"Ich zünde gerne Transfermarkt-Bomben"

Von Interview: Christian Bernhard
Der Ex-Wolfsburger Cristian Zaccardo feierte seine größten Erfolge in Deutschland
© getty

Cristian Zaccardo gehört auch aufgrund zahlreicher Verletzungen zum Stammpersonal des AC Milan. Im SPOX-Interview spricht der 31-Jährige über seine großen Erfolge in Deutschland, Vorbilder auf und neben dem Platz, seine Ziele mit den Rossoneri und den "sergento di ferro".

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SPOX: Herr Zaccardo, Sie dürften schöne Erinnerungen an Deutschland haben. 2006 haben Sie sich hier zum Weltmeister gekürt, 2009 gewannen Sie mit dem VfL Wolfsburg den Meistertitel. Was die wenigsten wissen: Sie haben auch den U21-EM-Titel in Deutschland gefeiert, an der Seite von Daniele De Rossi, Alberto Gilardino und Andrea Barzagli.

Cristian Zaccardo: Allerdings, Deutschland ist für mich speziell. Es hat mir viel Glück gebracht: 2004 der U21-EM-Titel, 2006 die WM in Berlin und 2009 die Meisterschaft mit Wolfsburg. Ich bin auf besondere Weise mit Deutschland verbunden und komme immer sehr gerne hierher zurück.

SPOX: Was ist Ihre schönste Erinnerung an Deutschland?

Zaccardo: Die WM sticht natürlich heraus, wir waren 50 Tage zusammen. Ich denke an Berlin, an den Moment, als Fabio Cannavaro den Pokal in den Himmel gestemmt hat und an das Fest danach. Das sind Momente, die ich nie vergessen werde.

SPOX: Und was fällt Ihnen ein, wenn Sie den Name Felix Magath hören?

Zaccardo: Magath war ein Trainer, der viel verlangt hat. In Italien nennen wir solche Trainer "sergente di ferro" (eisenharter Feldwebel, Anm. d. Red.). Zu Beginn hatte ich mit seinen Methoden Probleme, aber mit der Zeit habe ich verstanden, dass seine Arbeitsweise wirksam war. Ich habe mich in Wolfsburg sehr wohl gefühlt, auch außerhalb des Platzes. Die Meistersaison war sehr positiv, deshalb denke ich gerne an diese Zeit zurück, auch wenn ich sagen muss, dass es am Anfang hart war. Der Dialog mit ihm war in der Anfangsphase nicht leicht, weil ich an andere Methoden gewöhnt war. Deshalb habe ich mich in den ersten Monaten etwas schwer getan. Aber seine Arbeit hat Früchte getragen.

SPOX: Ist Magaths Training wirklich so hart?

Zaccardo: Ja, sehr. Deshalb tut man sich zu Beginn schwer, wenn man nicht daran gewöhnt ist.

SPOX: Magath ließ in Wolfsburg einen fünf Meter hohen Hügel mit 24-prozentiger Steigung errichten, der gerne auch mal mit Gewichten bezwungen werden musste. Haben Sie diesen "Mount Magath" auch kennengelernt?

Zaccardo: Nein, den gab es bei uns noch nicht. Wir sind den Berg hoch gelaufen, aber ohne Gewichte (lacht).

SPOX: Sie haben im Verlauf Ihrer Karriere mit großartigen Stürmern zusammengespielt: In Palermo mit Edinson Cavani, dann mit Edin Dzeko in Wolfsburg und nun mit Mario Balotelli bei Milan. Wie schätzen Sie dieses Trio ein?

Zaccardo: Alle drei sind Top-Spieler. Dzeko ist in Wolfsburg explodiert, er war aus fußballerischer Sicht zerstörerisch. Cavani war noch jung, als wir zusammen in Palermo waren. Er hat damals noch nicht sein ganzes Potenzial abgerufen, wie er es dann in Neapel getan hat. Balotelli ist ein kompletter Angreifer, der stärkste, den wir haben. Alle drei sind tolle Spieler, es freut mich, mit ihnen gespielt zu haben.

SPOX: Sie sehen Balotelli jeden Tag im Training. Was ist seine größte Stärke?

Zaccardo: Sein Schuss. Auch aus dem Stand ist er sehr hart und präzise.

