Peter Zeidler vor PSG-Spiel im Interview: "Neymar ist unheimlich gut im Gegenpressing"

Von Leon Willner
Peter Zeidler ist aktuell Trainer des FC Sochaux.
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SPOX: Wie Dauerhaft ist diese Entwicklung für den französischen Fußball? Drohen über Jahre Langeweile im Meisterschaftsrennen mit einem Dominator an der Spitze wie in der Bundesliga?

Zeidler: Im Moment stellt es für die anderen Klubs eine wahnsinnige Motivation dar, gegen Paris zu bestehen. Kommt PSG, ist es immer das Spiel des Jahres. Langeweile befürchte ich nicht, das hat das letzte Jahr gezeigt, als Monaco Meister wurde. In drei Jahren müsste man diese Frage vielleicht nochmal stellen, aber im Moment tut jeder Gastauftritt von PSG dem französischen Fußball gut.

SPOX: Besteht in Frankreich die Möglichkeit, eine zweite Kraft neben PSG zu etablieren?

Zeidler: Die sehe ich durchaus. Standorte wie Lille oder St. Etienne haben unheimliches Potential, Nizza und Nantes haben mit Lucien Favre und Claudio Ranieri tolle Trainer und dann gibt es immer noch Marseille und Lyon.

SPOX: Sochaux steht in der ewigen Tabelle der französischen Ligue 1 deutlich vor Paris, war bis vor kurzem noch der Verein mit den meisten Jahren in der ersten französischen Spielklasse. Wie sind die Erwartungen in der Stadt bezüglich eines Wiederaufstiegs? Im Moment fehlen auf den Relegationsplatz nur zwei Pünktchen.

Zeidler: Mit dem Verkauf des Klubs während der Autokrise kam der Bruch. Sochaux, der traditionsreiche Werksklub des Autobauers Peugeot, stürzte in die Zweitklassigkeit und spielte auch in den ersten Jahren in der Ligue 2 nur gegen den Abstieg. Damit sank die Erwartungshaltung. Blickt man auf den Etat, sind wir nur mehr im Mittelfeld angesiedelt. Wir setzen auf unser Jugendzentrum und sind stolz auf die Jungs aus der eigenen Jugend. Natürlich schielen unsere Fans auf den Wiederaufstieg und wir haben den Ehrgeiz, dieses Ziel auch irgendwann zu schaffen. Es wäre sensationell, wenn wir schon in diesem Jahr die Relegation erreichen könnten.

SPOX: Sie waren lange als Co-Trainer in der Bundesliga aktiv. Was unterscheidet den französischen vom deutschen Fußball und wie schätzen Sie die Ligue 2 im Vergleich zur 2. Bundesliga ein?

Zeidler: Ich sehe das Niveau zwischen beiden zweiten Ligen als gleich an. Lens, Auxerre und Nancy sind Vereine mit einem Erstliga-Etat. Der Unterschied ist die Zuschauerzahl. Als wir letzten Dienstag in Lens gespielt haben, waren zwar über 20.000 im Stadion, doch das ist schon die große Ausnahme.

SPOX: Welchen Stellenwert hat der deutsche Fußball in Frankreich?

Zeidler: In den letzten Jahren gab es in dieser Hinsicht ein klares Umdenken. Das freut mich als Verfechter der deutsch-französischen Freundschaft und als ehemaligen Französischlehrer natürlich besonders. Die Franzosen sprechen mit großem Respekt und mit Begeisterung, ja fast schon mit Sympathie über den deutschen Fußball. Die Lokomotive dieser Entwicklung ist die deutsche Nationalmannschaft.

SPOX: Eine Folge davon ist, dass talentierte, junge Franzosen wie Ousmane Dembele oder Kingsley Coman nach Deutschland wechseln. Wie äußert sich das konkret im Tagesgeschäft?

Zeidler: Als ich von 2008 bis 2011 in Hoffenheim tätig war, war es noch äußerst schwierig, französische Spieler nach Deutschland zu holen. Wir haben uns damals mit allen hoffnungsvollen Talenten Frankreichs getroffen, u.a. mit Loic Remy, Anthony Modeste und Hartem Ben Arfa. Die Gespräche waren gut, aber keinen dieser Spieler haben wir damals bekommen. Es war für mich äußert interessant, diese hochveranlagten Spieler an der Seite von Ralf Rangnick zu treffen.

SPOX: Später haben Sie mit Rangnick auch in Salzburg zusammengearbeitet. Dort glückten einige Transfers.

Zeidler: In Salzburg haben wir Sadio Mane aus Frankreich verpflichtet, dann Naby Keita, dann Upamecano. Ein Ousmane Dembele hat mir 2015 in Salzburg geschrieben: "Trainer, ich will nur zu Ihnen, ich will sofort kommen." Der Transfer scheiterte aber knapp, im Sommer darauf ging er nach Dortmund. Auch das zeigt, dass die Bundesliga inzwischen einen ganz anderen Stellenwert in Frankreich genießt.

SPOX: Wie sehen Sie Ihre persönliche Entwicklung seit der Zeit in Salzburg?

Zeidler: In Hoffenheim und Salzburg habe ich viel gelernt, bevor ich dann in Sion den nächsten großen Schritt als Trainer machte. Zusammen mit einem tollen Trainerstab haben wir den Verein vom letzten Tabellenplatz bis auf Platz zwei in der Super League geführt und standen außerdem im Pokalfinale. Im Januar 2017 haben wir nicht mehr alles gewonnen, rutschten auf den dritten Platz ...

SPOX: ... und Sie wurden durch den als Exzentriker bekannten Klubchef Christian Constantin überraschend freigestellt.

Zeidler: Die Entlassung kam aus dem Nichts und hat mich sehr getroffen, da ich wahnsinnig gerne im Wallis gearbeitet habe. Jetzt ist der Klub wieder Letzter. Keine Ahnung, was da über ihn gekommen ist, inzwischen hat er den Fehler ja auch öffentlich eingestanden. Genugtuung fühle ich jedoch keine, die ganze Zeit in Sion war insgesamt sehr lehrreich und äußerst positiv.

SPOX: Was sind Ihre persönlichen Ziele in Sochaux?

Im Winter gab es schon ein paar Anfragen von anderen Klubs, aber darum geht es jetzt nicht. Wenn wirklich einmal der Moment gekommen ist, im Hier und Jetzt zu leben, dann am heutigen Tag. Wer mich kennt, weiß, wie besonders das Spiel gegen PSG für mich ist. Vor 30 Jahren bin ich als Jugendtrainer des VfB Stuttgart aufgrund meiner Frankreich-Affinität immer wieder an Pfingsten mit der U12 zu Turnieren bei Paris Saint-Germain gefahren. Jetzt darf ich mich als Trainer gegen die Profis von PSG messen. Das ist etwas ganz Großes.

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