Zurück zur schwarzweißen DNA

Von Christian Bernhard
Arturo Vidal (M.) wechselte von Bayer Leverkusen zu Juventus Turin
© Getty

Juventus Turin will mit groß angelegten Neuerungen die zwei enttäuschenden letzten Spielzeiten vergessen machen. Mit Antonio Conte ist eine Juve-Legende der neue Trainer, dazu kommen ein neues Stadion, prominente Neuverpflichtungen a la Andrea Pirlo und Arturo Vidal sowie ein spezielles Spielsystem. Und an frischem Geld mangelt es auch nicht.

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Zweimal Platz sieben: Juventus Turin hat sportlich gesehen zwei Horrorspielzeiten hinter sich. Entgegen der Juve-Historie verschlissen die Bianconeri in dieser Zeit mit Ciro Ferrara, Alberto Zaccheroni und Luigi Del Neri gleich drei Trainer und starteten am Ende der vergangenen Saison einen erneuten Umbruch. Ex-Kapitän und Juve-Legende Antonio Conte soll es jetzt richten.

Um wieder an Italiens Spitze zu kommen und mittelfristig auch in Europa mitzureden, verabschiedete der Verwaltungsrat Ende Juni einen fünfjährigen Entwicklungsplan mit einer Kapitalerhöhung über 120 Millionen Euro. Teil dieses Plans ist ein Kredit über 70 Millionen Euro, der dem Verein von der Eigentümer-Holding Exor sofort zur Verfügung gestellt wurde und größtenteils für den Transfermarkt vorgesehen ist.

Juves zweiter Faustpfand ist das vereinseigene Stadion, das am 8. September gegen Notts County eröffnet wird. Damit sind die Turiner der erste Klub in Italien, der ein eigenes Stadion besitzt. "Durch das Stadion ist der Verein vorn, jetzt müssen wir als Mannschaft nachziehen", sagt Conte.

Neuer Trainer, neues Spielsystem:

"Für mich ist es nach sieben Jahren eine Rückkehr nach Hause. Ich habe immer davon geträumt, als Trainer zurückzukehren und möchte mich beim Klub bedanken, dass er an mich gedacht hat." Mit diesen Worten stellte sich Antonio Conte am 31. Mai als neuer Juve-Coach vor. Der 42-Jährige, der zuvor den AC Siena in die Serie A geführt hatte, spielte von 1991 bis 2004 419 Mal für die Bianconeri. Conte wurde fünfmal Meister, gewann je eine Champions League und einen Weltpokal und war der Juve-Kapitän, den Alessandro Del Piero beerbte.

Conte ist ein Verfechter des 4-4-2-Systems mit sehr offensiven Außen, quasi ein 4-2-4. "Die Zahlenfolge ist relativ, 4-2-4 oder 4-4-2 mit offensiven Außenspielern - beides passt", sagt der neue Cheftrainer. "Ich möchte, dass wir viel Ballbesitz haben und dass wir das Spiel machen. Wir müssen kompakt stehen, schnell den Ball zurückerobern und mir gefällt es nicht, wenn die Mannschaft zu tief steht", beschreibt Conte seine Fußballidee.

Conte will das Spiel mit Ball am Boden von hinten aufziehen, lange Bälle sollen der Vergangenheit angehören. Die zwei Flügelspieler im Mittelfeld sollen als zusätzliche Angreifer auftreten und oft ins 1-gegen-1 gehen. Aufgrund ihrer offensiven Vorderleute sollen die Außenverteidiger nicht mehr so oft aufrücken. Von den zentralen Mittelfeldspielern verlangt Conte, dass sie hinter dem Ball stehen und die Bälle verteilen. Sie sollen nicht so oft in die Spitze stoßen, dafür aber sehr früh Pressing ausüben.

Conte will aber vor allem eines: Hingabe und Leidenschaft. Eigenschaften, mit denen es der ehemalige Mittelfeld-Allrounder bis zum Juve-Kapitän gebracht hatte. "Das Wichtigste ist, zur Einstellung zurückzufinden, die Juve seit jeher ausgemacht hat: Wir sind Juventus und müssen die schwarzweiße DNA zurückgewinnen. Mit Hilfe der richtigen Einstellung und einer ausgeprägten Arbeitskultur wollen wir den Verein dahin zurückbringen, wo er hingehört", unterstreicht Conte.

Die Neuen:

Einen ordentlichen Batzen Geld gab Juve Ende Juni aus: Für knapp 37 Millionen Euro wurde das Quartett Alessandro Matri, Fabio Quagliarella, Simone Pepe und Marco Motta fest verpflichtet. Alle vier trugen bereits in der vergangenen Saison das Juve-Trikot.

