Box-to-Box auf neuem Level

Von Daniel Reimann
Kevin Strootman wechselte im Sommer 2013 von PSV Eindhoven zum AS Rom
© getty

Im Sommer zog Kevin Strootman die krisengeplagte Roma dem englischen Meister Manchester United vor. Eine mutige Entscheidung, die im Nachhinein jedoch belohnt wurde. Unter Trainer Rudi Garcia blüht "die Waschmaschine" auf - in der Neuinterpretation einer alten Rolle. Mit der Roma peilt er in der Coppa Italia nun das Finale an (20.45 Uhr im LIVE-TICKER).

Cookie-Einstellungen

Die drei Herren in Anzügen sind keine Unbekannten. Die Anwälte gehören zur Firma "Laffer", die ein Jahr zuvor Javi Martinez' Wechsel zu den Bayern mit abgewickelt hatte. Gut 13 Monate später, am 31. August 2013, gastieren sie erneut in den Büros des spanischen Fußballverbandes. Am letzten Tag der Transferperiode.

Ihr Auftrag: Eine Last-Minute-Verpflichtung von Bilbao-Star Ander Herrera. Ihr Auftraggeber: Manchester United. Doch die Zeit drängt, die Komplexität des spanischen Transfersystems erschwert die Sache gewaltig. Nach einer Stunde dann der Rückzieher: Aus Angst, man könne den Deal nicht mehr rechtzeitig und rechtssicher über die Bühne bringen, wird die Sache wegen "bürokratischer Schwierigkeiten" abgeblasen.

Offiziell ist die Version nicht. United dementierte jegliche Zusammenarbeit mit den drei Anwälten, in der Presse wurden sie als Betrüger bezichtigt. Der gut informierte "Guardian" hält jedoch dagegen: Die Anzugträger hätten sehr wohl im Interesse Manchesters gehandelt. Doch nachdem der Transfer geplatzt war, sei dem Verein die Wahrheit augenscheinlich zu peinlich gewesen.

Kurs auf Königsklasse statt Mittelmaß mit United

Statt Herrera verpflichteten die Red Devils in letzter Sekunde Marouane Fellaini - gefühlt Moyes' letzte Alternative - für unverhältnismäßige 33 Millionen Euro. Ein gefundenes Fressen für die "Daily Mail". Das englische Boulevardblatt sprach von einem "Transferdesaster" und titelte: "Meister von England, aber eine Lachnummer in der Transferperiode. Moyes geht bei allen Wunschspielern leer aus".

United benötigte nun einmal dringend einen zentralen Mittelfeldspieler, spätestens nach dem Karriereende von Paul Scholes. Doch die Wunschkandidaten Cesc Fabregas und Sami Khedira blieben ihren Klubs treu, Thiago entschied sich für die Bayern. Und auch der vielumworbene Kevin Strootman konnte sich scheinbar nicht für einen Wechsel nach Manchester begeistern. Auf den ersten Blick eine mutige, im Nachhinein jedoch eine äußerst weise Entscheidung.

Denn während ManUtd als amtierender Champion im Niemandsland der Premier League zu versinken droht und sich auf peinliche Art aus den nationalen Pokalwettbewerben verabschiedete, eilt Strootman mit der Roma von Sieg zu Sieg - Startrekord inklusive. Zwar scheint Juventus an der Spitze uneinholbar, doch dahinter stehen für die Giallorossi nach der vergangenen Seuchensaison alle Zeichen auf Champions League.

Die "Waschmaschine" im Spiel der Roma

Einen erheblichen Anteil daran hat Strootman. Nach Innenverteidiger Mehdi Benatia hat kein Feldspieler mehr Einsatzminuten auf dem Buckel. Längst hat sich der Neuzugang als unersetzlich erwiesen. Als linke Spitze des Mittelfelddreiecks mit Daniele de Rossi und wahlweise Radja Nainggolan oder Miralem Pjanic kommt ihm eine besondere Rolle zu.

