Del Piero: Einer der Größten sagt "Addio"

Von Oliver Birkner
Nach 19 Jahren bei Juventus ist Schluss für Alessandro Del Piero
© Getty

Nach 19 Jahren Juventus Turin verlässt Alessandro Del Piero die Alte Dame. Ganz Turin feierte den Capitano, als wäre Neil Armstrong ein zweites Mal vom Mond zurückgekommen. Tränen flossen auch in Mailand. Eine ganze Reihe von Veteranen wird nicht mehr für die Rossoneri spielen. Gennaro Gattuso war gerührt, konnte sich aber eine Breitseite gegen die "Rotzlöffel" nicht verkneifen.

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There's only one Capitano! 13. Mai 2012, Juventus gegen Atalanta, besonderes Vorkommnis: Auswechslung von Alessandro Del Piero (57.). So müsste die Statistik den Turiner Sonntagnachmittag für die Nachwelt korrekterweise archivieren. Im Grunde wäre eine Fußnote angebracht, dass die Partie überhaupt nur 57 Minuten dauerte. Nach 19 Profi-Jahren Juventus, 48.785 Spielminuten, 704 Einsätzen, 387 Siegen und 289 Toren sagte der Kapitän seinem Publikum Addio. Für die folgenden Szenen gab es in der Fußballgeschichte wohl äußerst wenige Parallelen. Die 22 Akteure auf dem Rasen brachten die Partie vor dem ausverkauften Juventus Stadium unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu Ende, während Del Piero Ehrenrunde um Ehrenrunde abgraste. Unter dem unendlich donnernden "Ein Capitano, es gibt nur einen Capitano!" flogen ihm von den Rängen gleich einem gefeierten Tenor massenweise Schals, Shirts, Transparente und Blumen vor die Füße. Ein Plakat versprach: "Meinen zukünftigen Kindern werde ich als Erstes von dir erzählen." Bewegende Bilder zahlloser Tifosi, denen Wasserfälle aus den Augen liefen als sei ein nahes Familienmitglied davongegangen - für die meisten war es zweifelsohne genau das. "Egal wo man sich auf der Welt befindet, sagt man Del Piero, denkt jeder sofort an Juventus. Eine Legende, eine globale Ikone", erzählte sein Ex-Trainer Marcello Lippi.

Mondlandung 2.0: Bandiera, Flagge, nennen die Italiener ihre vereinstreuen Spieler, und mit Del Piero verlässt die Serie A eine der letzten. Vor einem gebührenden Panorama zelebrierte der 37-Jährige anschließend auf dem offenen Party-Bus seinen sechsten und letzten Juve-Scudetto: 400.000 Fans flankierten die abendliche Fahrt ihrer Heroen durch Turin. "Es schien, als seien die Astronauten von der ersten Mondlandung zurückgekehrt", kommentierte das Blatt "Repunnlica". In der Stadt ging nichts mehr, was die Taxifahrer zu einem Beschwerdebrief veranlasste, weil ja gerade die Buchmesse lief. An manchen Tagen können sich Schmöker und Taxameter wirklich mal hinten anstellen. Also bitte.

Gattuso vs. Früchtchen: Reichlich Tränen flossen auch rund 140 Kilometer westlich. In San Siro nahm Pippo Inzaghi mit Tor Nummer 126 in elf Jahren AC Mailand Abschied. Clarence Seedorf wird nach zehn Jahren wohl ebenfalls gehen, wie Alessandro Nesta und Gennaro Gattuso, der 13 Saisons in Rotschwarz auflief. Das Quartett gehörte zu den Säulen der beeindruckenden Ancelotti-Ära mit zwei Triumphen in drei Champions-League-Finals. "Ich bin am Boden zerstört und konnte keine Sekunde schlafen. Es ist das Ende einer Epoche", schluchzte Geschäftsführer Adriano Galliani. Die Wechsel von Gianluca Zambrotta und Mark van Bommel rundeten den endgültigen Generationswechsel ab. Besonders ins Detail ging Ringhio Gattuso: "Als Holzfuß Nesta seinen Abschied bekanntgab, wusste ich, dass auch meine Zeit gekommen war. Zuletzt fühlte ich mich wie ein Maskottchen oder Wimpel - es fehlte bloß noch, dass man mich vor Anstoß dem gegnerischen Kapitän übergab." Zum Abschluss würde er gerne ein Jahr bei den Rangers in Glasgow dranhängen, wo er nach eigenen Worten "auf die Fußball-Landkarte kam" und seine Frau kennenlernte: "Zu Inter oder Juve würde ich sicher nie gehen. Ich bin mir allerdings sicher, dass die mich auch nicht haben wollen." Einen kleinen Seitenhieb gab es dann zum Abschluss. In der Kabine werde es in Zukunft aufmüpfiger, jetzt, da all die Senatoren fehlen: "Früher hatte ich Schiss vor all den Stars und hielt meine Klappe. Mittlerweile kassieren die Youngster alle Millionen, halten sich schon für riesige Champions und machen dich blöd von der Seite an." Im Falle von Gattuso freilich ein ungesunder Plan.

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