"Bayern hat mich enttäuscht"

Von Interview: Haruka Gruber
Robero Soriano wechselte in der Winter-Transferperiode von München nach Genua
© Imago

EXKLUSIVDie Konkurrenz ist groß im Kampf um einen der 13 Plätze im Internat des FC Bayern München. Roberto Soriano bekam Ende 2005 den Zuschlag - doch wenige Tage vor seinem 18. Geburtstag verließ der italienische U-19-Nationalspieler nach drei Jahren freiwillig die Talentschmiede und wechselte im Winter zu Sampdoria Genua.

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Im Interview spricht der gebürtige Darmstädter, Sohn italienischer Einwanderer, über die Gründe für seinen Weggang, "Ratgeber" Luca Toni und Antonio Cassanos Verrücktheiten.

SPOX: Sie gehören zu Italiens größten Spielmacher-Talenten, dennoch sahen Sie beim FC Bayern keine Zukunft. Warum?

Roberto Soriano: Es war mein großer Traum, bei den Bayern groß rauszukommen, aber ich hatte das Gefühl, dass der Verein nicht auf mich zählt. Zum Beispiel wäre es schön gewesen, wenn ich ab der nächsten Saison auch mal bei der zweiten Mannschaft hätte trainieren können, aber ich sollte weiter bei der U 19 bleiben. Das hat mich enttäuscht.

SPOX: Bayerns Jugendausbildungsleiter Werner Kern sagte aber zu SPOX, dass Ihr Weggang "ein herber Verlust" sei.

Soriano: Als ich noch da war, kam das nicht so rüber. Ich hätte mich gerne mal mit Uli Hoeneß, Jürgen Klinsmann oder Hermann Gerland, dem Trainer der zweiten Mannschaft, kurz über meine Perspektive unterhalten, aber das kam leider nicht zustande. Die Bayern haben nicht wirklich mit mir geplant, und nachdem ich gesehen habe, dass es selbst ein Toni Kroos nicht schafft, habe ich mich entschlossen zu gehen.

SPOX: Der Wechsel Ende Januar kam dennoch überraschend.

Soriano: Das war sehr hektisch. Zwei Tage vor dem Schließen des Transferfensters hat mich mein Berater angerufen und erzählt, dass mich Sampdoria unbedingt will. Innerhalb von wenigen Stunden musste ich eine Entscheidung fällen. Ich wollte es bei den Bayern packen, gleichzeitig war das Angebot aus Genua aber sehr verlockend.

SPOX: Inwiefern?

Soriano: In München hätte ich höchstens hin und wieder mal bei der zweiten Mannschaft dabei sein dürfen, bei Sampdoria hingegen bekam ich gleich einen Profivertrag und trainiere mit Antonio Cassano und den anderen Topspielern.

SPOX: Früher hatten Talente in Italien einen sehr schweren Stand. Hat sich etwas geändert?

Soriano: Seit zwei, drei Jahren gibt es ein Umdenken bei den Klubs. Junge Spieler erhalten viel eher eine Chance, sogar 18-Jährige bekommen schon ihre Einsatzzeiten wie Inter Mailands Davide Santon...

SPOX: ... mit dem Sie in der U 18 zusammengespielt haben und der bei Inter unumstrittene Stammkraft ist.

Soriano: Ich habe schon gesehen, dass Davide einer der Stärksten bei uns war und das gewisse Etwas versprüht, aber: Wir haben uns auf einem ähnlichen Leistungsniveau bewegt. Das macht Mut, auch selbst den Durchbruch zu schaffen.

SPOX: Auch Luca Toni soll bei Ihrem Entschluss, nach Genua zu gehen, eine große Rolle gespielt haben.

Soriano: Das stimmt. Als Luca von Genuas Interesse gehört hat, rief er mich an und hat mich zum Wechsel ermutigt. Zwar sei es ein großer Schritt aus Deutschland nach Italien, aber Sampdoria wäre eine gute Adresse für einen jungen Spieler.

SPOX: Hatten Sie ein besonderes Verhältnis zu Toni?

