt ein zerknirschtes Barcelona vor."

Rijkaard wie ein begossener Pudel

Wer vor der Partie noch einen Pfifferling auf den Verbleib von Barca-Coach Frank Rijkaard gesetzt hatte, dürfte während des Spiels eines besseren belehrt worden sein. Der Holländer verfolgte die Hinrichtung seines Teams emotionslos von der Bank aus. Wie ein begossener Pudel blickte er mit traurigen Augen immerzu stumm umher und machte den Eindruck, als habe er längst aufgegeben.

"Wir haben sehr gelitten", bekannte Rijkaard hinterher. "Niemand will so verlieren. Das war ein Klassenunterschied. Sie hatten wesentlich mehr Selbstvertrauen und haben mehr wie ein Team gespielt als wir."

Von einer Demütigung wollte er zwar nicht sprechen, dennoch bekannte er, dass sein Team "eines der schlechtesten Spiele der Saison" abgeliefert habe. Zu seiner Zukunft - Urgestein Josep "Pep" Guardiola soll als Nachfolger bereit stehen - wollte er sich nicht äußern.

"Das einfachste ist es doch, jetzt nicht weiter zu machen", meinte Rijkaard. "Aber als Trainer bin ich Teil dieses Teams und deswegen denke ich nicht an so was."

"Das habe ich nicht erwartet"

Ganz anders die Situation von Bernd Schuster: Mit der ersten erfolgreichen Titelverteidigung seit 1990 ist der "blonde Engel" im Madrid nach nur elf Monaten zum gefeierten Helden aufgestiegen.

Der höchste Derby-Sieg seit 13 Jahren tat nun sein Übriges.

Die Genugtuung war Schuster auf der Pressekonferenz nach dem Spiel deutlich anzumerken - ebenso der Stolz auf sein Team, das seine Handschrift trägt.

Dass es bereits im ersten Jahr so gut laufen wird, habe er sich indes nicht träumen lassen. "Das habe ich vor der Saison nicht erwartet", meinte Schuster.

"Klar dachte ich, dass wir um den Titel mitkämpfen werden. Aber nicht, dass wir am Ende mit diesem Vorsprung Meister werden."