Jagd nach einem Phantom

Von Stefan Rommel / Christian Bernhard
Die Inter-Fans warten auf den Nachfolger von Ex-Coach Leonardo
© Getty

Inter Mailand sucht nach Leonardos Abschied verzweifelt einen neuen Trainer, handelt sich bisher aber nur Absagen ein. Klub-Patron Massimo Moratti bleibt trotzdem gelassen - auch wenn sich bereits das nächste Problem abzeichnet.

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Massimo Moratti dürfte es gar nicht mehr gewohnt sein, sich binnen kürzester Zeit so viele Körbe eingehandelt zu haben, wie in den letzten Tagen.

Moratti ist als Spross der Öl-Dynastie Sara vom Erfolg geküsst und auch als Präsident von Inter Mailand hat er in der vorletzten Saison eine jahrzehntelange internationale Durststrecke mit dem Triple beendet.

Eine geschätzte dreiviertel Milliarde hat er seit seinem Amtsantritt beim FC Internazionale vor 16 Jahren in den Klub investiert.

Post-Mourinho-Ära als Problem

Es gab kaum einen Spieler, den er gewollt, aber nicht bekommen hätte: Ronaldo, Zlatan Ibrahimovic, Wesley Sneijder oder Samuel Eto'o. Seit aber Jose Mourinho noch in der Nacht des Champions-League-Triumphs vom Mai 2010 in die Arme von Real Madrid gelaufen ist, hat Moratti ein veritables Problem: Die wichtigste Position im Klub, neben seiner eigenen natürlich, bekommt er nicht zufriedenstellend besetzt.

Auf Mourinho folgte Rafa Benitez, der erlebte in der enorm strapaziösen Post-Mourinho-Ära nicht einmal Weihnachten als Inter-Trainer. Leonardo löste den Spanier ab. Keine einfache Personalie, bei Leonardos zwölfjähriger Vergangenheit beim Lokalrivalen Milan.

Der Brasilianer gewann zwar die Coppa Italia, folgte dann aber dem Ruf von Paris St. Germain, wo er als Sportdirektor mit den Petro-Millionen des Kronprinzen aus Dubai einen Neuanfang im großen Stil starten soll. "Leonardo hat mit viel Einsatz und Leidenschaft als Trainer gearbeitet, aber das ist nicht sein Wunsch für die Zukunft", sagte Moratti im Wissen, dass sein ehemaliger Trainer viel lieber wieder Manager sein wolle. "Es ist vernünftig, dass Leonardo seiner Berufung folgt und Inter einen neuen Trainer sucht."

Jagd nach einem Phantom

Es sollte für "La Grande Inter" doch wirklich kein Problem sein, einen entsprechenden Übungsleiter zu finden. Sollte man meinen. Denn die letzten Tage erzählen von einer beispiellosen Jagd nach einem Phantom, das Moratti zumindest in der Öffentlichkeit in einem schlechten Licht dastehen lässt.

Am 8 Juli beginnt die Saisonvorbereitung. Der Kader ist noch unfertig, soll ein bisschen umgebaut und auch ausgemistet werden. Aber ohne Trainer lässt es sich schwer verhandeln mit potenziellen neuen Stars.

Die wollen neben ein paar Euro schließlich auch eine vernünftige Perspektive und, wenn sie ganz ehrlich sind, zumindest vor dem ersten Training noch am längeren Hebel sitzen und auch verhätschelt und begehrt werden von ihrem künftigen Lehrmeister.

Vier Absagen in einer Woche

Einen wie Mourinho oder den Magier Helenio Herrera aus der glorreichen Zeit der 60er Jahre findet man selbstredend nicht an jeder Ecke. Allein vier verbriefte Absagen hochrangiger Kandidaten innerhalb einer Woche sind für Inter-Verhältnisse aber kaum zu ertragen.

Nacheinander fragte der Klub bei Marcelo Bielsa, Sinisa Mihajlovic, Andre Villas Boas, und Fabio Capello an und quasi im 24-Stunden-Takt hagelte es Absagen verschiedenster Couleur.

Bielsa, der mit Chile bei der WM vor einem Jahr mit einer unkonventionellen Spielweise äußerst positiv aufgefallen war und als Fußball-Intellektueller gilt, bleibt der Lombardei aus privaten Gründen fern. "Er war eine Möglichkeit, hat aber aus persönlichen Gründen abgesagt", erklärt Moratti.

Villas-Boas zu teuer

Und Villas Boas? Das Vertragswerk. "Wir haben uns mit ihm beschäftigt und er wäre gerne zu uns gekommen, aber seine Ablöseklausel war sehr hoch", so Moratti.