Juventus Turin verpflichtet Quartett

Den Königstransfer machte Juve aber bereits im Mai: Ablösefrei kam Andrea Pirlo von Meister Milan nach Turin. Der 32-jährige Regisseur soll nach einer Saison voller Verletzungen der neue Juve-Kopf werden - und ist auf dem besten Weg dorthin. "Er ist ein Großer, noch größer, als ich ihn mir vorgestellt hatte", sagt Conte.

Mit Arturo Vidal wurde eine zweite potenzielle Stammkraft für das zentrale Mittelfeld zum Missfallen von Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge von Leverkusen losgeeist. Der Chilene ist aufgrund seiner Dynamik und Aggressivität auf dem Papier der ideale Pirlo-Nebenmann, muss sich allerdings der Konkurrenz von Juve-Eigengewächs Claudio Marchisio erwehren. Marchisio absolvierte eine sehr gute Vorbereitung und spielte sich in Contes Herz: "Claudio ist ein sehr starker zentraler Mittelfeldspieler, er hat mich positiv überrascht."

Vidal stieg aufgrund der Copa America erst am 12. August ins Training ein und muss sich noch mit Contes Mechanismen vertraut machen. "Er muss sich erst an das Spielsystem gewöhnen, deshalb braucht er Zeit", sagt Conte, der klarstellt: "Wir haben ihn für die Mittelfeldzentrale geholt."

Im Zentrum der Turiner Transfermarktbemühen stand von Beginn an die Verpflichtung eines Top-Angreifers. Nachdem die Wechsel von Kun Agüero (jetzt Manchester City) und Giuseppe Rossi (Villarreal) nicht zu bewerkstelligen waren, holten die Bianconeri für 15 Millionen Euro Mirko Vucinic vom AS Rom. Der Angreifer aus Montenegro kann als Stürmer oder in Einzelfällen auch als linker Offensivmann agieren.

Die Schweizer Stephan Lichtsteiner (Lazio Rom, rechts) und Reto Ziegler (Sampdoria Genua, links) sollen die Probleme auf den Außenverteidigerpositionen beheben, Michele Pazienza (kam aus Neapel) ist Spieler Nummer vier für die Mittelfeldzentrale und damit Teil einer großen Mittelfeld-Revolution: Statt Felipe Melo (ausgeliehen an Galatasaray), Momo Sissoko (verkauft an Paris St. Germain) und Alberto Aquilani (Kaufoption nicht gezogen) bilden neben Marchisio jetzt Pirlo, Vidal und Pazienza das Herzstück des Teams.

Was fehlt noch?

Zwei Bausteine fehlen noch: Ein Linksaußen und ein Innenverteidiger. Priorität hat der linke Mittelfeldspieler, da den Außen in Contes Spielidee eine grundlegende Bedeutung zukommt. Laut italienischen Medienberichten ist mittlerweile Sevillas Diego Perotti die Nummer eins auf der Juve-Liste. Der Argentinier soll am Donnerstag beim Europa-League-Playoff-Duell mit 96 vor Ort in Hannover beobachtet worden sein.

Ebenfalls im Gespräch: Juan Manuel Vargas vom AC Florenz. Hamburgs Eljero Elia soll auch noch ein Kandidat sein, allerdings verkündete der HSV erst kürzlich, man werde den Niederländer nicht abgeben. In der Vorbereitung machte Eigengewächs Cristian Pasquato, der zuletzt an Zweitligist Modena ausgeliehen war, auf dieser Position eine gute Figur - er war die Überraschung des Sommers.

Da Conte mit Giorgio Chiellini, Leonardo Bonucci und Andrea Barzagli nur drei Innenverteidiger zur Verfügung stehen, soll ein weiterer her. Anscheinend konzentrieren sich die Turiner auf Chelseas Alex und Copa-America-Gewinner Sebastian Coates (Nacional Montevideo). Conte möchte einen spielstarken Verteidiger mit einer guten Spieleröffnung.

Um die letzten Transfers zu tätigen, müssen allerdings zuerst jene Spieler abgegeben werden, die in Contes Plänen keine Rolle mehr spielen, angefangen von Mittelstürmer Amauri und Jorge Martinez.

Dann kann die Saison beginnen: "Wir sind am Anfang unseres Werks. Andere haben das Haus schon stehen, wir bauen es gerade auf. Deshalb braucht es etwas Geduld, aber unser Ziel ist es, von Beginn an konkurrenzfähig zu sein", sagt Conte.

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