Soriano: Wir haben uns gut verstanden. Nach Spielen hat er mich einige Male zum Essen eingeladen und wir haben uns über Fußball unterhalten oder darüber, wo man am besten in München weggehen kann (lacht). Bevor ich nach Genua geflogen bin, hat er mich noch angerufen und gesagt, dass ich mich bei ihm melden soll, wenn ich mich bei Sampdoria nicht wohlfühle. Er würde dann einige Spieler, die er von früher kennt, anrufen und die Sache klären.

SPOX: Und? Mussten Sie sich schon bei Toni melden?

Soriano: Nein nein, ich fühle mich rundum wohl. Die Stadt ist wunderschön, wir hatten gestern 20 Grad, und mit den Trainern und den Mitspielern verstehe ich mich blendend. Mittlerweile habe ich schon so etwas wie eine Clique mit vier anderen Jugendspielern, die wie meine Eltern aus Süditalien stammen und dementsprechend den gleichen neapolitanischen Akzent sprechen. Ich hatte zu Beginn etwas Angst, dass mich die anderen komisch beäugen, von wegen: "Was ist das denn für einer, der aus Deutschland kommt?" Aber die Befürchtung war völlig unbegründet.

SPOX: Wohnen Sie wie in München in einem Internat?

Soriano: So etwas in der Art. Ich lebe bis zum Sommer in einem Hotel, wo die komplette U 20 der Sampdoria untergebracht ist. Dann geht's aber in die eigene Wohnung. Parallel will ich den Führerschein machen, ein eigenes Konto habe ich mir immerhin schon eingerichtet (lacht).

SPOX: Das Gehalt soll beim Wechsel eine Rolle gespielt haben. Stimmt das?

Soriano: Geld spielte definitiv nicht die Hauptrolle, aber klar macht sich jemand Gedanken, wenn man pro Monat statt 400 Euro einen vierstelligen Betrag überwiesen bekommt. Aber bevor Sie nachhaken: Ich gehe vorsichtig mit dem Geld um. Neben einem normalen Konto habe ich mir ein Sparbuch angeschafft, auf das automatisch die Hälfte des Gehalts eingezahlt wird.

SPOX: Neben dem Geld: Welche Unterscheide gibt es sonst zwischen Bayern und Genua?

Soriano: Das Training ist doch sehr anders. In Italien wird im Training vielmehr Wert auf Taktik gelegt. Bei Sampdoria wird fast die Hälfte der Zeit für taktische Übungen aufgewendet, bei den Bayern waren es vielleicht nur 25 Prozent.

SPOX: Sie trainieren in Genua regelmäßig mit den Profis mit. War die Umstellung von Bayerns U 19 sehr groß?

Soriano: Im Gegenteil: Ich war überrascht, wie schnell ich mich eingefunden habe. Bei Einheiten, bei dem es um Ballkontrolle und Passspiel geht, ist es bei den Profis sogar einfacher, weil sie einfach besser antizipieren können als die meisten Jugendspieler. Nur körperlich muss ich zulegen, um auf Dauer mitzuhalten.

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SPOX: Welchen Eindruck haben Sie von Sampdorias Superstar Antonio Cassano?

Soriano: Er ist wirklich so verrückt, wie viele denken. Er reißt rund um die Uhr Witze, da kann selbst Franck Ribery einpacken. Als bei meinem ersten Training Stangen-Dribbling auf dem Programm stand, hat sich Antonio mit dem Physiotherapeuten hingesetzt und versucht, uns zum Lachen zu bringen, damit wir die Stangen umreißen. Mit ihm kann man richtig Spaß haben.

SPOX: Wann laufen Sie mit Cassano in der Serie A auf?

Soriano: In der Rückrunde wohl nicht, aber ab dem Sommer werde ich voll angreifen und hoffentlich regelmäßig auf der Bank sitzen. Ich habe im Training und in Testspielen gemerkt, dass ich mithalten kann, deswegen bin ich sicher, dass mir der Sprung in die Serie A gelingt.

Roberto Soriano im Steckbrief