Das Manifest des Hasses

Von Stefan Rommel
Barcelona ist mehr als nur ein Klub, das weiß jeder, der schon mal die Atmosphäre im Camp Nou genossen hat
© Getty

München - Die Partido social steht nicht zwingend im Verdacht, besonders innige Beziehungen zu Katalonien zu pflegen.

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Die Sozialdemokraten gelten vielmehr als Anhänger von Real Madrid, sind also echte und traditionsbewusste Madritista. Und für solche geziemt es sich, das vor der Mutter aller Spiele gefälligst auch medienwirksam kund zu tun.

Also schritt Jose Zapatero pflichtbewusst zur Tat. 3:1 lautete der Tipp des Premierministers. 3:1 für Barca. Eine mutige Einschätzung, oder einfach nur eine berechnende? Zapatero wollte ein Ventil lockern und etwas den Druck rausnehmen.

Katalanen gegen die Hauptstadt? Alles nicht so schlimm, sollte die Botschaft lauten. Es war ein nett gemeinter Versuch, leider aber völlig zwecklos.

"Marca" schlägt die "El Pais"

Wochelangn schürten die vier großen Sporttageszeitungen den ittwitzigen Krieg, "Marca" und "El Mundo" hatten dem Spiel eigens eine Sonderseite im Netz gewidmet, die tägliche Auflage von "Marcas" Printausgaben lag höher als die der "El Pais", der größten Tageszeitung Spaniens. Das ganze Land spielt dann immer komplett verrückt.

Selbst "el Gordo de Navidad", der fette Weihnachtslotto-Jackpot oder die hitzige Debatte um den Schnellzug AVE rückten in den Hintergrund.

Barca gegen Real ist längst nicht mehr nur ein Fußballspiel. Es ist ein Manifest. Der Aufschrei der Katalanen gegen das alte Spanien und für die eigene Unabhängigkeit.

Tot el camp, es un clam

98.800 verwandeln dann das Camp Nou für Real in eine überbordende Hölle. Tot el camp, es un clam! Das ganze Stadion ist ein Geschrei, wie es in Barcas Hymne heißt.

In der Zeitung "Sport" riefen die Barcas Fans, die "cules" (die Ärsche), zur größten Choreographie der Geschichte auf. Das Motto war dabei nicht "wir sind alle für Barca", sondern "todos contra el Madrid", alle gegen Madrid.

Der Hass der Katalanen gegen die Obrigkeit aus Madrid und damit gegen Real ist historisch begründet. Als der Schweizer Johann Gamper 1899 per Zeitungsannonce den FC Barcelona gründete, rief er nicht nur den mitgliederstärksten Verein der Welt ins Leben, sondern auch das Vehikel und die Gallionsfigur für alle unterdrückten Katalanen.

Franco-Diktatur als Auslöser

Der katalanisch-spanische Konflikt nahm mit der Machtergreifung Francisco Francos vehement zu, 1925 wurde Gamper von der Militärdiktatur als Barca-Präsident abgesetzt. Katalanische Fans hatten bei einem Testspiel die spanische Nationalhymne mit wütenden Pfiffen bedacht.

Sein Nachfolger Josep Sunyol wurde elf Jahre später von den Franco-Truppen standrechtlich erschossen, 1943 "warnte" die Polizei Barcelonas Spieler vor der Partie gegen Francos Real, das Spiel auf gar keinen Fall zu gewinnen. Mit durchschlagendem Erfolg: Madrid siegte am Ende 11:1.

Es ranken sich unzählige Geschichten um diese Partie - und leider hat der Sport wie sonst nirgendwo in Europa auch immer einen politischen Beigeschmack. Es wird penibel darauf geachtet, dass entweder nur Katalanen oder eben Madrilenen im Klub das Sagen haben.

Mit "mes que un club" wird im Camp Nou das Credo des Klubs umschrieben. "Mehr als ein Klub" - es ist der Slogan der freien Katalanen und ein Statement an die Welt da draußen. Und wehe, ein Barca-Spieler wechselt die Fronten - oder umgekehrt.

Flaschen, Telefone, Münzen... Schweinekopf

Zuletzt musste Luis Figo vor sieben Jahren durch die Hölle. Der Portugiese war Kult bei Barca, pokerte um einen höher dotierten Vertrag und gab den Azulgrana seine mündliche Zusage. Einige Wochen später wurde er bei Real präsentiert.

Seine Rückkehr ins Camp Nou geriet zu einem Tribunal. Höhepunkt der Hexenjagd waren fliegende Glasflaschen, Telefone und Münzen, wann immer Figo zur Ausführung eines Eckballs schritt. Als dann plötzlich ein Schweinekopf einige Meter neben ihm auf den Rasen krachte, stand das Spiel kurz vor dem Abbruch.

Unter den Werfern war übrigens auch Renato Kluivert, Bruder des damaligen Barca-Stürmers Patrick Kluivert.

Auch Bernd Schuster hat seine Liebe dereinst betrogen. 1988 kehrte er Barca im Streit den Rücken und erlag den Lockrufen aus der Hauptstadt. Nun, 19 Jahre später, kehrte das Barca-Mitglied Nummer 115.088 mit den Königlichen als Trainer zurück.

Und sie hatten ihn so empfangen, wie sie ihn damals verabschiedet hatten. "Schuster ist ein verrückter Hurensohn. Der gehört in die Klapsmühle", ließ ihn der damalige Präsident Josep Lluis Nunez noch wissen.

Vielleicht hätte der sich mal lieber einen Crashkurs in "political correctness" leisten sollen. Jose Zapatero wäre sicherlich ein guter Lehrmeister.

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