Warten auf den Scheich

Von Stefan Rommel
Es läuft nicht rund beim AC Milan: Trainer Clarence Seedorf im Gespräch mit Mario Balotelli (l.)
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Das San Siro als Ballast

Milan kann die nötige Qualität weder zukaufen, noch sie auf absehbare Sicht selbst entwickeln. Bis die Maßnahmen beim Umbau der Jugendausbildung greifen, dürfte Juventus noch einige Male Meister geworden sein. Und die Sache mit den fehlenden finanziellen Mitteln wird sich so lange fortsetzen, bis zum einen Milan bereit wäre, Anteile an einen gönnerhaften Investor zu veräußern und zum anderen sich überhaupt so ein Anteilsnehmer finden lässt.

Aus eigener Kraft kann Mailand die Probleme kaum meistern. Über die 38 Spieltage nimmt Milan nur rund 35 Millionen Euro ein, was weniger als 20 Prozent Prozent der Gesamteinnahmen des Klubs entspricht. Die Zuschauerzahlen sind weiter rückläufig, das Ticketing und die Hospitality in den Logen bringen kaum Gewinne von europäischem Spitzenstandard.

Das San Siro gilt noch als eines der moderneren Stadien der Serie A. Es fehlt dennoch an Logen und Business Seats. Dazu gehört das Stadion wie fast alle anderen Stadien des Landes der Kommune. Von jedem erwirtschafteten Euro muss Milan einen Bruchteil an den Eigentümer seiner Spielstätte abführen.

Und so nehmen die Bayern pro Spiel mehr als doppelt so viel ein wie Milan, der FC Arsenal, Manchester United, Real Madrid und der FC Barcelona liegen insgesamt weit jenseits der 100-Millionen-Euro-Grenze pro Saison. Die Einnahmen aus der TV-Vermarktung und dem Merchandising sind beachtlich - und das, obwohl Milan wie viele andere italienische Klubs auch damit zu kämpfen hat, dass die Ultras ihre eigenen Merchandising-Produkte kreieren und den Markt der offiziellen Klub-Artikel verwässern.

Berlusconis Geld fehlt überall

Dass es auch anders - besser - geht, zeigt Juventus. Mit dem neuen, modernen Stadion enteilt der Rekordmeister der Konkurrenz nicht nur in der Tabelle. Turin wird den finanziellen Abstand zu den Mailänder Klubs ausbauen. Nicht umsonst hatte Milan bereits vor einigen Jahren Pläne in der Schublade liegen, ein eigenes Stadion zu errichten. Nach dem Modell der Schalker Arena, als multifunktionale Sport- und Begegnungsstätte.

Verwirklicht wurden die Pläne nie, und so macht sich jetzt die Roma auf und forciert den Bau einer eigenen Arena. Milan fehlt dafür eine klare Vision und das nötige Geld. Von Berlusconi ist bis auf weiteres nichts mehr zu erwarten.

Il Cavaliere ist vor ein paar Wochen wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldbuße in Höhe von 500 Millionen Euro verdonnert worden. Zudem schlagen die Unterhaltszahlungen für seine Ex-Frau Veronica Lario beträchtlich aufs Gemüt: Berlusconi ist zur Zahlung von 100.000 Euro verpflichtet - pro Tag. Nur so ließe sich für Signora ein Lebensstandard erhalten wie zu besten Ehezeiten.

"Mit dem AC Milan verliere ich jährlich 50 Millionen Euro", rechnete Berlusconi der "Gazzetta dello Sport" am Donnerstag vor: "Ich würde mich gerne persönlich um den Klub kümmern, das braucht er." Aber der Patron ist 77 Jahre alt und leistet derzeit einen Teil seines Schuldspruchs durch Sozialstunden ab.

Zwist zwischen Galliani und Berlusconis Tochter

Seine Tochter Barbara wollte er zur neuen starken Frau aufbauen. Dazu konnte es bisher nicht kommen, auch weil Barbara sich mit Adriano Galliani seit Monaten ein Scharmützel nach dem anderen leistet. Galliani war eigentlich schon weg, der treue Weggefährte Berlusconis hatte seinen Rücktritt angekündigt. Über Nacht wurde Galliani nochmal umgestimmt. "Bei Milan ist die Sachlichkeit zurück: Galliani bleibt auf seinem Posten", ließ Berlusconi verlauten.

Trotzdem drückte er Barbara als zweites Mitglied der Geschäftsführung durch. Offiziell für den Bereich Marketing und Werbung. Und doch weiß jeder, dass Galliani kaum mehr etwas entscheiden darf ohne die Genehmigung seiner schärfsten Kritikerin.

Bequemer Ein-Punkt-Plan

Die "Gazzetta" bastelte unlängst einen Zehn-Punkte-Plan, wie Milan denn am besten zu retten sei. Im Prinzip würde auch der deutlich bequemere Ein-Punkt-Plan reichen: Sich einen potenten Investor ins Haus zu holen. Die Gerüchte um einen Einstieg von Scheich Mohammed bin Rashid al-Maktoum halten sich hartnäckig.

Die vielen Nebenkriegsschauplätze vernebeln den Blick auf die sportliche Situation derzeit ein wenig. Milan, das von sich selbst behauptet, der Klub mit den meisten gewonnen Trophäen weltweit zu sein, ist hochkant aus der Champions League geflogen, sowie aus der Coppa Italia.

In der Liga gab es unter der Woche immerhin mal wieder einen Sieg, ein 2:0 bei der Fiorentina. Nach zuvor nur einem Punkt aus fünf Spielen wäre es aber wohl etwas verfrüht, eine große Aufholjagd auszurufen. Der Rückstand auf Spitzenreiter Juventus beträgt astronomische 42 Punkte - mehr als Milan bisher in 30 Partien selbst gesammelt hat (39).

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