Einerseits flankiert er de Rossi im Spiel gegen den Ball. Während Letzterem die Staubsaugerrolle zukommt, ist Strootman eher ein unauffälliger Zerstörer. Seine starke Antizipation macht viele Möglichkeiten des Gegners schon im Ansatz zunichte, durch sein bemerkenswertes Stellungsspiel erspart er sich zahlreiche Zweikämpfe. Gleichzeitig weiß er aus seiner Zeit neben Mark van Bommel auch, wann es sich regelwidrig einzugreifen lohnt - was seine bisweilen hitzige Mentalität ebenfalls erklärt.

Bei eigenem Ballbesitz wiederum hat Strootman häufig die Rolle des Taktgebers inne. Der Niederländer hat ein gutes situatives Gefühl für das richtige Spieltempo, was ihn zu einem zuverlässigen Organisator auf dem Platz macht. Komplettiert wird der Fußballer Strootman durch einen brandgefährlichen linken Fuß und hervorragende Ballbehandlung.

Letztere hat ihm in Rom sogar einen neuen Spitznamen beschert. "Wir nennen ihn die Waschmaschine", erklärte Coach Rudi Garcia. "Gib ihm einen schmutzigen Ball und er macht ihn sauber", so die blumige Umschreibung von Strootmans Gabe, auch mit verunglückten Pässen souverän umzugehen.

Zwischen van der Vaart und de Jong

Unter Garcia ist Strootman längst einer der wichtigsten Faktoren im Spiel der Römer. Zwischen Totti und de Rossi ist er quasi der heimliche Häuptling. Durch seine Variabilität ist er mehr als nur ein klassischer Box-to-Box-Player. Denn nur wenige von ihnen zeichneten sich als derart komplett aus.

Schon sein ehemaliger Nationalcoach Bert van Marwijk bezeichnete Strootman als Mischung aus Rafael van der Vaart und Nigel de Jong. Auch er selbst sieht sich als eine Symbiose aus beiden Spielertypen: "Ich spiele gerne Box-to-Box. Ich mag beide Phasen des Spiels, Angriff und Verteidigung, ohne besondere Präferenz."

Spielertypen wie Strootman heben die klassische Box-to-Box-Rolle fußballerisch auf ein neues Level. Gleichzeitig wird der Niederländer auch der Verantwortung seiner Position gerecht. Mit 22 Jahren vertrat er bereits Wesley Sneijder als Kapitän der Nationalmannschaft. Bei Bondscoach Louis van Gaal hat er ohnehin einen Stein im Brett: "Strootman ist einer von zehn Spielern, die sicher bei der WM dabei sind", ließ dieser unlängst verlauten.

"Denke nicht, dass er lange bei Rom bleiben wird"

Auch sein Vorgänger Dick Advocaat schwärmt vom jungen Römer. Wenngleich er von dessen Entscheidung im vergangenen Sommer, sich der Roma und nicht etwa Manchester United anzuschließen, irritiert war: "Ehrlich gesagt hat es mich überrascht, dass er im letzten Sommer nicht zu einer absoluten Top-Mannschaft gewechselt ist", sagte er noch im November dem "Algemeen Dagblad".

"Ich denke nicht, dass er lange bei der Roma bleiben wird. Wenn er auf seinem Niveau spielt, wird er schnell weggekauft. Und dann kommt ein Team vom Kaliber wie Manchester United", so Advocaat weiter. Dass die Roma derzeit Kurs auf die Königsklasse nimmt, während United um die Europa League kämpfen muss, ließ der Niederländer außen vor.

Auch Strootman selbst scheint trotz andauernder Lockrufe kein Interesse an einem Wechsel nach Manchester zu haben. "Kevin ist sehr glücklich in Rom. Es ist sein Plan, hier für eine lange Zeit zu bleiben", verkündete sein Berater Chiel Dekker gegenüber "Sky Sports".

David Moyes sollte sich also in der kommenden Transferperiode rechtzeitig nach Alternativen umsehen. Zumindest, wenn er die Geduld von "Daily Mail" und Co. nicht überstrapazieren will.

Kevin Strootman im Steckbrief

Artikel und Videos zum Thema