Wie die Faust aufs Auge

Sami Khedira trug in über 150 Spielen das Trikot der Königlichen
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Gerade ein solcher Vergleich könnte in Turin zum Stolperstein werden. Andrea Pirlo steht vor dem leisen Abgang, Sami Khedira ist ein Neuzgang im Mittelfeld. Allein von der Spielanlage, der Aufgabenverteilung und dem Standing eine Gegenüberstellung, die der Deutsche nicht gewinnen kann - und auch gar nicht muss. Die Medienlandschaft jedoch wird ihre Schlüsse ziehen, vielleicht das größte Risiko, das der Wechsel nach Italien mit sich bringt.

Khedira wird nicht die tiefste Rolle in der Mittelfeldraute einnehmen. Dafür ist er nicht der richtige Mann. Bleibt Trainer Allegri bei seinem Matchplan, wird er am ehesten seinen Platz auf den beiden Halbpositionen finden und dort mit Claudio Marchisio und Paul Pogba konkurrieren, sofern beide beim Verein bleiben. Dort kann er seine Rolle so interpretieren, wie er es am liebsten hat.

Der Nationalspieler kann hier vorstoßen, ohne sich große Sorgen um das Geschehen in seinem Rücken machen zu müssen. Juventus erspielt sich viele Chancen über Durchbrüche der Halbspieler bis an die Grundlinie, von wo diagonale Rücklagen zum Abschluss führen. Ein Spiel wie geschaffen für Khedira, dessen Dynamik auch in der Defensivbewegung, wenn aus der Raute ein flaches 4-4-2 wird, seinen Nutzen haben wird.

Wo findet Khedira Platz?

Interessant wird die Personalie erst recht angesichts möglicher personeller Veränderungen. In Sachen Pirlo ist noch keine Entscheidung gefallen, Pogba wird nicht nur intensiv von Paris Saint-Germain umworben, auch Zehner Arturo Vidal steht auf dem Zettel diverser Klubs. Juventus betonte zuletzt jedoch immer und immer wieder, keinen der Spieler abgeben zu wollen. Gesetzt dem Fall, dass keiner der Genannten den Verein verlassen wird, stehen Khediras Chancen auf Einsätze dennoch gut.

Einzig Claudio Marchisio überstand die Saison der Italiener ohne Ausfall über mehrere Spiele hinweg. Während in den meisten Fällen eine einfache Lösung gefunden wurde, trafen vor allem die Verletzungen von Pirlo den Trainer unvorbereitet. Die Rückkehr zur Dreierkette wurde ebenso geprobt, wie Varianten mit Talent Stefano Sturaro und Marchisio auf der essentiell wichtigen Spielgestalter-Position.

Neue Synergie mit Tevez

In diesem Fall käme die Doppelbesetzung im Mittelfeld wieder zum Einsatz und damit auf Khedira eine ähnliche Rolle zu, wie im Mittelfeld der Nationalmannschaft neben Schweinsteiger. Er erhöht somit nicht die Quantität in der gewohnten Grundordnung, sondern auch die Qualität im Falle einer Umstellung. Nicht zu vergessen ist die Möglichkeit neuer Synergien.

Das Zusammenspiel eines vorstoßenden Khediras mit den ausweichenden Carlos Tevez und Arturo Vidal bietet großes Potenzial. Die pendelnden Bewegungen derer zwischen den Linien des Gegners beschäftigen mehrere Gegenspieler und verhindern eine sichere Zuteilung. Dies kann Khedira wiederum mit einem seiner Vorstöße nutzen, um schnell Gegenspieler zu überwinden und Meter zu gewinnen.

DFB braucht Spielzeit

Khedira ist ein großer Gewinn für Juventus und Juventus ist ein großer Gewinn für Khedira - ein größerer als es Schalke hätte sein können. Vorausgesetzt er findet schnell wieder in den Rhythmus, der ihm zuletzt in Madrid verwehrt blieb. Nicht nur in Bezug auf das Ausleben seiner Paraderolle, sondern auch im Bezug auf die Nationalmannschaft. "Wahnsinnig wenig Spielpraxis seit der WM", attestierte ihm der Joachim Löw bei der Nominierung im Juni.

Der Platz im Mittelfeld des DFB ist nicht reserviert, auch wenn seine Qualitäten in dieser Zusammensetzung nicht exakt noch einmal existieren. Mit 28 Jahren befindet Khedira sich im allerbesten Fußballeralter, sein Vierjahresvertrag in Turin könnte der letzte über eine vergleichbare Dauer werden. Der Wechsel nach Italien ist sowohl Chance als auch Risiko.

Dass Khedira damit umgehen kann, stellte er jedoch schon 2010 unter Beweis. Damals ging es immerhin von Stuttgart nach Madrid. Der Schritt aus der spanischen Hauptstadt heraus nach Turin ist in ganz anderen Dimensionen anzusiedeln. Er kommt als Weltmeister und Champions-League-Sieger von einem der besten Klubs der Welt zu einem der besten Klubs der Welt.

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Sami Khedira im Steckbrief