SPOX: Obwohl Sie seit Ihrem Wechsel im Januar aus Parma kaum gespielt haben, hat sich Trainer Massimiliano Allegri zuletzt öffentlich bei Ihnen dafür bedankt, dass Sie den Verein im Sommer trotz einiger Angebote nicht verlassen haben. Jetzt gehören Sie aufgrund der vielen Verletzungen zu den Stammkräften.

Zaccardo: Wir brauchen uns nichts vorzumachen, ich habe im Sommer mit dem Gedanken gespielt, Milan zu verlassen. Das hätte ich aber als persönliche Niederlage empfunden. Nachdem ich diese Monate stillschweigend ertragen habe, möchte ich nun meine Qualitäten zeigen. Milan war immer meine erste Wahl.

SPOX: Nun haben Sie am vergangenen Spieltag beim 2:2 gegen den FC Turin Ihr Startelfdebüt für Milan gegeben. Waren Sie zufrieden?

Zaccardo: Es war kein gutes Spiel von uns, aber wir haben trotz eines 0:2-Rückstandes noch einen Punkt geholt, auch wenn etwas Glück dabei war.

SPOX: Jetzt steht gleich das nächste Debüt an. Obwohl Sie in Ihrer Karriere schon so viel gewonnen haben, haben Sie noch nie in der Champions League gespielt.

Zaccardo: Richtig, auch deshalb bin ich zu Milan gegangen. Mit Wolfsburg hatte ich mich für die Königsklasse qualifiziert, dann bin ich aber nach Parma gewechselt.

SPOX: Milan hat in der Schlussphase der Transferzeit mit dem Verkauf von Kevin-Prince Boateng und der Rückholaktion von Kaka für Furore gesorgt. Wie haben Sie Kaka bisher erlebt?

Zaccardo: Er ist ein echter Champion, ein Vorbild auf und neben dem Platz. Ricky ist ein ganz feiner Junge, der sich in den Dienst der Mannschaft stellt und jede Menge Enthusiasmus mitbringt. Wir sind froh, ihn bei uns zu haben.

SPOX: Welche Ziele haben sie mit dem AC Milan?

Zaccardo: Ich möchte etwas mit diesem Verein gewinnen. Den Meistertitel, den Pokal oder womöglich sogar die Champions League. Das ist nicht einfach, aber ich habe hier drei Jahre Vertrag und hoffe, zusammen mit meinen Teamkameraden erfolgreich zu sein.

SPOX: Wie schätzen Sie Milans Chancen im Kampf um den Scudetto ein?

Zaccardo: Wir werden alles dafür tun. Juventus ist der Favorit, aber viele Mannschaften wie Napoli und die Fiorentina haben sich verstärkt. Auch Inter hat mit dem neuen Trainer Walter Mazzarri neuen Enthusiasmus, die Meisterschaft ist sehr kompetitiv. Wenn wir so spielen, wie in der vergangenen Rückrunde, haben wir gute Chancen, ganz vorne zu landen.

SPOX: Für Milan war die Aufholjagd in der Rückrunde positiv, für Sie persönlich allerdings weniger, da Sie dadurch nach Ihrem Wechsel aus Parma kaum zum Zug gekommen sind.

Zaccardo: Als ich im Januar kam, war Milan auf Rang sieben. Ab da haben wir fast nur noch gewonnen und sind Dritter geworden. Es war besser so, denn dadurch haben wir es über die Playoffs in die Champions League geschafft. Wir wollen alle spielen, aber die Konkurrenz ist groß, denn wir sind der AC Milan.

SPOX: Sie haben vergangenes Jahr den Trainerkurs in Italiens Leistungszentrum Coverciano gemacht. Ist das eine Option für die Zeit nach der aktiven Karriere?

Zaccardo: Ich möchte im Profifußball-Geschäft bleiben, auch wenn ich mich mehr als Sportdirektor denn als Trainer sehe. Als es 2012 diese Möglichkeit gab, habe ich sie genutzt. Wir waren insgesamt zehn Weltmeister von 2006, unter anderen Cannavaro, Gattuso, Inzaghi und Grosso, und waren vier Wochen zusammen. Das war eine lustige Zeit. Jetzt habe ich den Schein, man weiß ja nie...

SPOX: In Parma haben Sie von Ihren Teamkameraden den Spitzname "Vize-Sportdirektor" bekommen. Sie scheinen also Talent für diesen Job zu haben.

Zaccardo: Ich beschäftige mich sehr gerne mit dem Transfermarkt. Mir gefällt es, darüber zu scherzen und Transfermarkt-Bomben zu zünden (lacht).

Cristian Zaccardo im Steckbrief