15 Millionen Euro soll der Portugiese an Abfindung kosten, die Villas Boas jetzt - laut offizieller Verlautbarung - selbst bezahlt. Wohl aber tatkräftig unterstützt von seinem neuen Verein FC Chelsea, der Villas Boas am Mittwoch offiziell präsentierte.

Capello zeigte offenbar ebenso wie seine drei Vorgänger auch reges Interesse, jedoch verschwand die Anfrage innerhalb kurzer Zeit in irgendeinem Aktenvernichter bei der Football Association in London. "Die FA wollte ihn unbedingt halten", sagt Moratti.

Florenz lässt Mihajlovic nicht gehen

Mihajlovic wurde ebenfalls kontaktiert. Die Fiorentina versucht aber zumindest nach außen hin, hart zu bleiben. Ein Transfer sei ausgeschlossen, verkündete der Klub. "Sinisa Mihajlovic und der Verein bekräftigen noch einmal, dass ihre Zusammenarbeit in keinster Weise zur Diskussion steht." Italienische Medien vermuten allerdings, dass das letzte Wort hier aber noch nicht gesprochen ist.

Blieben noch die Gerüchte um die derzeit arbeitslosen Carlo Ancelotti und Gian Piero Gasperini. Ancelotti, der immer noch sehr stark mit Milan verbunden ist, wurde prompt dementiert, "Gasperini ist nicht unser Favorit", so Moratti.

Andere würden vielleicht schon längst nervös auf den Fingernägeln kauen, Massimo Moratti gibt aber weiterhin den gelassenen Souverän: "Ich suche einen Trainer, der die Mannschaft nicht groß umbauen will. Ich möchte einen Einjahresvertrag mit Option auf ein zweites. In den nächsten Tagen wird es Neuigkeiten geben, wir sind nicht besorgt."

Hiddink als weitere Option

Immerhin: Mit Guus Hiddink hat sich am Dienstag ein neuer Topkandidat aufgetan. Laut "SkySport" sei der Niederländer nicht abgeneigt, das Ruder bei Inter zu übernehmen. Hiddink-Berater Cees van Nieuwenhuizen bestätigte der "Gazzetta dello Sport", dass man sich bereits unterhalten habe.

"Wir haben mit Massimo Moratti gesprochen, Hiddink hat aber noch einen Vertrag mit dem türkischen Verband, deshalb muss Moratti zuerst mit dem türkischen Verband reden, sollte er an Guus interessiert sein." Im Prinzip stellt sich dabei dasselbe Problem wie schon bei Capello und der FA.

Die neuesten Namen in der Verlosung sind Ex-Atletico-Coach Quique Sanchez Flores und Lilles Meistermacher Rudi Garcia.

Am späten Dienstagabend verkündete Moratti, dass noch diese Woche eine Entscheidung fallen soll. "Wir wollen nicht, dass diese Entscheidung all unsere anderen Aktivitäten blockiert. Wir haben uns heute auch ausführlich über Spielerkäufe und Verkäufe unterhalten", sagte er nach einem vierstündigen Meeting mit seinen engsten Mitarbeitern Marco Branca und Piero Ausilio. So fiel beispielsweise am Mittwoch vermehrt der Name von Villarreal-Stürmer Giuseppe Rossi in Italiens Sportpresse.

Wegen Lucio droht Ärger

Auch ein neuerliches Problem mit einem seiner Stammkräfte kann Moratti dabei nicht den Nerv rauben. Es geht um die Vertragsverlängerung von Abwehrchef Lucio.

Dessen Kontrakt läuft noch bis Juni 2012 und der Brasilianer will eine Aufstockung um zwei Jahre.

"Ich möchte bei Inter bleiben, möchte aber einen Vertrag bis 2014. Ich vertraue dem Verein, aber gleichzeitig müssen sie mir vertrauen und nicht auf mein Alter, sondern auf meine Kraft und meinen immer noch riesigen Siegeshunger schauen", sagte der 33-Jährige der "Gazzetta dello Sport".

"Ich denke nur an Inter und will bleiben. Das wissen alle, von Branca bis Moratti. Mir geht es in Mailand wunderbar - auf und abseits des Platzes", fährt er einerseits den Konsenskurs. Andererseits übt Lucio aber auch sanften Druck auf die Vereinsführung aus.

"Wenn sie mir einen Vertrag bis 2013 anbieten würden, würde ich mir auch andere Angebote anschauen."

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