Eine hochexplosive Mischung

Von Andreas Inama
Silvio Berlusconi ist seit 1986 Eigentümer des AC Milan
© getty

Der AC Milan startet einen Umbruch. Nach der Übernahme von 48 Prozent der Anteile durch den Thailänder "Mr. Bee" geht der Klub von Silvio Berlusconi in die Offensive. Der erste Coup ist schon gelungen: Jackson Martinez wurde für 35 Millionen Euro von Porto verpflichtet. Die Jagd nach Stars soll weitergehen, doch die Finanzen sprechen eine klare Sprache. Und der neue Trainer verspricht Konfliktpotenzial.

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Silvio Berlusconi griff mal wieder tief in die Pathos-Kiste, als in der Schweiz die letzten Details mit Bee Taechaubol geklärt worden waren. "Wir werden wieder gewinnen. Mit mir hat Milan fünf Champions-League-Titel geholt", sagte Berlusconi. "Ich kann euch versprechen, dass Milan wieder eine große Mannschaft wird. Oft sind es Zyklen, die darüber bestimmen, und nun sind wir dran."

Die Übernahme von 48 Prozent der Anteile des AC Milan durch den Thailänder Taechaubol bedeutet eine Zäsur im Selbstverständnis der Milanisti, vor allem bezüglich der letzten dreißig Jahre. Zum ersten Mal seit 1986 gibt der Cavaliere höchstpersönlich seinen alleinigen Machtanspruch über den Klub ab und übergibt fast die Hälfte einem Investor aus dem Ausland. Eine Mode, die nach England, Frankreich und Spanien nun auch in Italien Fuß fasst.

500 Millionen Euro sollen "Mr. Bee" die Anteile wert sein. Das Ziel ist, Milan wieder an die Spitze des europäischen Fußballs zurückzuführen. "Der Markt verlangt das. Die Menschen in Südostasien lieben den Sport. Daher erscheint es mir normal, dass man sich Investoren aus der Region anvertraut. Vielleicht ist es ein bisschen spät, aber die Investitionen sind von immenser Wichtigkeit, wenn man wieder auf einem gewissen Level spielen will", sagte Klub-Legende Paolo Maldini der Gazzetta dello Sport.

Transfers als Machtdemonstration

In der Tat dauerte es nicht lange, bis die Rossoneri entscheidend auf dem Transfermarkt tätig wurden: Jackson Martinez kommt für 35 Millionen vom FC Porto. Dieser Neuzugang ist nicht nur ein sportlicher Mehrwert, sondern vor allem eines: eine Machtdemonstration.

Martinez ist der teuerste Milan-Transfer seit 2001 Rui Costa von der Fiorentina nach Mailand wechselte. Damals blätterte man 42 Millionen Euro für den Portugiesen hin und holte anschließend Pippo Inzaghi für weitere 37 Millionen von Juventus Turin.

Wie Costa soll auch Martinez nur der Anfang einer beispiellosen Transferoffensive in Italien sein, die weit über die 100-Millionen-Marke hinausschießen soll. "150 Millionen für den Transfermarkt? Ich weiß nicht, wie viel wir brauchen werden, aber das, was benötigt wird, wird auch zur Verfügung stehen", verkündete Berlusconi erst kürzlich.

Geld? (K)ein Problem

Die Euphorie ist groß: Nachdem man schon mit einer Rückholaktion von Carlo Ancelotti eine riesen Investition geplant hatte - angeblich soll ihm Berlusconi 120 Millionen für den Transfermarkt versprochen haben - will man nun den Worten Taten folgen lassen, auch wenn es für Carletto an der Seitenlinie nicht gereicht hat.

Ein Ziel ist Geoffrey Kondogbia vom AS Monaco. Kosten: 29 Millionen Euro. Außerdem soll auch noch ein alter Bekannter wieder seine Zelte in Mailand aufschlagen. Zlatan Ibrahimovic liebäugelt öffentlich mit einem Wechsel zu seinem alten Arbeitgeber und soll sich in diesen Tagen mit den PSG-Verantwortlichen wegen eines Transfers verständigen. Zumal bei Milan Geld angeblich keine Rolle mehr spielt.

