Kuranyi: "Die längste Vorbereitung aller Zeiten"

SID
Einsatz wird belohnt: Kevin Kuranyi (l.) sieht eine positive Entwicklung bei Dynamo Moskau
© Getty

Kevin Kuranyi brach im letzten Sommer seine Zelte in Deutschland ab und spielt nun für Dynamo Moskau in Russland. In seiner SPOX-Kolumne berichtet der 29-Jährige regelmäßig von seinen Erlebnissen im fernen Russland. Diesmal schreibt Kuranyi über den anstehenden Saisonstart, ein absolutes Mammutprogramm - und er bietet eine Wette an.

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Priwjet is Moskwi, hallo aus Moskau,

in der Bundesliga geht es in diesen Tagen ja drunter und drüber. Wie so oft, wenn die Liga in die entscheidende Phase geht. Es geht um sehr viel und alle fiebern dem Saisonfinale entgegen.

Das ist hier bei uns ein wenig anders. Hier wird zwar in diesen Tagen auch gefiebert - aber unsere Fans freuen sich auf den Saisonstart. Am Wochenende rollt wieder der Ball. Nach mehr als drei Monaten Pause. Endlich.

Gut, ich gebe zu: Ich habe mich gefreut über den ein oder zwei Wochen längeren Urlaub, den ich nach der letzten Saison hatte. Aber was dann folgte, war die wohl längste Vorbereitung aller Zeiten. Im Januar ging es für ein paar Wochen in die Türkei, anschließend zwei Wochen nach Zypern. Dann erneut zwei Wochen in die Türkei.

Kaum zuhause in Moskau

Und zu Beginn dieser Woche sind wir endlich wieder in Moskau gelandet. Seit Ende November war ich zusammengezählt vielleicht zehn Tage daheim. Es hat sich nicht wirklich gelohnt, in dieser Zeit den Kühlschrank zu füllen.

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Wenn wir schon beim Thema "lang" sind: Auf die Mammutvorbereitung folgt die Mammutsaison. Gewöhnlich wird in der Premier Liga von März bis November gespielt.

44 lange Spieltage

Diesmal setzt die Liga jedoch einen drauf: die Saison wird im neuen Jahr fortgesetzt. Sie läuft also von März 2011 bis Mai 2012 - 44 Spieltage lang. Grund: Die Russen gleichen ihr Spieljahr den Westeuropäern an. Ab 2012 beginnt hier die Saison auch im Sommer und endet im späten Frühjahr.

In dieser Spielzeit wird nun zunächst das übliche Programm gespielt - jeder spielt gegen jeden. Einmal zu Hause und einmal auswärts. Anschließend wird die Liga gesplittet.

Die besten acht Teams dieser "Vorrunde" ermitteln den Meister und die Europapokalteilnehmer, die unteren acht die Absteiger.

Optimistisch nach Europa

Dass es für uns darum geht, in der oberen Hälfte zu landen, muss ich wohl nicht erwähnen. Das Saisonziel ist klar. Wir wollen ins internationale Geschäft.

Woher ich meinen Optimismus nehme? Ich finde, wir haben schon die Rückrunde der vergangenen Saison sehr ordentlich gespielt und es trotz des mageren Saisonstarts beinahe noch auf Platz fünf geschafft.

Ich kann deutlich eine positive Entwicklung sehen, seit ich im Sommer des ergangenen Jahres hergekommen bin. Wir haben kein einziges Spitzenspiel verloren und sind auch als Mannschaft zusammengewachsen.

Dazu haben wir uns punktuell verstärkt. Na gut - ich hätte mich nicht beschwert, wenn wir noch ein paar Hochkaräter mehr eingekauft hätten. Aber die, die gekommen sind, helfen uns weiter, da bin ich mir sicher.

Zwetschge - ein alter Bekannter

Unserer prominentester Neuzugang ist in Deutschland kein ganz Unbekannter: Zvjezdan Misimovic. Er hatte zuletzt ein unglückliches Gastspiel bei Galatasaray Istanbul und ist vor ein paar Tagen vom VfL Wolfsburg zu uns gekommen.

Ich kenne ihn natürlich aus vielen Begegnungen, die wir gegeneinander bestritten haben. Nicht nur in der Bundesliga - auch schon in der Jugend, da wir gleich alt sind. Er war damals für die Bayern am Ball, ich für den VfB Stuttgart.

Ich halte ihn für einen guten Typ und einen starken Fußballer. Er wird unserer Offensive einen Schub geben.

Ich freue mich jedenfalls auf ihn als neuen Teamkollegen - und natürlich auf ein paar starke Vorlagen. Am besten schon zum Saisonauftakt am Samstag bei Lokomotive Moskau.

Eine Kuh aus 50 Metern erlegen

Ich möchte den Misimovic-Transfer bestimmt nicht klein reden. Aber in Sachen Neuzugängen gab es in der Liga spektakulärere Deals: Terek Grosny angelte sich Ruud Gullit als Trainer - und Anschi Machatschkala verpflichtete Roberto Carlos.

Den kleinen kompakten Brasilianer, der mit seinem Schuss eine Kuh aus 50 Metern erlegen kann.

Das sind nur zwei spektakuläre Beispiele. Aber auch ganz allgemein bekommt man den Eindruck, dass da manch kleinerer Klub in die Offensive geht.

In diesen Tagen werde ich jedenfalls oft gefragt, ob da eine neue große Konkurrenz für die Moskauer Klubs und Zenit St. Petersburg heranwächst. Ich antworte immer: Hoffentlich! Konkurrenz belebt das Geschäft. Die Liga als Ganzes wird davon profitieren.

Neuer Schwung durch die WM

Einen weiteren Aufschwung wird natürlich die Weltmeisterschaft 2018 bringen. Guter Fußball wird hier schon gespielt, jetzt kommt in den kommenden Jahren noch eine verbesserte Infrastruktur dazu - und die Begeisterung in der Bevölkerung wird im Hinblick auf 2018 wachsen.

Aber auch kurzfristig ist mir um den russischen Fußball nicht bange. Gleich drei Klubs stehen im Achtelfinale der Europa League - obwohl sie die Runde der letzten 32 mitten in ihrer Saisonvorbereitung spielen mussten, was alles andere als ideal ist.

Und alle drei Teams haben gute Chancen weiterzukommen: ZSKA Moskau (gegen den FC Porto), Zenit St. Petersburg (gegen den FC Twente) und Spartak Moskau (gegen Ajax Amsterdam). Ich wette, dass wir einen dieser Klubs im Finale wiedersehen werden. Wer hält dagegen?

Bis bald.

Euer Kevin

 

 

 

 

 

Kevin Kuranyi, geboren am 2. März 1982 in Rio de Janeiro, gehört zu den besten Stürmern Deutschlands. Von 2001 bis 2005 spielte er als Profi für den VfB Stuttgart, danach wechselte er zum FC Schalke 04. Seit Sommer 2010 trägt Kuranyi nun das Trikot von Dynamo Moskau. Für die Nationalmannschaft war er bislang 52 Mal im Einsatz. Mehr Informationen über Kevin Kuranyi gibt es unter www.kevin-kuranyi.de

Kevin Kuranyi im Steckbrief

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