Es stellt sich jedoch die Frage: Kann Milan die ganzen Ausgaben tragen und mit dem Financial Fairplay (FFP) vereinbaren? Immerhin soll auch die Abwehr noch verstärkt werden. Glaubt man dem Fachportal calcioefinanza.it, dann nicht.

Financial Fairplay als Stolperstein

2014 erzielte die AC Milan AG einen Umsatz von 210 Millionen Euro. Zum Vergleich: Manchester United verbuchte Einnahmen in Höhe von 515 Millionen Euro. Alleine die Personalkosten beliefen sich bei den Rossoneri auf 112 Millionen Euro, Topverdiener ist Philippe Mexes mit vier Millionen Euro netto im Jahr. Das Jahr 2014 schloss Milan mit einem Minus von rund 15 Millionen Euro ab.

Rechnet man nun die Gehälter und Ablösesummen von Jackson Martinez und weiterer Stars dazu, würde das den finanziellen Rahmen, in dem sich Milan mit seinen Einnahmen bezüglich des FFPs bewegen dürfte, bei weitem sprengen. Da dürften auch einige Abgänge nur wenig Abhilfe schaffen.

Außerdem kommen durch den Trainerwechsel weitere Kosten hinzu. Filippo Inzaghi bezieht auch nach seiner Entlassung noch zwei Millionen Euro jährlich, der neue Trainer Sinisa Mihajlovic verdient noch eine halbe Million mehr - ebenfalls alles netto.

Doch Berlusconi lässt sich in seinem Vorhaben nicht beirren und gibt sich in den Medien weiterhin angriffslustig: "Wir wollen ein großartiges Jahr bestreiten. Unser Trainer soll eine Scudetto-reife Mannschaft vorfinden."

Berlusconi und Mihajlovic: Eine gefährliche Verbindung

Die Trainerwahl zeigt aber auch, dass Berlusconi mehr denn je dazu bereit ist, gewisse Kompetenzen in die Hand anderer zu legen. Mihajlovic gilt als schwieriger Charakter, der zwar öffentlich nicht immer durch seine Konsequenz glänzt ("Ich zu Milan? Das wird nicht passieren, ich bin Interista."), aber in der Kabine mit eiserner Faust regiert.

Berlusconi galt schon immer als heimlicher Trainer der Rossoneri. Es ist ein offenes Geheimnis, dass er sich immer wieder in Aufstellungen und taktische Vorgaben seiner Trainer eingemischt und nicht selten auf den Einsatz seiner Lieblingsspieler gepocht hat.

Bei Mihajlovic dürfte das nicht gut ankommen. Der Serbe zeigte schon bei Sampdoria Genua, dass er im sportlichen Bereich das Sagen hat und nicht sein Vorgesetzter. Zum Beispiel suspendierte er Massimo Ferreros Königstransfer der vergangenen Wintertransferphase, Samuel Eto'o, als dieser ein Straftraining geschwänzt hatte. Auch wenn der beliebte Sampdoria-Präsident auf eine Begnadigung des Kameruners hinarbeitete, ließ sich Mihajlovic nur schwer umstimmen.

Mit Hochmut und Aktionismus

Nichtsdestotrotz hatte Mihajlovic mit seiner Linie Erfolg und führte die Samp unerwartet bis in die Europa League. Doch auch der Erfolg seiner Trainer hat Berlusconi nie daran gehindert, im Hintergrund die Strippen zu ziehen. Dass Mihajlovic damit gleich der erste Brandherd im "neuen Milan" werden könnte, darüber sind sich italienischen Medien jetzt schon einig.

Eine sichere Geldquelle, neue Top-Stars, ein cholerischer Trainer, dazu der ewige Silvio - Milan hat einen Umbruch vor sich, der sich sportlich durchaus sehen lassen könnte, bei dem aber auch eine Menge Konfliktpotenzial vorhanden ist. Berlusconi verbindet wie so oft auch in seiner Politik Hochmut und Aktionismus zu einer hochexplosiven Mischung.

Der AC Milan im Überblcik

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